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Tivia liebte es, in den einsamen Stunden der Steuerwache Streitgespräche zu führen. Auch jetzt schwirrten wieder die leise zirpenden Lautfolgen der heloidischen Sprache hin und her. „Man sagte voraus, daß sich uns unsere Sternspirale aus der Entfernung des Großen Abgrundes als ein schmales Lichtband auf dem dunklen Hintergrund des Alls zeigen wird.

Und es stimmt“, stellte Tivia fest.

In der letzten Zeit war auf dem Sichtschirm mehr und mehr ein ungleichmäßig starkes Lichtband hervorgetreten, das das ganze Himmelsgewölbe durchzog.

„Die funkelnde Pracht der Sterne ist verblaßt. Über Heloid bedeckte ihr glitzernder Vorhang den ganzen Himmel.“ Tivia seufzte.

„Von den fernen Welten des äußeren Spiralarmes aus kann man wahrscheinlich nur noch einen dünnen, schwach leuchtenden Strich erkennen“, sagte Gohati. „Dafür wird sich uns die Schönheit ferner Sternspiralen und unendlich weit weg kreisender Lichtwolken offenbaren“, tröstete er. „Ihr Anblick wird wunderbar sein.“

„Wäre unsere Sternspirale ein gigantisches Karussell, würde es schneller und schneller rotieren, müßten dann die am Rande existierenden Wesen nicht bedeutend langlebiger sein als die, die nahe dem Zentrum wohnen?“ fragte sie. Tivia wußte, daß ihre Frage purer Unsinn war, aber sie neigte zuweilen dazu, widerspruchsvolle, phantasievolle Behauptungen aufzustellen.

Gohati faßte Tivias Frage als eine Neckerei auf. Dennoch rechnete er am kleinen Myonenzyklon. „Ja“, bestätigte er dann. „Formal betrachtet, würden infolge der Dilatation die Lebewesen eines solchen überdimensionalen, starr rotierenden Karussells im Zentrum nur hundert Perioden, am Rande aber rund zehntausend Perioden alt werden können.“

„Vielleicht treffen wir tatsächlich langlebige Wesen auf den Welten des äußeren Spiralarmes“, mutmaßte Tivia.

„Das glaube ich nicht“, führte Gohati das Gespräch fort.

„Unsere Sternspirale ist doch kein Navigationskreisel.“

Insgeheim lächelte er bei dieser Vorstellung. „Sie dreht sich nur langsam“, setzte er hinzu.

Tivia wußte es selbst. Die Fähigkeit, lange zu leben, wurde vor allem von biologischen Faktoren bestimmt. Je intensiver der Stoffwechsel mit der Umwelt ablief und je ökonomischer ein Organismus sich bewegte, um so existenzfähiger, um so langlebiger war er. Wie mochten die Lebewesen beim gelblichen Stern „Sil“ beschaffen sein, wenn es sie überhaupt gab, überlegte sie.

Ein Prasseln erklang aus den Meßgeräten. Das violette Leuchten in der Kuppel des Raumes verstärkte sich. „Starke kosmische Strahlung“, sagte Gohati ruhig. „Mesonen- Einschläge.“ Der weit voraus reichende Energieschirm steigerte seine Leistung, um den Strom der Strahlung und des kosmischen Staubes, der ihnen plötzlich entgegenkam, abzuwehren und zur Seite zu drängen.

Wenig später fluteten violette Strahlenbündel alarmierend aus der Kuppel des Steuerraumes herab. Ein vielzackiger Stern flammte auf.

„Schauer von Antiteilchen“, stellte Gohati unmutig fest. Über eine Regieanlage befahl er: „Testroboter ausschleusen! Äußere Hülle und die Gittertürme zu den Triebwerken untersuchen!“

Antiteilchen konnten gefährlicher als Meteoriten sein. Eine Berührung mit ihnen rief winzige Atomexplosionen hervor, die bei schauerartiger Konzentration durchaus ernst zu nehmenden Schaden anrichten konnten.

Die Roboter verließen das Kreiselschiff und suchten es von außen systematisch ab, um eventuell aufgetretene Schäden sofort zu beseitigen.

