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„Wo ist der fliegende Ring? Er muß schnellstens die Medikamente vom Weißen Pfeil herbeischaffen!“ rief Azul.

„Der Ring ist abgestürzt. Ich muß mit dem Durug zum Landeort hinfahren“, sagte Sinio.

Azul richtete sich erschrocken auf. „Und Sil?“ fragte er stockend.

„Sil versucht, den Ring wieder flugfähig zu machen.“

Azul griff in fliegender Hast zu den Knöpfen des Funkgerätes. Er rief Sil an und fragte ihn nach den Schäden.

Als Sil so unerwartet Azuls Stimme hörte, begrüßte er ihn freudig. Ungeduldig unterbrach ihn Azul. „Die Schäden, sag mir schnell die Schäden“, forderte er nochmals.

„Am Ringflügler ist fast alles bis auf ein paar Kleinigkeiten unversehrt geblieben“, berichtete Sil. „Er stürzte aus geringer Höhe ab. Bloß einer seiner Federstelzen ist angeknickt. Aber das Antriebssystem funktioniert nicht mehr. Ich kann den Fehler nicht finden. Die Beleuchtung brennt auch nicht.“

Azul riet, bestimmte Kontakte des Steuerautomaten zu lösen und auf eine andere Weise miteinander zu verbinden. Sil versuchte es. „Du hast recht“, meldete er sich schon wenige Augenblicke später voller Staunen. „Die Ringflügel kreisen wieder. Licht ist auch in der Kabine. Dann hat also der Steuerautomat nur falsche Befehle gegeben. Wie kommt es, daß du…“

„Schnell, flieg zum Weißen Pfeil und hole Tivia und die Medikamente“, bat Azul, ohne ihn ausreden zu lassen.

Während Sil mit dem fliegenden Ring zum nahen Landeort des Weißen Pfeils flog, um Tivia und Gohati, die Medikamente und die ärztlichen Geräte zu den beiden geöffneten Höhlen zu bringen, durchfuhr Sinio mit dem Durug das Hügelgebiet und durchleuchtete die Höhleneingänge. Er fand noch eine dritte Höhle, in der Menschen lebten. Sinio glaubte den Aufzeichnungen des Infratrons nie, wenn er die Höhlen von außen durchleuchtete und sich keine Wärmepunkte zeigten. Er durchbrach die sperrenden Wände auch dann, wenn keine Anzeichen von Leben dahinter festzustellen waren. Überall fand er das gleiche erschütternde Bild: Das Gift der Priester hatte nicht alle der lebendig eingemauerten Sklaven, die ihren toten Herren oder ihre tote Herrin in die Gruft begleiteten, getötet, sondern meistens nur betäubt, so daß sie bald wieder zur Besinnung gekommen waren und langsam verhungern, verdursten oder ersticken mußten. Manche hatten sich in ihrer Verzweiflung auch selbst umgebracht. Sinio überwand das Grauen, das ihn packte, und raste weiter zum nächsten Höhleneingang. Doch nur einmal noch konnte er Rettung bringen.

Der Hagere hatte die Droge der Priester nicht eingenommen, sondern sie in der Höhle irgendwo von sich geschleudert. Jetzt suchte er sie in fliegender Hast. Die Sternenwanderer, die mit der schwebenden Scheibe von dort herkamen, wo das Feuer zwischen den Hügeln herabgefallen war, wollten das kleine weiße Kügelchen haben. Das Leben aller Befreiten hänge davon ab, sagten sie. Er verstand nicht, warum das so war, doch er glaubte ihnen. Er fand die kleine weiße Kugel zwischen den toten Ochsen. Ein zweites Giftkügelchen, wohl das des Mädchens, das sie auf sein Geheiß ebenfalls fortgeworfen hatte, entdeckte er bald danach in dem Staub des Höhlenbodens. Die Sternenwanderer eilten damit in ihr rundes, fliegendes Haus und kamen bald mit seltsam schmeckendem Wasser wieder, das sie den Frauen und Männern aus der Höhle einflößten.

Tivia hatte die Kügelchen in einen chemischen Analysator geworfen. Wenig später flammten auf seinem Lichtband Symbole. „Ein tückisches Gift“ murmelte Tivia. Das Diagnosegerät arbeitete inzwischen weiter. Knisternd sprangen Fünkchen über die schwarze Fläche des Schirms. Dann nannte das Myonenhirn die Zusammensetzung des Gegengiftes und die Behandlungsmethode. Tivia setzte eine weitere Apparatur in Tätigkeit und füllte aus kleinen Behältern die notwendigen Grundstoffe ein.

