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Deshalb fügten die Sandwanderer ihnen Schaden zu, wo sie nur konnten.

Sil hörte sich noch einmal seine Worte an, die er den Sandwanderern als Begrüßung zugerufen hatte. Da wurde ihm klar, daß er Ia-du-lin als einen Esel bezeichnet hatte.

Sil und Azul, von nun an stets mit Myonendolmetschern, kleinen Taschengeräten, die eine Verständigung möglich machen würden, ausgerüstet, flogen zurück zum Dürrland.

Gohati und Tivia kamen diesmal zu einem kurzen Besuch mit.

Sie landeten in der Steppenschlucht abseits des neuen Lagers und stiegen aus. Die Antigravitationsplatten in ihren Skaphandern trugen sie dem Dorf zu. Bald wurden die Spitzen der graubraunen, verwitterten Lederzelte unter einer Baumgruppe sichtbar.

Die Schlucht verbreiterte sich. Die steile Wand der Kalksteinfelsen zu beiden Seiten wurde von grünbewachsenen Hängen abgelöst. Oben am Rand der Schlucht wuchs spärliches Buschwerk.

Ein Wachposten hatte den Ringflügler in der Schlucht landen sehen. „Gott Sil und Gott Azul kommen wieder!“ rief er zum Dorf hinüber. „Die Götter kommen zurück“, ging es raunend von Mund zu Mund. Als das die Ältesten hörten, beschlossen sie, ihnen zum Dank für das Tal und das Wasser mit großer Ehrfurcht zu begegnen.

Sie versammelten den Stamm, und einige gingen den Himmelssöhnen entgegen. Doch als sie vier Götter erblickten, stockte ihr Schritt.

Da begann Sil zu ihnen zu reden. Sie waren überrascht. Wie fließend der Himmelssohn zu ihnen sprach! Er hatte doch sonst nur geschwiegen. Die Sandwanderer mußten aufmerksam hinhören, denn nicht alles war gleich zu verstehen. Der Gott gebrauchte viele Wörter aus der Sprache der Menschen des Zweistromlandes.

Das Myonengerät im Skaphander übersetzte Sils singende Laute den Menschen.

„Gruß euch, ihr Ältesten des Stammes, ehrwürdig und weise! Gruß Euch, kluger Stammesführer, und euch, ihr tapferen Männer und Frauen, die ihr dieses dürre Land bewohnt und die ihr mutig dem mageren Leben auf dieser Steppe trotzt.

Ich habe Freunde mitgebracht, die euch kennenlernen wollen und die wissen wollen, wie ihr lebt. Die Gestalt in dem roten Gewand ist Tivia, meine Gefährtin, die dafür sorgt, daß wir Himmelsbewohner auf unserer weiten Wanderung von Stern zu Stern gesund bleiben; weiß hat sich unser Stammesfürst Gohati gekleidet, der uns von der heimatlichen Weide wegführte und mit dem wir ein neues Sternenland suchen. Azul in gelbem Umhang kennt ihr schon, er weiß die Wege zwischen den Sternen und paßt auf, daß wir uns bei unserer Wanderung durch die Sternenwüste nicht verirren, und ich bin der Beherrscher des Feuers.

Azul und ich bleiben noch bei euch, aber Gohati und Tivia werden bald schon in unser großes Haus zurückkehren. Ein Feuervogel wird am Abend erscheinen, um sie abzuholen.

Fürchtet euch nicht vor seinem heißen Schweif. Er wird weit draußen auf der Steppe niederfliegen. Holt aber eure Herden und führt sie in die Schlucht hinab.

Fürchtet euch nicht vor uns, auch wenn wir euch fremdartig und allmächtig erscheinen. Wir sind euch ähnlich, nur müssen wir uns mit weiten und großen Gewändern umhüllen, um uns vor dem heißen Atem eures Landes zu schützen. Doch wir sind keine Götter! Sagt es allen, die das nicht wissen. Götter gibt es keine!“

Die Sandwanderer waren in heller Aufregung. Der Besuch von gleich vier Himmelsbewohnern, die zudem alle plötzlich sprechen konnten, beherrschte ihre Gedanken. Sie standen in dichten Gruppen beieinander, beobachteten jede Bewegung der Besucher und tauschten lebhaft ihre Meinungen aus.

Die vier Himmelsbewohner gingen zwischen den Zelten umher, sprachen mit den Hirten, trafen Tu-kum-bi und Lu-lu-ra und unterhielten sich mit den drei ehemaligen Sklaven aus El- Ubaid. Schnell verging dieser Tag, der besonders für Tivia und Gohati sehr viel neue Eindrücke brachte, und der Abend kam.

