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Auf den Gesichtern der Umstehenden malte sich großes Erstaunen.

Manche sahen verlegen und betreten drein. Sil fing einen unwilligen Blick Ia-du-lins auf. Der Dug-gur war tief betroffen. Den Sklaven die Freiheit zu geben, das war unmöglich. Wer sollte all die Arbeiten im Haus verrichten. Woran sollte man seinen Reichtum und seine Stellung erkennen können.

Schnell klatschte er laut und heftig in die Hände. Die Sklaven stürzten herbei, und der Dug-gur befahl ihnen, sofort zwei der Räume für seine Frau und seine Töchter herzurichten.

Diese ungewöhnliche Forderung des Himmelssohnes sprach sich schnell in der Stadt herum. Sowohl die Lu-guls, die großen Leute, waren darüber aufgeregt als auch die Sags, die Ur-dus und die Re-schus, wie man die verschiedenen Sklaven zu nennen pflegte. In fast allen Beamtenhäusern zogen die Töchter und Frauen von den Ställen in die Wohnhäuser um, denn die Lu-guls fürchteten den Zorn der Götter. Aber den Sklaven schenkte niemand die Freiheit. Das konnte nicht der Wille der Götter sein. Viele sprachen mit den Priestern darüber und fanden ihre Ansicht bekräftigt.

Während die Menschenwesen im Hofe des Dug-gurs um ihn herum noch miteinander über die Forderungen des Himmelssohnes flüsterten, ließ Sil seinen Blick entlang der Dachkante des Hauses gleiten. Die Spitzen der Tempelbauten, eingerahmt von den grünen Wipfeln hoher Bäume, und die wuchtigen Stufen der Ziggurat mit ihren mächtigen roten, schwarzen und blaufarbenen Quadern ragten darüber hinaus.

Verglichen mit den himmelragenden Bauten auf Heloid aus tausendfach wandelbarem Kunststoff, den großräumigen Wohnhallen der heloidischen Lebensgemeinschaften und den ausgedehnten und tief in die Planetenrinde eingelassenen unterirdischen Produktionsanlagen waren die Tempelbauten klein, ganz zu schweigen von den ärmlichen Wohnzellen der Menschenwesen, die ohne nennenswerte Einrichtungsgegenstände, ohne gereinigte, sterilisierte und klimatisierte Luft waren. Dennoch, die Monumentalbauten der Tempel und des Palastes zeigten schon interessante Ansätze zu einer noch fernen Kultur und Architektonik der Menschen wesen.

Wo übrigens mochten die verstandbegabten Lebewesen des blauen Planeten ihre Produktionsanlagen haben, fragte sich Sil.

Grußlos und in Gedanken versunken verließ er das Haus des Dug-gurs und durchwanderte die Gassen. Bis jetzt hatte er nur die Wohnhäuser und die Kultstätten, die Tempel, entdecken können.

Immer mehr Neugierige säumten den Weg, den Sil nahm, und die Anzahl derer, die hinter ihm und der Gruppe der Priester einherliefen, wurde von Tag zu Tag größer. Die bunte Vielfalt der Lebensweise der Menschenwesen breitete sich vor Sil aus.

Doch zwischen ihm und den Bewohnern dieser Stadt gab es eine unsichtbare Grenze, die niemand überschritt und die auch er nicht zu durchbrechen vermochte. Immer wieder spürte er, daß sie ihn als Gottheit ansahen.

Oft wünschte sich Sil daher, bei den Sandwanderern und bei den ehemaligen drei Sklaven aus El-Ubaid zu sein, für die er, das spürte er immer wieder ganz deutlich, kein Gott, sondern ein fremdes Wesen aus unbekannter Ferne war. So kam es, daß er jeden zweiten oder dritten Tag zur Felsschlucht im Dürrland flog und zwischen den Herden und den spitzen, runden Lederzelten des Lagers umherging. Abends, bevor er abflog, fanden sich in gewohnter Weise die Männer und Frauen unter dem Flügelring ein, und Sil lauschte dem immer wiederkehrenden Gespräch über die Herden, die Weiden, das Wasser, die Nahrung und die Trockenheit.

Eines Tages, als Sil nach einem Flug zur Landebasis am Meer der toten Wasser und zur Felsschlucht im Dürrland wieder in E-rech auf dem großen halbrunden Tempelplatz landete, entstiegen dem Ringflügler die drei ehemaligen Sklaven aus El-Ubaid. Sie und Ia-du-lin begleiteten Sil seitdem ständig. Die Priesterschar mußte immer häufiger zurückbleiben, denn Sil unternahm nun oft Flüge in die Umgebung E-rechs.

