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Kaum war er mit einem unsanften Stoß in der Nähe des abgestürzten Ringflüglers zu Boden gefallen, als in hoher Fahrt kettenrasselnd ein Ungetüm heranraste, dem Ringflügler mit einer scharfen Wendung auswich und nun geradewegs auf ihn zurollte. Eine schwere, massige Wand wuchs vor Sil auf. Der Pilot schaltete, um die Energie in seiner Bodenplatte zu verstärken und sich hochzuschleudern, aber der Hebel hatte sich verklemmt. Da stand das Ungetüm mit einem Ruck. Sil atmete auf. Er hätte es auch kaum noch geschafft, sich aus eigener Kraft zur Seite zu stoßen.

Heulend mahlte das Ungetüm mit nur einer Kette, vollzog stampfend eine Drehung auf der Stelle, überschüttete ihn mit Schwaden aufgewirbelten Sandes und Erdbrocken und fuhr dann rasselnd davon. Das war der Durug gewesen, das gepanzerte Bodenfahrzeug der Expedition.

Sinio erwachte nach kurzem Schlaf mitten in der Nacht von dem Mahlen der Ketten seines gepanzerten Durugs und den harten Stößen, mit denen sich die Unebenheiten des Bodens bei hoher Fahrtgeschwindigkeit selbst über die gute Federung bis auf ihn übertrugen.

Als Azul gestern spurlos verschwunden war, hatte Gohati Anweisung gegeben, den Durug mit dem Ringflügler schnell ins Zweistromland zu transportieren. Sinio erhielt den Auftrag, sich vom Boden aus an der Suche nach dem Verschollenen zu beteiligen, während Sil aus der Luft mit dem Ringflügler das Land nach einer Spur Azuls durchforschen sollte.

Sinio war die Umgebung E-rechs systematisch kreuz und quer abgefahren. Gegen Mitternacht hatten er und auch Sil ihre Suchaktion erst einmal abgebrochen. Während der Ringflügler zum Tempelhof in der Stadt zurückgekehrt war, führte Sinio sein Fahrzeug bis dicht an die Stadtmauer und hielt dort an. Bei Sonnenaufgang sollte eine Funkberatung aller Kosmonauten über weitere Suchmaßnahmen stattfinden. Azul mußte gefunden werden.

Noch mitten in der Nacht hatte sich der Durug plötzlich in Bewegung gesetzt. Sinio sah schlaftrunken zum Lichtband über dem Steuerpult hinüber. Leuchtete dort das Rufzeichen Azuls?

Sofort war Sinio hellwach. Eine Standortangabe und das Symbol für Gift blinkten auf. Sollte Azuls Skaphander einen Riß bekommen haben? Drohte ihn die giftige Stickluft dieses Planeten zu töten? Warum hatte er so lange geschwiegen?

Woher kam der Notruf? Viele Fragen auf einmal durchschwirrten Sinios Kopf.

Der Richtungsweiser zeigte an, daß der Durug nach Südosten fuhr. Das Notzeichen Azuls hatte ihn selbsttätig anfahren lassen und in diese Richtung gelenkt. Die Stadtmauer war längst hinter dem Fahrzeug im Dunkel der Nacht versunken.

Selbst die Umrisse der hohen Tempelbauten im Stadtinneren waren nicht mehr gegen den sternenhellen Nachthimmel zu sehen. Geschickt wich der Panzer größeren Hindernissen aus. Mit unsichtbaren Strahlenfühlern tastete er den Weg vor sich ab.

Eben schwirrte der Ringflügler dicht über ihn hinweg. Sinio erkannte ihn an der hell erleuchteten Kabine und seinen linsenförmigen Umrissen. Er setzte sich mit Sil in Verbindung: „Merkwürdig! Warum hören wir nur den Notruf des Standortgebers? Warum meldete sich Azul nicht selbst über sein Sprechfunkgerät?“ fragte Sinio.

Statt einer Antwort hörte er es nur stöhnen: „Ich muß landen, ein Defekt, ausgerechnet jetzt.“

Sinio rief eben für den Steuerautomaten das Codewort zum Langsamfahren, als das Kettenfahrzeug in voller Geschwindigkeit eine scharfe Wendung machte, so, als umfahre es ein unerwartetes Hindernis. Sinio mußte sich am Sessel festklammern. Dann gab es einen heftigen Ruck. Der Durug stand, mahlte auf der Stelle, drehte sich und zog dann wieder kräftig an. Sinio blickte schnell auf den Rückblickschirm. Verschwand dort hinten im hohen Gras nicht die Silhouette des Ringflüglers? Sinio erschrak.

„Ich bin abgestürzt, wäre fast auf den Durug gefallen“, meldete sich da auch schon Sil. „Du hättest mich beinahe überrollt.“

„Und du bist unverletzt?“ fragte Sinio bangend. Er wollte wenden, zurückfahren und Sil im Durug aufnehmen.

