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Die Priester verstanden die Rede Sils so: „Menschen! Wir, die Söhne des Himmels, Azul und Sil, die wir bei den Sternen und bei den Göttern wohnen und die wir jede Nacht von Stern zu Stern wandern, sind zu euch herabgestiegen, um euer Leben und eure Taten zu prüfen und um davon unseren Gefährten, den Göttern, zu berichten. Ihr sollt neue große Häuser, neue Tempel bauen, so groß wie diese hier, und ihr sollt die Wissenschaft der Vision pflegen und neue große Götterbilder schaffen. Ia-du-lin wird so bekannt werden wie euer Herrscher En-mer-kar. Wir sind erfreut, daß ihr uns so zahlreich ehrt. Wir werden jedoch eine andere, noch viel schlimmere Gestalt annehmen und euch erschrecken, wenn ihr uns nicht fürchtet.

Unsere Seelen, die der euren ähnlich sind, weilen in diesen Hüllen, die sie aber nicht verlassen dürfen, weil ihr sonst sterben müßtet bei ihrem Anblick. Wir bleiben bei euch und verweilen noch.“

Die Reihen der Priester hinten im Saal begannen zu wogen, und ihre murmelnden Stimmen durchzogen die Halle. Die Götter hatten verkündet, daß Ia-du-lin bald berühmt werden würde. Sollte En-mer-kars Macht zu Ende gehen?

Der Lärm verebbte, denn der Hohepriester hatte ein Zeichen gegeben. Jetzt würde er sprechen.

„Söhne des Himmels und der Sterne! In tiefer Demut und in hoher Ehrfurcht werden wir uns stets dieser Nacht erinnern, da ihr uns erschienen seid und ihr euch uns gezeigt habt. Wir haben eure weise Botschaft vernommen und sind euch, Gott Azul und Gott Sil, dankbar, daß ihr so deutlich zu uns gesprochen habt mit eurer gewaltigen Stimme. In welcher furchterregenden Gestalt ihr auch erscheinen möget, wir werden immer eure gehorsamen Diener und die der anderen Götter sein und euch jeden Wunsch erfüllen. Möge euch dieses große Haus gefallen, und möget ihr recht lange bei uns wohnen bleiben.“

Sil schaltete den Myonendolmetscher ab und setzte sich mit Azul über den Sprechfunk ihres Skaphanders in Verbindung. „Hast du gehört? Man hat uns eingeladen, recht lange bei ihnen zu wohnen. Unsere Raumanzüge scheinen ihnen also längst nicht ein so schrecklicher Anblick zu sein, wie wir immer glaubten. Jetzt werden wir das Leben der Bewohner des dritten Planeten richtig studieren können. Wie gut ist es, daß unsere Myonendolmetscher ihre Sprache sprechen und wir sie verstehen.“ Sil freute sich über den Erfolg. Ihm mißfiel nur, daß die Menschenwesen Götter in ihnen sahen und nicht verstanden, was Sternenwanderer waren.

Sil überlegte, wie er noch eindeutiger ausdrücken könnte, daß sie Raumfahrer waren. Doch Ia-du-lin kam ihm zuvor.

„Das, o göttlicher Himmelssohn Sil und göttlicher Himmelssohn Azul, ist unser großer Herrscher und Gebieter über die Stadt E-rech und über alle Städte des Zweistromlandes, En-mer-kar. Er ist gekommen, um die Söhne der Göttin I-na-nua zu begrüßen und sie zu lobpreisen.“

„Geachteter En-mer-kar“, sagte Sil. „Wir sind zwar Söhne des Himmels, aber Ia-du-lin irrt, wenn er uns als Söhne der Göttin I-na-nua bezeichnet. Wir sind Wanderer zwischen den Sternen.“

„Es ehrt die Himmelssöhne sehr, wenn sie so bescheiden sind“, unterbrach Ia-du-lin ihn sofort.

En-mer-kar kam es so unwahrscheinlich traumhaft vor, daß ausgerechnet in diesen Tagen, da seine Macht und seine Herrschaft angefochten wurden, lebende Götter erschienen. Ia- du-lin erwies sich zudem als treuer Tamkare, nahm die hohe Ehrung, die ihm hier im Tempel widerfuhr, bescheiden hin und lenkte die Aufmerksamkeit der Himmelssöhne auf ihn, den Herrscher. Das alles konnte nur ein gutes Omen für ihn sein. Er hatte nie gedacht, daß der Bau eines neuen Tempels für I-na- nua derartige Gunstbezeigungen der Göttin hervorrufen würde.