An einem Vormittag wollte Sil aus der Stadt hinausfliegen, um den Ackerbau der Menschenwesen kennenzulernen.

Ackerbau gab es auf Heloid schon lange nicht mehr, denn dort wurden die Nahrungsmittel künstlich, meist mit Hilfe der Fotosynthese, erzeugt.

Das Flugzeug stand wie immer im Hof des Nan-nar-Tempels, der auch diesmal verwaist und ohne jegliches Leben dalag. Sil ließ den fliegenden Ring aufsteigen; da aber zeigten ihm die Kontrollgeräte Störungen im Energiefeld des Antriebssystems an und zwangen ihn, sofort wieder zu landen. Er setzte auf dem benachbarten Hof des Marduk-Tempels, des Gewittergottes, auf.

Wie staunte Sil, als er hier ein geschäftiges Treiben sah. Eine Flucht von Räumen umsäumte das weite Viereck des Tempelhofes, und viele Menschen gingen hier ein und aus.

„Heute ist Markttag“, erklärte Ia-du-lin. Schon oft hatte Sil an manchen Tagen viele Menschen in den anderen Tempelhöfen beim Überfliegen der Stadt gesehen. Aber immer hatte er geglaubt, sie seien gekommen, um die Götter der Stadt zu ehren. Aber jetzt erkannte er, daß sie Lasten hin und her trugen, lärmten und hasteten. Der wasserspendende Brunnen war dicht umlagert, und aus den mit Erdpech abgedichteten Trögen soffen die Esel, mit denen Bauern von den Feldern und aus den Gärten Früchte und Gemüse herbeigeschafft hatten. Die Ziegeltische mit den tiefen Opferkerben trugen Obst, hoch aufgetürmt. Überall am Boden lagen auf Strohmatten die verschiedensten Waren zum Tausch ausgebreitet.

Eine dichte Menschenmenge sammelte sich um den Ringflügler. Sil, Ia-du-lin und die drei aus El-Ubaid stiegen aus. Sie durchschritten diesen und die anderen Höfe. Überall entdeckte Sil das gleiche bunte Bild. Bald bemerkte er, daß die Tempelhöfe nicht nur Handelsplatz waren, sondern daß dies hier auch die lang gesuchten Produktionsstätten sein mußten.

Hier waren beispielsweise die Küchen zu finden. Die Männer aus El-Ubaid berichteten ihm, daß hier nicht nur die Nahrung für Priester, sondern auch für die Beamten, Soldaten und Sklaven En-mer-kars zubereitet wurde. In großen Öfen wurde Brot für die ganze Stadt gebacken. Die meisten Räume um die Tempelhöfe jedoch dienten der Erzeugung von Kleidung.

Ganze Reihen von Spinnstuben sah SU, in denen die Wolle der Schafe mit einfachen Geräten zu langen Fäden zusammengedreht wurde. Neben diesen Räumen waren Werkstätten, in denen die gewebten Stoffe zugeschnitten und genäht wurden.

Ia-du-lin erklärte, daß hier zwölf verschiedene Kleidungen hergestellt würden. Die Weberinnen und Spinnerinnen erhielten täglich eine genau zugemessene Menge an Wolle, aus der sie eine bestimmte Anzahl von Kleidungsstücken anfertigen mußten.

Zwischen den Spinnereien, Webereien und Schneidereien gab es Korbflechtereien, Stuben für die Lederverarbeitung, Werkstätten für die Erzeugung von Waffen oder Arbeitsgeräten, Töpfereien und Räume, in denen die Gefäße mit Farben und Linien verziert wurden.

An einigen Stellen saßen Priester, die Abgaben, Pflichtabgaben der Landbesitzer und Sklavenhalter, entgegennahmen und sie auf noch weichen Tontafeln quittierten. Die verderblichen Nahrungsmittel wurden sofort zum Tausch zu den Marktständen gebracht. Öl in Krügen, Getreide in großen Haufen, Früchte und Gemüse, Wolle und Vieh sammelten sich bis zum Mittag in großer Menge an. Dann zogen plumpe, gehörnte Tiere große, schwerfällige Karren herbei, auf denen all das verladen und in die Tempelspeicher gebracht wurde. Die großen Scheibenräder der hölzernen Karren quietschten und knarrten unter der Last.

Sil kehrte zum Ringflügler zurück und berichtete seinen Gefährten in der „Kua“ von seinen neusten Entdeckungen. Er richtete den Erider auf den Tempelplatz, so daß man auch am Meer der toten Wasser sehen konnte, was gerade auf dem Tempelplatz geschah. Gohati riet Sil, das System und das Prinzip der Verteilung dieser Erzeugnisse in der Gemeinschaft der Menschenwesen an einem der nächsten tage noch genauer zu erforschen.