„Mir ist nichts geschehen“, antwortete Sil. „Ich will aber hierbleiben und den Schaden sofort beheben. Wir brauchen den Ring jetzt doch ganz dringend. Du solltest weiterfahren, du bist der einzige von uns allen, der Azul am schnellsten helfen kann. Wenn ich den Ringflügler nicht startklar bekomme, kannst du mich später immer noch nachholen.“

Der Durug rollte weiter. Sinio beugte sich über die Luftaufnahmen der Umgebung E-rechs und trug Azuls Standort ein. Der Weg dorthin war wirklich nicht weit. Die Notzeichen kamen vom Rande eines hügelreichen Geländes.

Das Luftbild zeigte solch einfache Bodenverhältnisse an, daß er dem Panzer bedenkenlos die Eigensteuerung überlassen konnte. Der steuernde Kybernet hatte keine schwere Aufgabe zu lösen. Nur die Geschwindigkeit müßte ein wenig herabgesetzt werden. Eine Baumgruppe huschte vorüber. Die ersten Hügel tauchten auf. Merkwürdig, dachte Sinio. Der Steuerkybernet führt das Fahrzeug nicht über die Hügel hinweg, obwohl sie sanft und flach, also spielend zu bezwingen waren. Statt dessen machte der Durug Umwege und wand sich zwischen den Bodenwellen hindurch. Jetzt aber fuhr er direkt auf eine Höhe zu. Da verstummte das kräftige Summen des Motors. Das Fahrzeug rumpelte noch ein kleines Stückchen weiter und hielt dann an.

Hier also irgendwo mußte Azul sein. Sinio schwang sich hinaus. Aber sosehr er sich auch umblickte, nirgends war die Gestalt eines Heloiden zu sehen. Sinio leuchtete mit dem Handscheinwerfer die Umgebung ab. Nichts! Nur ein paar Karrenspuren zeigten an, daß am Tage hier Menschenwesen langgefahren sein mußten. Der Standortgeber Azuls tönte jedoch so laut aus dem Funkgerät, daß er sich nur einige Schritte weit weg vom Durug befinden konnte.

Sinio sah sich weiter um. Der Durug stand vor einem schmalen, senkrechten Hangeinschnitt. Sinio sah genauer hin, denn dort glitzerte die Tropfentraube geschmolzenen Gesteins, so spröde und glasartig, wie sie nur von einem Strahlenwerfer herrühren konnte. Sinio näherte seinen Helm der Tropfentraube, um sie genauer zu betrachten. Radioaktive Strahlung knisterte in seinem Tongeber. Das Gestein war vor kurzem noch flüssig gewesen. Es konnte nur aus dem kleinen Loch dicht darüber im Hangeinschnitt herausgeflossen sein.

Da erblickte Sinio auf dem Boden eine kleine Kapsel. Es war Azuls Standortgeber. Hatte er sie hier verloren?

Sinio neigte sich noch einmal zur Tropfentraube hinüber, um aus dem Verlauf des ausgeschmolzenen Kanals die Schußrichtung festzustellen. Die Strahlung mußte lange angehalten haben, denn der Schußkanal war ungewöhnlich tief in das Gestein eingedrungen.

Merkwürdig! Waren da zwischen dem Knistern im Tongeber nicht auch eben die Atemzüge eines Heloiden zu hören gewesen? Sinio lauschte angestrengt. Da waren sie wieder!

Jedesmal, wenn er mit der Helmglocke in die Nähe der Einschußstelle kam, hörte er leise und regelmäßig Atemzüge.

„Azul?“ fragte er unsicher in sein Helmmikrophon hinein.

Nachdem der Standortgeber draußen herabgefallen sein mußte, wandte sich Azul wieder den Menschen in der Höhle zu. Der Hagere saß noch immer nahe der Fackel. Er schien keine Furcht zu kennen. Mit wachem, argwöhnischem Blick folgte er allen Bewegungen des Himmelssohnes. Hinter seinem Rücken versteckte sich ängstlich das Mädchen. Allen anderen hatte das Gift die Sinne geraubt oder den Verstand so weit getrübt, daß sie nichts Außergewöhnliches an der großen, ungefügen Gestalt fanden, die da plötzlich unter ihnen erschienen war.

Azul schob sich um den Karren herum auf den Hageren und das Mädchen zu. Der Hagere stand langsam auf und reckte sich stolz. Seine Augen sprühten funkelnd Verachtung. So sah man jemanden an, den man für schuldig hielt am sinnlosen Tod unschuldiger Gefährten. Plötzlich bückte sich der Hagere blitzschnell, packte die Fackel und hieb sie dem Gott, dem Sohn der I-na-nua, mit aller Kraft gegen den Leib. Das Mädchen schrie auf und floh im Funkenregen der wirbelnden Flamme in die Tiefe der Grotte zurück. Der Hagere hieb auch noch weiter, als die Fackel schon längst erloschen war und dichte Dunkelheit die Gruft füllte. Er tat es langsam, in überlegtem Rhythmus und tief und gleichmäßig atmend.