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Im Lager berichteten sie von ihrem Erlebnis und den Beobachtungen. Das ermutigte so manchen der Männer, immer häufiger in der Nähe des fliegenden Hauses herumzugehen.

Bald darauf fanden sich allabendlich die Krieger des Stammes unter dem Ring zusammen. Sie hatten sich an das eigentümliche Aussehen der Götter und ihres fliegenden Hauses gewöhnt und faßten Zutrauen, weil sie nicht, wie zuerst befürchtet wurde, Unheil brachten, sondern dem Stamm ganz im Gegenteil unauffällig schon manchen kleinen Dienst erwiesen hatten.

Deshalb auch hatten der Ältestenrat und der Stammesführer die drei in El-Ubaid befreiten Sklaven beauftragt, ständig Ehrenwache bei dem fliegenden Haus zu halten.

An solchen Abenden nun, da die Männer des Stammes beim Ringflügler zusammenkamen, erlauschten Sil und Azul Gespräche über allerlei Erlebnisse und Abenteuer, die die Sandwanderer im ständigen Streit um Weideland mit an deren Stämmen oder mit Kriegern des Zweistromlandes zu bestehen hatten. Sie verstanden sie zwar noch nicht, aber später sollte es ihnen das Myonenhirn der „Kua“ übersetzen.

Die Luke war an all diesen Abenden fest verschlossen und gab ihr Geheimnis nicht preis.

Eines Mittags, als die Schafherde wieder im Schatten des Ringflüglers ruhte und sich auch Lu-lu-ra und Tu-kum-bi im Grase ausgestreckt hatten, tat sich die Luke auf, und der Himmelssohn winkte den drei Kriegern aus El-Ubaid zu.

Sil hatte diese Geste, die soviel wie „Komm herbei“ oder „Komm herein“ bei seinen Beobachtungen den Menschenwesen abgesehen. Die Krieger kamen heran und kletterten, als Sil immer noch lebhaft winkte, zögernd in den Ringflügler.

Die Wunderwelt, die sich ihnen da auftat, verwirrte die Männer. Sie bemerkten nicht, wie die Klappe zuging und der Ringflügler aufstieg. Erst als Sil sie vorsichtig durch die Instrumentenreihen hindurch zur Glaswand geschoben hatte, erkannten sie verwundert, daß das Land unter ihren Füßen mühelos dahinglitt, so, als würden sie ganz schnell laufen. Die Lederzelte des Dorfes, die Krieger, die Tränke, die Tiere und der Hügel erschienen ihnen halb so groß wie sonst. Dann huschte nur noch Dürrland unter ihnen hin.

Schon nach kurzem Flug tat sich eine langgestreckte Schlucht auf, die tief in das Land einschnitt. Der Ringflügler sank herab und setzte auf. Sil und Azul zwängten sich durch den Ausstieg, und auch die drei Krieger aus El-Ubaid sprangen hinaus.

Ungewöhnlich hohes und saftiges Gras umstand sie. Sie waren begeistert und spähten gleich, wie sie es von den Stammesangehörigen gelernt hatten, nach einer Quelle oder einem Wasserloch aus, gingen ein Stück in die Schlucht hinein und suchten die hohen und steilen Kalksteinwände zu beiden Seiten mit den Augen ab, doch ohne Ergebnis. Schließlich bückte sich einer der drei Männer und grub das Erdreich mit den Händen auf. Geduldig warteten sie. Doch nur wenig Sickerwasser sammelte sich. Sie sahen sich ratlos an. Was wäre diese Schlucht für ein herrliches Weideland, wenn es hier auch genug Wasser gäbe, um das Vieh zu tränken. Aber wo so hohes und frisches Gras wuchs, mußte doch auch sehr viel Wasser sein.

Sil und Azul beobachteten das Treiben der drei Männer. Sie errieten, was jene suchten. Sil bedeutete ihnen, zur Kalksteinwand zu gehen. Mit mehreren wuchtigen Hieben zerschlug Azul das hartschalige Gefüge der Wand und legte, je tiefer er eindrang, ihr poröses Innere frei. Binnen kurzer Zeit sprudelte ein daumenstarker Strahl herab, der sich in dem dichten Grasteppich verlief.

Vom Lager aus war das Verschwinden der drei Krieger beobachtet worden. Zudem kamen noch Tu-kum-bi und Lu-lu- ra ins Dorf gelaufen und berichteten, was geschehen war. Man lief den Hügel hinauf und starrte dem fliegenden Ring nach, ungewiß, was das zu bedeuten habe. Nach und nachsammelten sich noch mehr Stammesangehörige auf der Kuppe des Hügels. Sie murmelten miteinander, als sei ein großes Unglück geschehen. Niemand glaubte, daß die drei Männer den Flug lebend überstehen würden.