Schweigend umstanden sie Azul, Gohati und Sil. „Es wirkt ausschließlich auf die Nerven“, erklärte Tivia, „und ruft je nach der eingenommenen Menge die unterschiedlichsten Wirkungen hervor, die von der einfachen Betäubung bis zur dauernden Störung des Nervensystems, bis zur tödlichen Lähmung reicht. — Die Drogen der Priester waren schlecht gemischt“, fügte sie hinzu. „Das eine Kügelchen hätte nur Schlaf verursacht, das andere längere Lähmung.“

Die Raumfahrer trugen die noch lebenden Menschen aus den drei Höhlen hinaus auf einen Platz zwischen den Hügeln. Tivia untersuchte sie rasch und stellte den Grad ihrer Vergiftung fest, bevor sie weitere Medikamente eingab. Bei den meisten der erschöpften Menschen tat schnelle Hilfe not. Die Medizin und die konzentrierte Raumfahrernahrung ließ fast alle erstaunlich schnell wieder zu Kräften kommen. Nur bei wenigen wollten die Lähmungen nicht reichen. Am schwersten war es, das Paar, das sich fest umschlungen hatte, dem Leben zurückzugeben.

Schließlich legte Tivia allen Menschenwesen Masken auf die Gesichter und ließ sie ein Gas einatmen, das jenes Gift in den Menschenkörpern vollends beseitigte. Bald richteten sich die ersten auf und begannen mit langsamen Schritten umherzugehen.

Der Hagere stand abseits auf einer Höhe. Seine dunkle Gestalt hob sich deutlich vom nächtlichen Horizont ab. Er grübelte. Fragend ging sein Blick zu den Sternen. Der leichte Nachtwind umspielte ihn.

Neben ihm im Grase saß das Mädchen. „Wann führen uns die Götter in die Weite, in ein anderes Leben? Warum nehmen wir nicht unseren Lu-gul mit?“ fragte sie. Sie hatte noch nicht begriffen, was geschehen war, und glaubte, daß sich nun die Weissagungen der Priester vollzögen.

Leise und zögernd, so, als sei er sich noch nicht gewiß und als gälten die Worte auch gar nicht dem Kinde, kam seine Antwort: „Es sind keine Götter, es sind nicht die Söhne der I- na-nua — es sind Himmelssöhne, es sind Sternenwanderer! Sie können uns kein anderes Leben geben. — Der Lu-gul braucht uns nicht mehr. Wir werden fliehen müssen.“

Unbemerkt war Azul an sie herangetreten. „Der Jüngling ist erwacht“, sagte er.

Das Mädchen sprang auf und lief den Hang hinab.

Azul sah ihr nach. „Warum hat der Jüngling das Gift gegessen und du nicht?“

„Er glaubte mir nicht, als ich ihn warnte. Die Priester achteten bei den jungen und kräftigsten von uns darauf, daß sie das Gift schon zu sich nahmen, wenn sie in die Gruft hineingingen. — Das Mädchen und ich konnten sie täuschen.“

Sie schwiegen eine Zeitlang.

„Du bist ein Sternenwanderer?“ fragte dann der Mensch zögernd. Am Klang seiner Stimme vermeinte Azul zu erkennen, wie schwer es ihm war, das zu begreifen. „Ist euer Weg die Milchstraße?“ hörte er wieder des Menschen Stimme.

Dabei deutete er auf das schmale, unregelmäßige Lichtband der Sternenwolken, das sich quer über den dunklen Himmel zog.

Azul verstand: Der Mensch ahnte nur, was ›Sternenwanderer‹ waren. Wie konnte er ihm helfen, es zu verstehen? Würde der kleine Myonendolmetscher im Skaphander seine Erklärung in der Sprache der Menschen richtig und einfach wiedergeben können?

„Ja“, sagte er endlich. „Die Sternenstraße dort oben, die du Milchstraße nennst, ist unser Weg und ist auch unsere Heimat.

Bei einem der Sterne wohnen wir. In unserer Heimat gibt es keine Götter und keine Lu-guls. Tausend Sonnen leuchteten uns auf unserer Wanderung von dort bis hier her. Bald müssen wir uns von eurer Erde erheben und weiterziehen.“

Als der Flammenschein des nur wenige Kilometer von den Mauern entfernt landenden Weißen Pfeils grell über die Stadt fiel und gespenstische Schatten in den Gassen und Plätzen warf, als das brausende Rauschen des Triebwerkes mit röhrendem Grollen durch die dünnen Lehmwände der Häuserzeilen sprang und auch die dicken Mauern der Tempel und des Herrscherpalastes durchbrach, glaubten die Menschen E-rechs, der Zorn der Götter ergieße sich über sie und versenge sie.

Die Tempelwächter vor den Monumentalbauten, die wachenden Soldaten auf den Mauern und Stadttoren und der Hohepriester, der einsam hoch oben auf der letzten Stufe der Ziggurat die Konstellation der Sterne zu deuten versuchte, preßten vor dem blendenden Licht die Köpfe schützend in den vorgehaltenen Arm.