„Glaubst du, daß es beim gelben Stern Lebewesen gibt?“

nahm Tivia ihre Gedanken wieder auf, als die Strahlenschauer vorbei waren. „Wie könnten sie aussehen? Werden sie geistig hochentwickelt sein? Ob wir vor ihnen erschrecken werden?“

„Ungeheuer mit vielen Köpfen und Gliedern werden es nicht sein. Die biologischen Entwicklungsgesetze bedingen, daß sie uns ähnlich sehen. Wir werden also kaum vor ihnen erschrecken.“

„Ich glaube, daß es keine Raumkugel mit wissenschaftlich denkenden Existenzformen beim gelben Stern gibt“, sagte Tivia. „Sonst hätten wir schon Anzeichen ihres Wirkens, elektromagnetische Ausstrahlungen, also Funkwellen, oder das tickende Geräusch ihrer Radarbeobachtung wahrnehmen müssen. Unsere Lichtdruckschleuder ist sehr hell. Sie hätten uns längst bemerkt. Ich hatte gehofft, dort Lebewesen, die wie wir sind, vorzufinden, die vielleicht sogar schon die Sternenwelten des äußeren Spiralarmes erkundet haben. Wir könnten uns dann den Weg zu den Teloiden sparen und bald wieder umkehren.“

Gohati wurde nachdenklich. Sollte auch Tivia Heimweh haben? Er war ihr noch eine Antwort schuldig. „Sie müssen nach den gleichen Prinzipien entwickelt sein wie wir“, sagte er nach kurzem Zögern. „Sie müssen ein empfindliches Nervensystem mit einem Nervenzentrum, einem Kopf, haben.

Dieses Denkorgan könnte am zweckmäßigsten in der oberen Hälfte des Rumpfes oder sogar als Komplex extra darüber angeordnet sein. Auf dem kürzesten Weg nach außen werden sich aus diesem Nervenzentrum die Sinnesorgane, also beispielsweise die lichtempfindlichen Organe, herausgebildet haben.“ Gohati geriet in Eifer. Zur aktiven Anpassung an die Umwelt hätte ein solches denkfähiges Wesen Glieder zur Fortbewegung. Da sich die Anzahl der Beine im Verlauf der Entwicklung stets verringerte, könnten sie über zwei oder sogar nur ein Fortbewegungsorgan verfügen.

„Wie du weißt, folgt die Entwicklung auf ihrem Weg vom niederen zum höchsten, zum vernunft- und verstandbegabten Lebewesen, gleichgültig, in welchem Teil des Weltalls sie stattfindet, bestimmten Prinzipien“, schloß Gohati.

„Intelligente Bewohner von Planeten irgendwo im Kosmos müßten einander ziemlich ähnliche Merkmale aufweisen. Allzu große Überraschungen kann uns also der gelbliche Stern ›Sil‹ in dieser Hinsicht kaum bringen.“

Der dritte Planet

Schwerfällig schob sich Azuls Schatten durch den Steuerraum.

Die starke Abbremsung der Triebwerke zerrte an seinem Körper. Bei den Geräten für die Gravitationsmessungen verhielt Azul. Ein Lichtband leuchtete auf. Die Meßergebnisse wurden sichtbar. Der Astronom las sie ab. Erfreut rief er: „Sil! Wir sind im Bereich des gelben Sterns! Sieh, die ersten Anzeichen seiner Anziehungskraft!“

Schnell verständigte Azul den Kommandanten, der sich in der Myonenbibliothek aufhielt, wo er die gespeicherten wissenschaftlichen Materialien studierte und die Pläne für die Landung ausarbeitete.

Als Gohati von dem neuen Gravitationsfeld hörte, kam er sofort in die Steuerzentrale. Er ordnete an, auch noch Sinio, Aerona und Kalaeno zu wecken.

Tivia hatte vor der biologischen Sektion des Steuerraumes Platz genommen. Besondere Verfahren aktivierten den Stoffwechsel der Schlafenden und setzten das Nervensystem in Tätigkeit. Konzentriert verfolgte sie auf kleinen Bildschirmen das Ansteigen der Lebenskurven während des Weckens.

Aerona erlangte schnell ihr Bewußtsein wieder, war aber vor Entkräftung zunächst wie gelähmt. Kalaeno kämpfte noch mit Bewußtseinstrübungen.

Auf den Meßbildschirmen waren verschiedene Linien zu erkennen. Jedes Organ wurde durch eine andere Farbe dargestellt. Ruhte der Raumfahrer im Dauerschlaf, verliefen alle Farblinien gerade über den Schirm. Jetzt aber schlängelten sie durcheinander. Die volle Funktionsfähigkeit des Körpers und seiner Organe war erreicht, sobald die Farblinien wieder im gleichen Rhythmus pulsten.

„Der Gesundheitszustand der Besatzung ist befriedigend“, berichtete Tivia dem Kommandanten. „Nur Sinio hat einen kleinen Schock bekommen. Seine Lebenskurve schnellte sehr rasch empor. Vermutlich überrechnete er schon in Gedanken seine letzten Formeln über die Krümmung des Lichtes im Gravitationsbereich überheißer weißblauer Sonnen; denn mit diesem Problem hat er sich eingehend befaßt. Ich mußte ihn vorübergehend wieder in Schlaf versetzen.“