Da hoben sich plötzlich viele Hände und wiesen über das Hügelland. Der fliegende Ring erschien wieder in der Ferne, kam schnell heran und setzte federnd nahe der Menschengruppe auf. Die Luke schlug zurück, und fast zugleich damit sprangen auch die drei Krieger aus El-Ubaid behende zu Boden.

Aufgeregt gingen sie auf ihre Stammesgefährten zu, sprachen gestikulierend durcheinander und erzählten, was sie erlebt hatten. Immer wieder wiesen sie in die Richtung, aus der sie mit dem Flugzeug gekommen waren.

Die Ältesten traten zusammen und berieten. Die tiefe Schlucht, eine halben Tagesmarsch von hier, war ihnen gut bekannt. Doch bisher hatten sie nie ihr Zeltlager dort aufgeschlagen, weil es nicht gelungen war, in der Schlucht genug Wasser zu finden. In gegrabenen Löchern hatte sich bisher nur etwas Sickerwasser gesammelt. Viel Wasser war jedoch notwendig, wollte man dorthin umsiedeln, denn das Vieh vermochte allein von hohem Gras, so saftig es auch sein möge, nicht zu leben.

Dem Bericht der drei Männer nach mußte eine Quelle an der Felswand aufgesprungen sein. Man beschloß, am nächsten Tag die Schlucht von einem kleinen Trupp aufsuchen zu lassen, der diese Beobachtung nachprüfen sollte.

Der Trupp kehrte zwei Tage später zurück und bestätigte die Aussage. Der Wasserstrahl der Quelle sei jetzt sogar schon armstark, sagten sie. Im Lager machte sich Aufbruchstimmung breit. Der Ältestenrat beschloß die Umsiedlung. Eine starke, bewaffnete Gruppe wurde noch am selben Tag vorausgeschickt, um zu verhindern, daß ihnen ein anderer Stamm zuvorkomme. Bereits am nächsten Morgen trieben Hirten die Herden davon, die Kühle des Morgens für diesen Marsch ausnutzend.

Als am Vormittag die letzten Zelte abgebrochen waren und die Lasttiere hinter dem Hügel verschwanden, gingen Sil und Azul noch einmal über den alten Lagerplatz und fanden an einer Stelle, wo am Morgen noch eines der Zelte gestanden hatte, tafelartige Bruchstücken gelbbrauner Erde, die dicht mit unverständlichen Zeichen bedeckt waren. Sil und Azul nahmen die Scherben an sich.

Da sie keine ausreichende Erklärung für die Zeichen fanden, starteten sie, um zum neuen Lagerplatz in der Steppenschlucht zu fliegen.

Als sie dort zwischen den Zelten, die noch aufgebaut wurden, umhergingen, die Bruchstücke zeigten und ihr Interesse dafür bekundeten, brachte man ihnen andere, noch unversehrte Tafeln. Sil ahnte, daß sie der Schlüssel zur Sprache der Planetenbewohner sein konnten: Den beiden Raumfahrern fiel auf, daß es winzige Bilder von Pflanzen und Tieren waren, gemischt mit Symbolen für Gegenstände und Vorgänge.

Noch am gleichen Tage flog der Ring zurück zur „Kua“. Das Myonenhirn des Raumschiffes trat in Tätigkeit. Es analysierte die Ideogramme. Mehrere tausend Zeichen wurden gefunden.

Regen zum Beispiel war aus den Zeichen Stern und Wasser zusammengesetzt, bedeutete also soviel wie Himmelsnaß.

Schnell enthüllte sich die Bedeutung der Texte auf den Tontafeln. Es mußten Handelskorrespondenzen zwischen Kaufleuten des Zweistromlandes und Händlern einer Siedlung am Meer sein, stellten die Heloiden fest. Sie ließen das Myonenhirn die Schriftsymbole mit den Aufzeichnungen der Beobachtungsgeräte, die Sil und Azul im Lager der Sandwanderer aufgestellt hatten, vergleichen. Aus der Deutung der belauschten Gespräche ging hervor, daß die Sandwanderer in ihrem kargen Land sich nur unter großen Schwierigkeiten zu ernähren vermochten. Sie mußten ständig umherziehen und neue Weideflächen für ihr Vieh suchen. Von ihren besten Weiden hatten sie die Bewohner des Zweistromlandes verjagt.