Der Hohepriester schien außerordentlich vorausschauend gewesen zu sein, als er damals den Stand der Sterne prüfte, die Wissenschaft der Vision zu Rate zog, die Götter befragte und ihm dann empfahl, einen neuen Tempel zu bauen. Warum bloß hatten die Götter diese eigenartigen, kegelstümpfigen Gestalten ohne Gesicht und ohne Glieder angenommen. Doch sie standen da und waren wirklich vorhanden. Niemand vermochte das zu bezweifeln oder zu bestreiten. Es galt, die Zeit zu nützen, sie zu befragen, bevor sie wieder unsichtbar wurden.

„Weise und gütige Himmelssöhne, die ihr bei den Sternen lebt. Den Bewohnern unserer Stadt ist eine große Ehre durch euren Besuch widerfahren. Keine andere Stadt weit und breit kann sich rühmen, je einen lebenden Gott in den Mauern ihrer Tempel gehabt zu haben. Ihr trefft zu einer Zeit ein, da Hungersnot die Männer, Frauen und Kinder bedroht. Fremde Krieger einer benachbarten Stadt, die uns unseren durch Fleiß erworbenen Reichtum neiden und die scheel auf die Kraft unserer Krieger sehen, belagern unsere Häuser, Tempel und Paläste. Sie wollen die Stadtmauern einrennen, in die Stadt eindringen, morden, brennen und plündern. I-na-nua, die Göttin allen Lebens, schickt euch zur rechten Zeit. Flößt unseren Kriegern, die bereit sind, zu kämpfen und die Feinde zu töten, Mut und Vertrauen auf unseren Sieg ein und gebt ihnen Kraft und Geschicklichkeit, damit sie ihre Waffen richtig führen.“ Jetzt erst kniete En-mer-kar nieder, Sil und Azul um Beistand bittend.

Sil war empört. Zornbebend schaltete er den Myonendolmetscher ab und stellte eine Verbindung zur „Kua“ her. Schnell berichtete er Gohati und den anderen Raumgefährten, wo er sich augenblicklich befand und welcher Aufgabe er sich gegenübersah. „Dieser En-mer-kar ist ja ein gefährliches Menschenwesen“, rief er. „Erwartet von uns, daß wir ihm beim Töten helfen. Vielleicht sollen wir auch noch mit unseren Strahlenwerfern die andere Stadt vernichten.“

„Ob wir es wollen oder nicht, En-mer-kar und sein Gegner werden ihre Krieger gegeneinander kämpfen lassen. Sieger wird sein, wer die größere und besser ausgerüstete Streitmacht hat“, hörte Sil Gohati im Helmhörer sagen.

„Ich werde dafür sorgen, daß sie es nicht tun!“

„Wie?“

„Ich werde meinen göttlichen Einfluß geltend machen“, entschloß sich Sil.

„Du?“ warf Azul neben ihm staunend ein.

„Ich sehe keine andere Möglichkeit.“

„Gerade du hast doch alles getan, um nicht als Gottheit angesehen zu werden.“

„Die Menschenwesen zwingen mich dazu“, sagte Sil.

„Du verhinderst vielleicht dieses eine Mal das Morden“, sagte nun wieder Gohati von der „Kua“ aus. „Sie werden weitertöten, so wie es die Heloiden in ihrer Vorzeit taten, sobald wir diesen Planeten verlassen!“

„Wir sollten hierbleiben und nicht weiterfliegen“, sagte Sil.

„Unmöglich! Was nützt das? Außerdem müssen wir weiterfliegen“, mahnte Gohati zur Vernunft.

„Wir könnten ihnen helfen, schneller mehr Wissen und schneller hohes, reines Denken zu erwerben.“

„Wir können ihnen nicht helfen. Sie müssen sich selbst vor dem Töten bewahren“, sagte nun auch Tivia vom Meer der toten Wasser her.

„Sie werden nicht die Kraft dazu haben und untergehen! Die schwerste Klippe steht ihnen doch noch auf der Stufe ihrer Entwicklung bevor, auf der sie lernen, die Atomkräfte zu beherrschen! Wenn dann der Ungeist nicht vertrieben und die Macht der Priester und einzelner Herrscher nicht gebrochen ist, stirbt dieser Planet.“

„Sobald wir bei den Welten des äußeren Spiralarmes eintreffen, haben sie diese Stufe, haben sie den Ungeist überwunden“, sagte Gohati zuversichtlich.

„Aber jetzt!“ rief Sil.

„Ja, gut, versuche es“, stimmte Gohati zu. „Dieses eine Mal können wir ihnen helfen. Niemand auf Heloid wird uns verurteilen, wenn wir in diesem Fall als Götter auftreten. Nur liegt es nicht in unserer Kraft, ihnen ihren Weg in die Zukunft zu ebnen, auch wenn wir bis zu unserem Tode hier bleiben.“

En-mer-kar wartete mit Ungeduld auf die Worte der Himmelssöhne. Für ihn würde mit dieser Antwort viel entschieden werden.