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das Gesicht verzerrt, den Blick auf — da war noch jemand!

Borowski duckte sich, warf sich schräg nach hinten, als schnell hintereinander vier Schüsse peitschten, von denen drei irgendwo abprallten und davonsirrten. Er rollte sich herum, zog die Automatic aus dem Gürtel. Jetzt sah er den Mann im Regen; sah die silhouettenhafte Gestalt hinter einem Grabstein. Er feuerte zweimal, der Mann brach zusammen.

Zehn Fuß von ihm entfernt schlug Conklin im feuchten Gras herum. Seine beiden Hände tasteten den Boden ab, suchten nach der Waffe. Borowski sprang auf und rannte hinüber, kniete neben dem Mann von Treadstone nieder. Seine eine Hand packte das nasse Haar und die andere hielt seine Automatic, preßte ihren Lauf gegen Conklins Schädel. Von den Säulen des Mausoleums hallte ein langgezogener Schrei herüber. Er wurde immer lauter, gespenstisch, und verstummte dann.

«Da haben Sie Ihren bezahlten Killer«, sagte Jason und riß Conklins Kopf herum.»Treadstone hat sich da ein paar höchst seltsame Angestellte zugelegt. Wer war der andere Mann? Aus welcher Todeszelle haben Sie ihn denn geholt?«

«Er war ein besserer Mann als Sie jemals waren«, erwiderte Conklin mit angestrengter Stimme. Der Regen glänzte auf seinem Gesicht und fing sich im Lichtkegel der ein paar Schritte von ihm entfernt auf dem Boden liegenden Taschenlampe.»Alle sind das. Sie haben ebensoviel verloren wie Sie, aber nie die Seiten gewechselt. Wir können uns auf sie verlassen!«

«Ganz gleich, was ich sage, Sie werden mir nicht glauben. Sie wollen mir nicht glauben!«

«Weil ich weiß, was Sie sind — was Sie getan haben. Das haben Sie mir gerade bestätigt. Sie können mich töten, aber die werden Sie kriegen. Sie sind ein Ungeheuer. Sie halten sich für etwas Besonderes. Das haben Sie immer schon getan. Ich habe Sie nach Phnom Penh gesehen — jeder hat dort draußen etwas verloren, aber für Sie zählte das nicht. Für Sie zählten nur Sie, nur Sie! Und dann bei Medusa! Für Delta gab es keine Regeln! Ihm ging es bloß ums Töten. So sind alle Überläufer. Ich habe auch etwas verloren, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, ins feindliche Lager zu wechseln. Kommen Sie nur! Töten Sie mich! Dann können Sie zu Carlos zurückkehren. Aber wenn ich nicht zurückkehre, wird man wissen, wer für meinen Tod verantwortlich ist. Man wird nicht haltmachen, bis sie Sie erwischt haben. Nur zu! Schießen Sie!«

Conklin schrie, aber trotzdem konnte Borowski ihn kaum hören. Statt dessen hatte er zwei Worte gehört, und jetzt pochte wieder der Schmerz in seinen Schläfen. Phnom Penhl Phnom Penh. Tod am Himmel, Tod vom Himmel. Tod der Jungen und sehr Jungen. Kreischende Vögel und heulende Maschinen und der Gestank des Dschungels… Und ein Fluß. Seine Augen brannten wieder.

Unter ihm hatte sich der Treadstone-Mann losgerissen. Seine verkrüppelte, behinderte Gestalt kroch, von Panik erfüllt, davon, und seine Hände krallten sich in das nasse Gras. Jason blinzelte, versuchte sich von den Bildern zu lösen. Er wußte, daß er die Automatic auf den anderen richten und schießen mußte. Conklin hatte seine Pistole gefunden und hob sie jetzt. Aber Borowski konnte den Abzug nicht betätigen.

Er warf sich nach rechts, rollte weg, auf die Marmorsäulen des Mausoleums zu. Conklins Schüsse verfehlten ihn. Der Krüppel konnte sein Bein nicht stützen, nicht zielen. Und dann verstummte sein Feuer, und Jason stand auf, das Gesicht gegen den glatten, feuchten Stein gedrückt. Er sah hinaus, hob die Automatic; er mußte diesen Mann töten, denn dieser Mann würde ihn töten, Marie töten, Carlos auf seine, auf ihre Spur bringen.

Conklin humpelte jämmerlich auf das Tor zu, drehte sich dauernd um, die Waffe ausgestreckt, sein Ziel ein Wagen draußen auf der Straße. Borowski hob seine Automatic, hatte den Mann im Visier. Den Bruchteil einer halben Sekunde, und es würde vorbei sein, sein Feind von Treadstone tot, ein Tod, der ihm neue Hoffnung gab, denn in Washington gab es vernünftige Männer.

