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Die Treiber harrten abseits geduldig aus und erwarteten bangend das Erscheinen des Gottes Sil. Die Zeit verstrich, und sie wunderten sich, daß der Gott die Herde verschmähte.

Inzwischen waren, wie Ia-du-lin es gefordert hatte, im Lager am Hügel die Sandwanderer zur Mittagszeit erneut im großen Beratungszelt zusammengekommen. Pünktlich begann die Meßsonde ihre Tätigkeit. Bunte Lichter flammten in lebhaftem Spiel auf.

Dann verkündete Ia-du-lin: „Der heilige Stein verlangt, daß die Krieger, die mich, den treuen Diener des Himmelssohnes, gestern hierhergeführt haben, gefesselt werden und vor Sil erscheinen.“

So kam es, daß an diesem Tag abermals ein Zug vom Lager her nahte. Mitten unter den vielen Waffenträgern war auch Ia- du-lin, in seinem gelben Umhang auf seinem Esel reitend, zu erkennen.

Ia-du-lin zur Seite hatten die Sandwanderer genug Mut, etwas näher an das fliegende Haus des Himmelssohnes heranzukommen. Sie sahen, wie hinter dem durchsichtigen Dach der Himmelshütte Schatten hin und her glitten. Erst als eine Tür aufklappte, die Schafe erschreckt zur Seite sprangen und die violette Gestalt des Himmelssohnes herausglitt, wichen sie wieder zurück. Doch da stand der Gott Sil schon vor ihnen.

Diesmal sah Sil sofort, daß zwölf der Menschenwesen abgesondert und gefesselt waren. Ihm blieb unverständlich, welchen Grund das hatte. Alle schienen auf etwas zu warten.

Da kam ihm ein Gedanke. Sie wollen sehen, wie ich mit meinem kleinen Strahlenwerfer das Geflecht anschneiden kann, dachte Sil. Es hat sie gestern überrascht, als Ia-du-lin so schnell frei war. Er zog schnell die Waffe hervor und schnitt die Fesseln vorsichtig an. Durch die Reihen der Sandwanderer ging ein hörbares Aufatmen. Die Männer, deren Fesseln sich lockerten, zerrissen sie mit einem Ruck ganz, warfen sie fort und knieten vor Sil zu Boden, von großer Dankbarkeit durchströmt.

Sil vermochte nicht, diese Geste zu deuten.

Er war bestrebt, eine Verständigung herbeizuführen, und wiederholte deshalb noch einmal die wenigen Worte, die der Myonendolmetscher im langen Tal bei der ersten Begegnung mit Ia-du-lin gelernt hatte. Er deutete auf sich, auf Ia-du-lin und auf den Esel und sagte: „Sil, ein Himmelssohn! — Ia-du-lin, ein Mensch! — Das ist ein Esel!“

Ia-du-lin hatte stirnrunzelnd zugesehen, als eine Fessel nach der anderen zu Boden fiel. Das war für ihn eine unerwartete Wendung. Er hatte sich die Bestrafung anders vorgestellt.

Während er noch über das merkwürdige Tun des Himmelssohnes nachgrübelte, hörte er plötzlich: „Ia-du-lin… das ist ein Esel.“ Das war eine Beleidigung. Was sollten die Sandwanderer von ihm denken! Brüsk wandte er sich ab, schlug auf seinen Esel ein und galoppierte zum Lager zurück, verfolgt vom Gelächter der Sandwanderer.

Sil registrierte verblüfft die Wirkung seiner Worte.

Nichtsahnend wiederholte er noch einmaclass="underline" „Sil, ein Himmelssohn! — Ia-du-lin, ein Mensch! — Das ist ein Esel!“

Die Menschenwesen brachen erneut in Geschrei aus.

Ia-du-lin, im Lager angekommen, belud seinen Esel sofort mit Wassersäcken, Schlafdecken, Wegzehrung und dem spitzen Stein und verließ das Dorf. Die Kränkung, die ihm vor allen als Nubanda-Patesi widerfahren war, ließ ihn nicht länger im Lager der Sandwanderer bleiben.

Azul bemerkte an den Funksignalen, die ein Kontrollgerät aufzeichnete, daß die Sonde Ia-du-lins um den Hügel wanderte und sich weiter entfernte. Er machte Sil darauf aufmerksam, als dieser von der Ansammlung der Menschenwesen in der Nähe des Ringflüglers zurückkehrte. Es war ihnen unerklärlich, warum Ia-du-lin allein durch das Land zog. Neugierig verfolgten sie in der nächsten Zeit den Weg, den die Sonde nahm. Schließlich stieg der fliegende Ring sogar täglich einmal auf, flog dem Weg der Sonde nach, zeigte sich Ia-du-lin, hoch am Himmel kreisend, und entschwand dann wieder.

