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„Nicht da oder nicht mehr da?“ fragte Gohati zurück.

Sil zögerte mit der Antwort. Sollte sich bei dem Beben der Meeresboden gehoben haben? War die Meerenge von hochquellenden Gesteinsmassen versperrt worden?

„Ich prüfe noch!“ rief Sil zurück.

Mehrmals überflog er den Felsriegel, der die Wasser voneinander trennte, und maß das Niveau der beiden Meeresspiegel. Dann wandte sich der Weiße Pfeil jäh nordwärts und schoß mit aufheulendem Triebwerk im Tiefflug davon, mitten in die schwarze Zone der Stürme, Gewitter und Regenschauer hinein.

Der Boden hatte sich in diesem Teil des Meeres der zwei Ströme wirklich gehoben, und zwar so stark, daß die Fluten erheblich angestiegen waren. Aber wenn der Abfluß zu den Weltmeeren versperrt wäre, hätte das Wasser nur einen Ausweg, den nach Norden. Es würde das ganze Zweistromland überfluten und jenen Teil der Planetenbewohner, die nach vielen hunderttausend Jahren endlich am Anfang der Zivilisation standen, vernichten. Die Menschenfreunde mußten vor dem Untergang bewahrt werden. Irgendwo auf diesem tosenden Meer mußte eine Flutwelle sein, vom Südsturm mit gesteigerter Kraft vorangetrieben. Sie mußte er finden. Nur an ihr ließ sich erkennen, wieviel Zeit noch blieb, um die Menschen zu warnen.

Sil rief die „Kua“. Er schilderte Gohati seine Beobachtungen und gab seine furchtbare Vermutung durch.

Gohati berief erneut eine Beratung der Kosmonauten ein. Sie dauerte nur kurze Zeit. Tivia und Kalaeno, die mit dem Ringflügler bereits nahe einer Stadt gelandet waren, und Sil im Weißen Pfeil nahmen über Sprechfunk daran teil.

Der Kommandant gab in wenigen Worten die Lage wieder.

Dann sagte er: „Zehntausende Menschenwesen werden von der Sturmflut bedroht. Wir könnten viel Unheil verhindern. Wir müssen die Städte und Ansiedlungen überfliegen und sie warnen. Unsere sechs Vertrauten und wir müssen dort landen, um den Menschen jene Hügel und Hochflächen im Land zu zeigen, die voraussichtlich nicht überflutet werden.“

Sil meldete sich. Er hatte die Wasserwand erreicht, die als Sturzwelle nordwärts wanderte. „Am Abend trifft sie auf das Festland“, berichtete er. Er gab genau ihre jetzige Position, ihre Bewegungsrichtung, Geschwindigkeit und Fluthöhe an.

„Gibt es bei euch schon Anzeichen eines Unwetters?“ fragte Gohati den Ring im Zweistromland.

„Bis jetzt war es klar. Aber nun beginnt die Eintrübung. Es ist sehr schwül geworden“, meldete Tivia.

„Wir kommen mit dem Atomicer und bringen drei Tepis mit“, rief Gohati ihr zu. Dann ordnete er an: „Fertigmachen zum Abflug! Tepis mit Schwingflügeln und Energiepatronen für den Antrieb ausrüsten! Sinio bleibt als Steuerwache hier!“

Die Stadt Ur am rechten Ufer des Pu-rat-tu nahe dem Meer der zwei Ströme war voller Unruhe. Vor einer Stunde hatte die Erde das letzte Mal gegrollt. Doch die Menschen wagten noch nicht, in ihre Häuser zurückzukehren. Viele der Lehmhütten waren von den Stößen der Erde zusammengefallen. Die fester gebauten Häuser der Lu-guls hatten breite Risse in ihren Mauern. Die Brunnen der Stadt waren fast alle verschüttet.

Zahlreiche Menschen waren verletzt. Allen saß die Angst vor dem Zorn der Götter und geheimes Grauen in den Herzen.

Die Sonne stand noch nicht am Mittag, als ein fliegender Ring über die Stadt schaukelte und vor einem der Tore auf das Land herabfiel. „Die Himmelssöhne!“ riefen sich die Menschen zu.

Noch nie waren die Himmelssöhne in Ur gewesen. Doch viel Kunde war von ihnen in der letzten Zeit aus E-rech nach Ur gekommen. Die Berichte wußten nichts Schlechtes von den Himmelssöhnen zu sagen, aber viel Wundersames. Besonders die Soldaten des Gal-Uku-Patesi dachten noch mit Schrecken an die Belagerung von E-rech, bei der das Feuer der Himmelssöhne die beiden Heere voneinander getrennt hatte.

„Das Grollen und Beben der Erde hat ihr Kommen angekündigt“, flüsterten sich die Menschen zu, scheue Blicke um sich werfend. Die Ungewißheit schlich durch die Gassen und ließ die Angst der Menschen noch größer werden. Sie drängten sich in dichten Gruppen und vergaßen, über ihre zerstörten und beschädigten Hütten zu klagen.