Bevor Tivia und Gohati zurückflogen, besprachen sie noch die nächsten Schritte, die notwendig waren, um engeren Kontakt zu den Planetenbewohnern zu bekommen und mehr über ihre Lebensweise zu erfahren. Gohati sagte, diese Menschengruppe hier in der Schlucht könne noch nicht zu den am weitesten in der Entwicklung Vorangeschrittenen gehören. Ia-du-lin wandere auf ein Gebiet zu, in dem sie bei einem Beobachtungsflug mit dem Atomicer aus großer Höhe städteähnliche Gebilde bemerkt habe. Azul und Sil, so riet er, müßten versuchen, zu jenen Menschen Verbindung aufzunehmen.

Inzwischen suchten die Sandwanderer immer häufiger mit ihren Blicken den Himmel ab. Sie erwarteten, wie von Sil angekündigt, die Ankunft eines großen Feuervogels. Als die Dämmerung kam, erschütterte ein Knall die Luft. Im Osten, wo die Nacht heraufstieg, fuhr ein Feuerstrahl über den Himmel.

Er erlosch. Ein riesiger, langhalsiger Vogel mit breiten, dreieckigen Flügeln und kleinem Kopf glitt rauschend über die Schlucht hinweg. Dann plötzlich brüllte der Langhals wieder auf, stellte sich auf seinen Feuerschweif und sank weit draußen in der Steppe herab. Einige Krieger und Hirten kletterten hastig zum Rand der Schlucht hinauf. Sie erblickten weit weg eine riesige Staubwolke.

Tivia und Gohati verabschiedeten sich. Sie stiegen in den fliegenden Ring, der sich erhob, in der Staubwolke über der Steppe verschwand und dann wieder zurückkehrte.

Bald darauf brüllte der Langhals in der Steppe, warf seinen hellen Flammenschein über das Land und stieg steil in den Nachthimmel empor, an dem die Sterne funkelten.

Sil und Azul blieben noch mehrere Tage. Während dieser Zeit versuchte der Stammesführer mit einigen seiner Männer, Wasser aus den Felswänden der Schlucht zu schlagen. Wenn die Himmelssöhne keine Götter waren, darin dürften sich die Felsen nicht weigern, auch ihnen Wasser zu geben. Sie klopften lange, bevor sie die harte und verwitterte Oberfläche der Kalksteinfelsen durchbrachen. Ihre Hiebe waren nicht so kräftig wie die der Raumfahrer, und auch ihre Werkzeuge waren nicht so hart und schwer. Dann aber sprudelte auch bei ihnen das Wasser aus der Gesteinswand. Die Sternenwanderer hatten die Wahrheit gesagt. Eines Abends, spät, erschienen Sil und Azul am Zelt des Stammesführers. „Ia-du-lins spitzer Stein hat gerufen. Dem Tamkare droht Gefahr. Azul und ich müssen ihm helfen. Wir fliegen ins Zweistromland. Es wird lange dauern, bis wir wiederkehren.“

Die Nacht im Tempel

Das Boot mit dem hohen Schnabel trieb lautlos auf dem dunklen Wasser des Pu-rat-tus dahin. Ia-du-lin sah dem Abendrot nach, das zu seiner Rechten über dem Ufer des Stromes verglomm. Zu seiner Linken lauerte die dunkle Wand der Nacht.

Es war die Stunde der Angst. Je dichter sich die Abenddämmerung über das Land legte, desto stärker wurde Ia- du-lin von Schauder und Verzagtheit gepackt. Er rückte näher zum heiligen Stein und zog Sils gelbes Tuch fest um seine Schultern.

Erst als von Horizont zu Horizont der Himmel überall gleichmäßig schwarz war, wich der Druck von seiner Seele. Er spürte wieder den warmen Lufthauch, der von der Hitze des Tages geblieben war und ihn umfächelte. Dann traten Sterne aus der Tiefe des Himmels hervor und blinzelten ihm zu. Die Nacht wurde ihm so zum Freund, die alles verhüllte, die alles Ungemach auslöschte und deren Schutz er sich ruhig anvertrauen konnte.

Heute blieb Ia-du-lin auf dem Wasser. All die Tage hatte er zu dieser Zeit angelegt, um das Nachtlager am Ufer des Stromes zu bereiten. Heute trennte ihn nur noch ein kurzes Stück Weg von E-rech, das er noch erreichen wollte. Bald würde der Mond aufgehen und es ihm erleichtern, seinen Weg dicht entlang dem Ufer zu finden.

Ia-du-lin versuchte, die Nacht vor ihm mit den Blicken zu durchdringen. Wäre es Tag, könnte man jetzt sicher schon die Spitze der Ziggurat, des siebenstufigen Tempelturmes, sehen, dachte er. Plötzlich horchte er auf. Unweit fielen Steinchen in das Wasser. Er hörte es deutlich viermal platschen. Das war doch eines der verabredeten Zeichen!

Das Boot wendete den hohen Schnabel dem Ufer zu. Dann knirschte der Sand unter dem Kiel. Ein leichter Stoß folgte, und das Boot lag still. Ia-du-lin sprang an Land.