Er konnte es nicht tun; er konnte nicht abdrücken. Er senkte die Waffe und stand hilflos neben der Marmorsäule, während Conklin in seinen Wagen stieg.

Der Wagen. Er mußte nach Paris zurück. Es gab einen Weg. Die ganze Zeit hatte es ihn gegeben. Marie!

Er klopfte an die Tür. Seine Gedanken überschlugen sich, analysierten Tatsachen, nahmen sie auf und verwarfen sie ebenso schnell wieder, wie sie ihm kamen, aber langsam gewann eine Strategie Gestalt. Marie erkannte sein Klopfen; sie öffnete.

«Du lieber Gott, schau dich nur an! Was ist passiert?«

«Keine Zeit«, sagte er und rannte zum Telefon.»Es war eine Falle. Die sind überzeugt, daß ich ein Doppelagent bin, daß ich sie an Carlos verkauft habe.«

«Was?«

«Sie behaupten, ich sei letzte Woche nach New York geflogen, letzten Freitag, und hätte dort fünf Leute getötet… darunter auch meinen Bruder. «Jason schloß kurz die Augen.»Es gab einen Bruder — gibt einen Bruder. Ich weiß nicht, ich kann jetzt nicht darüber nachdenken.«

«Du hast Paris nie verlassen! Das kannst du beweisen!«

«Wie denn? Acht, zehn Stunden, das ist alles, was ich dazu brauchen würde. Und acht oder zehn Stunden, für die es keinen Nachweis gibt, genügen ihnen, um mich fertigzumachen. Wer ist denn mein Zeuge?«

«Ich. Du bist bei mir gewesen.«

«Die glauben, daß du ein Teil des Plans bist«, sagte Borowski und nahm den Hörer ab und wählte.»Der Diebstahl, der Verrat, Port Noir, die ganze verdammte Sache. Die denken, du steckst mit mir unter einem Hut. Carlos ist schuld, der hat das alles eingefädelt, sogar der Fingerabdruck stimmt. Herrgott! Der hat ganze Arbeit geleistet!«

«Was machst du denn? Wen rufst du an?«

«Unsere Rettung? Die einzige, die wir haben. Villiers. Villiers' Frau. Sie ist es. Wir müssen uns sie holen, sie, wenn nötig, hundert Foltern aussetzen. Aber das werden wir nicht müssen; sie wird nicht kämpfen, weil sie nicht gewinnen kann… Verdammt noch mal, warum meldet er sich nicht?«

«Der Apparat mit der Privatnummer steht in seinem Büro. Es ist drei Uhr früh. Wahrscheinlich — «

«Da ist er! General? Sind Sie es?«Jason mußte fragen; die Stimme am anderen Ende der Leitung war eigenartig still, so wie die Stille nach dem Sturm.

«Ja, ich bin es, mein junger Freund. Entschuldigen Sie die Verzögerung. Ich war oben bei meiner Frau.«

«Deshalb rufe ich an. Wir müssen etwas unternehmen. Jetzt. Alarmieren Sie die französische Abwehr, Interpol und die amerikanische Botschaft, aber sagen Sie, die sollen sich nicht einschalten, bis ich sie gesehen, mit ihr gesprochen habe. Wir müssen jetzt auspacken. «

«Da bin ich anderer Meinung, Mr. Borowski… Ja, ich kenne Ihren Namen, mein Freund. Aber mit meiner Frau

können Sie, so fürchte ich, nicht mehr sprechen. Sehen Sie, ich habe sie nämlich gerade getötet.«

Kapitel 33

Jason starrte die Wand des Hotelzimmers an, die Tapete mit dem verblaßten Muster.»Warum?«sagte er leise,»warum denn nur. Ich dachte, Sie hätten begriffen!«

«Ich habe mich bemüht, mein Freund«, sagte Villiers mit einer Stimme, die unendlich müde klang.»Die Heiligen wissen, daß ich mich bemüht habe, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich sah sie immer wieder an… sah meinen Sohn, den nicht sie mir geboren hat, sah ihn hinter ihr auf der Straße liegen, getötet von dem Schwein, dem sie hörig war. Meine Hure war die Hure eines anderen. Die Hure dieses Schweines. Es konnte nicht anders sein. Und wie ich dann erfuhr, war es auch nicht anders. Ich glaube, sie sah sogar den Haß in meinen Augen, der weiß Gott da war. «Der General hielt inne.»Sie hat nicht nur den Haß gesehen, sondern auch die Wahrheit. Sie sah, daß ich alles wußte. Was sie war, was sie in den Jahren, die wir gemeinsam verbracht hatten, gewesen war. Am Ende gab ich ihr die Chance, so wie ich Ihnen gesagt hatte.«