Abend für Abend blinkte draußen im Dürrland der helle Stern der Himmelsbewohner. Wenn die Männer zwischen den Zelten standen und ihre Gespräche sich sorgenvoll um die immer spärlicher rinnende Quelle und um die karge Weide drehten, sahen sie hinüber zu dem hellen Licht. Es wunderte sie, daß die Himmelssöhne seit jenem Tag, da Sil Ia-du-lin einen Esel genannt hatte, nicht mehr zu ihnen redeten und nur schweigend umhergingen, alles lange betrachteten und seltsame Gerätschaften im Lager zwischen den Zelten aufstellten.

An einem dieser Abende erhob sich plötzlich der helle Stern, schwebte leise summend über sie hinweg und blieb in der Luft über der Quelle stehen. Ein feuriger Finger durchstach die Dunkelheit und brannte Flammen in die Erde. Das Wasser der Quelle zischte, und dichte, weiße Dämpfe stiegen auf. Die Flammen kamen den Hügelhang hinunter, und unten, fast schon beim ersten Zelt, zeichnete der feurige Finger Kreis um Kreis, immer größer werdend. Dann kehrte der helle Stern zurück zu seinem Platz in der Steppe. Die Flammen am Hügel erloschen. Die Männer wagten nicht hinzugehen. Sie lauschten nur, und ihnen war, als komme das Wasser den Hang hinab.

Die kühle, sternklare Nacht trieb sie schließlich auf ihre Feilager in die Zelte.

Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont hervorstachen, lärmten draußen die Hirten, die über Nacht jenseits des Hügels bei den Herden geblieben waren. Ihr Rufen weckte die Schläfer. Überall wurden die Vorhänge an den Zelteingängen auseinandergeschoben, und spähende Blicke forschten nach der Ursache des frühen, ungewöhnlichen Lärms. Überrascht stellten sie fest, daß das Wasser wirklich über Nacht den Hügel herabgekommen war. Es versickerte nicht mehr unweit der Quelle im Sand, sondern sammelte sich in großer Menge am Fuße des Hügels.

Sil und Azul hatten am Abend zuvor mit dem Strahlenwerfer des Ringflüglers den sandigen Boden zu einer harten, glasigen Schicht zerschmolzen, auf der das Wasser bis hinab in eine Mulde rann.

Es war der kleine zwölfjährige Tu-kum-bi, eines der aufgewecktesten Kinder des Stammes, der als erster die Veränderung an der Quelle entdeckte und dann zusammen mit anderen Hirten das lärmende Wecken vollführte. Tu-kum-bi und seine sechzehnjährige Schwester Lu-lu-ra hüteten zusammen eine der Herden des Stammes. Es waren die Schafe, die auf Geheiß Ia-du-lins als Opfer dargebracht werden sollten. Die beiden Kinder waren glücklich, als ihre Tiere bei ihnen bleiben durften. Es kam wie von selbst, daß die Schafe seitdem täglich zur Mittagszeit vom grünen Weideland hinaus in die Steppe zum Haus der Himmelssöhne liefen. Tu-kum-bi und Lu-lu-ra setzten sich jedesmal ohne Scheu in den Schatten des Rumpfes.

Bei einem dieser Mittagsbesuche entdeckten die Kinder, daß die Himmelssöhne gar keinen so plumpen Körper ohne Kopf und ohne Gesicht hatten, wie sie bisher annahmen. Sie beobachteten, wie unter dem durchsichtigen Dach und hinter den durchsichtigen Wänden verschwommen zwei kleinere, den Menschen ähnliche Gestalten behende hin und her gingen. Sie sahen auch, wie diese Gestalten in ihre große, plumpe Hülle stiegen, wie sich nach einer Weile die Klappe auftat und die beiden großen Riesen schwerfällig herausglitten. Tu-kum-bi und Lu-lu-ra tuschelten miteinander und spähten scharf dorthin, wo ihrer Meinung nach die Gesichter der Männer aus dem Himmel sein mußten. Und wirklich, mehrere Handbreit unter dem wippenden Zipfel vermeinten sie hinter einem breiten Streifen harten Wassers zwei glänzende, tiefdunkle und sehr große Augen zu erkennen, die warm schimmerten, als die Himmelssöhne ein wenig bei ihnen verhielten und aufmerksam auf sie herabsahen. Dann gingen die beiden Riesen fort.

Eine feine, nie gehörte Musik zwang Tu-kum-bi und Lu-lu-ra, durch die offene Luke ins Innere des fliegenden Hauses zu sehen. Sie erblickten dort so viel wundersamen, unbekannten Hausrat, daß es sie verwirrte. Als die Kinder ein paar Schritte näher traten, um besser sehen zu können, schloß sich wie von Geisterhand die Luke. Erstaunt wichen die Kinder zurück. Die Luke sprang wieder auf. Sie traten erneut näher, weil sie glaubten, nur der Wind, der in diesem Haus wohnte, habe diese Tür zugeworfen. Doch die Luke schloß sich abermals. Eine Zeitlang wiederholten sie dieses Spiel. Es machte ihnen Spaß.