Der Gal-Uku-Patesi ging durch die Straßen der Stadt, um das Ausmaß der Zerstörungen festzustellen. Hofbeamte und Priester umgaben ihn. Palast und Tempel waren unversehrt geblieben. Jetzt nahm er die Stadtmauer in Augenschein. Da wies einer der Leibwächter zum Himmel auf den fliegenden Ring über der Stadt. Der Gal-Uku-Patesi blieb betroffen stehen. Er überlegte, was das zu bedeuten habe. Da eilte ein Bote von einem der Stadttore herbei und meldete die Landung des fliegenden Hauses der Götter. Der Hohepriester riet, zu diesem Tor zu gehen und die Himmelssöhne zu empfangen.

Schon auf halbem Wege kam ihnen eine der eigentümlichen großen und unförmigen Gestalten der Himmelssöhne entgegen, begleitet von sechs Menschen. „Der berühmte Ia-du-lin ist unter ihnen“, raunten sich die Hofbeamten zu.

Der Hagere trat vor und richtete seine Worte an den Gal-Uku- Patesi. „Herrscher von Ur! Der Sternenwanderer Kalaeno ist in deine Stadt gekommen, um zu erfahren, welchen Schaden die grollende Erde euch zugefügt hat. Wir wollen die Wunden der Kinder, Frauen und Männer, die die stürzenden Häuser geschlagen haben, verbinden. Der Sternenwanderer Kalaeno bittet dich, ihm zu sagen, welche Hilfe deine Stadt braucht.“

Plötzlich schob sich die Kegelgestalt heran und sagte leise: „Ich habe eben neue Nachricht erhalten. Der Stadt droht noch größere Gefahr. Ich muß dich, Herrscher, und den Hohenpriester dringend sprechen.“

Umringt von den sechs Vertrauten, erfuhren der Gal-Uku- Patesi und der Hohepriester von dem schwarzen Südsturm und der Flutwelle, die auf das Land von ferne zurasten. Der Gal- Uku-Patesi blieb ungläubig. Es war zu unbegreiflich, was da auf ihn einstürmte. Woher wollte der Himmelssohn von einem solchen Ratschluß der Götter der Unterwelt wissen?

Auch der Hohepriester zögerte, an solch eine Gefahr zu glauben. Noch schien doch, wie jedermann selbst sehen konnte, die Sonne vom Himmel herab. Außerdem hatten die Götter ihren Willen den Menschen bisher immer durch die Konstellation der Sterne kundgetan. Es war der hohen Wissenschaft vom Geheimnis der Vision vorbehalten, die Zeichen des Himmels zu deuten. „Warum senden die Götter des Himmels nur ihre Söhne, uns zu warnen? Warum wenden sie nicht das Unheil von unserer Stadt ab? Oder sind gar die Götter der Unterwelt stärker als die Götter des Himmels?“

sagte der Hohepriester von Ur.

„Kalaeno ist kein Sohn der Götter des Himmels“, rief der Hagere dazwischen. „Er ist ein Sternenwanderer!“

Vielerlei Volk hatte sich inzwischen in der engen Gasse angesammelt. Die Soldaten der Leibwache hatten Mühe, die Menge weit genug vom Herrscher, seinen Beamten, den Priestern, Kalaeno und den Vertrauten fernzuhalten. Die Menschen reckten die Köpfe hoch, um den fremden Gott zu sehen. Das Schurren ihrer Füße verschmolz mit dem Rauschen des Meeres, das von fern herüberklang.

Plötzlich wandte sich Ia-du-lin der Menge zu und rief laut: „Der Meeresgott En-ki will eure Stadt verschlingen! Flieht auf die Hügel, bevor der schwarze Südsturm beginnt. Heute nacht kommt das Wasser. Es wird auch E-rech verschlingen!“

Wie zur Bekräftigung seiner Worte fuhren einige harte Windstöße über die Stadt dahin, Staubsäulen aufwirbelnd. Die Menschen sahen auf und gewahrten, wie die Sonne hinter einen dichten Dunstschleier huschte. Erschreckte Rufe wurden laut.

Ia-du-lins Worte flogen von Mund zu Mund. „En-ki zürnt… das Meer kommt!“ hörte man es immer wie der rufen.

Kalaeno erkannte, daß er anders vorgehen mußte. Er hatte gehofft, mit der Staats- und Glaubensführung dieser Stadt Maßnahmen beraten zu können, um die Menschen ruhig, schnell und organisiert aus der Gefahrenzone zu führen. Der Herrscher und der Hohepriester aber zögerten und glaubten ihm nicht. Und Ia-du-lin verbreitete Panik. Kalaeno ermahnte Ia-du-lin. Dann wies er seine Vertrauten an. „Du gehst zu den Priestern in die Tempel und befiehlst ihnen, die Menschen aus der Stadt zu weisen“, sagte er zu Ia-du-lin. „Du, A-kim, läufst zum Meer und beobachtest es. Sobald es zurückweicht, bereitet es den Angriff vor. Dann rufe uns herbei.“ Der Hagere bekam den Auftrag, zu den Solden zu gehen, damit sie nicht falschen Befehlen ihrer Offiziere folgten und den Strom der zu den Hügel Fliehenden hinderten. Die drei aus El-Ubaid schickte er zu den Sklaven und Kaufleuten, sie zu warnen.