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Ein Hindernis blieb: der fünfte Mann. Jason bog um das Haus und entdeckte ihn auf dem Wege zwischen der Ecke und Villiers' Haus. Jetzt kam alles auf die Wahl des richtigen Augenblicks an, und darauf, daß er ihn erschreckte. Borowski fing zu laufen an, ähnlich wie die anderen Leute, die sich dem Feuer näherten, den Kopf halb nach hinten gedreht, eine Gestalt, die mit ihrer Umgebung verschmolz, nur daß die Richtung nicht stimmte, weil er teilweise rückwärts lief. Er passierte den Mann; er hatte ihn nicht bemerkt — aber er würde ihn bemerken, wenn er auf die Lieferantentüre von Villiers' Haus zuging und sie öffnete. Der Mann sah sich immer wieder um, war verunsichert, besorgt, vielleicht sogar von der Tatsache beunruhigt, daß er jetzt der einzige Bewacher in der Straße war. Er stand vor einem niedrigen Geländer, einem weiteren Tor, einem weiteren Eingang zu einem weiteren teuren Haus in Parc Monceau.

Jason blieb stehen, ging seitwärts schnell auf den Mann zu und wirbelte dann herum, das Körpergewicht auf den linken Fuß verlegt, und sein rechter Fuß schoß vor, traf den fünften Mann am Leib, schleuderte ihn rückwärts über das eiserne Geländer. Der Mann schrie auf, als er in den schmalen Betonschacht stürzte. Borowski setzte über das Geländer, die rechte Faust geballt und beide Absätze ausgestreckt. Er landete auf dem Brustkasten des Mannes, dem bei dem Aufprall die Rippen gebrochen wurden. Jasons Knöchel schmetterten gegen seine Kehle. Carlos' Soldat wurde schlaff. Er würde erst wieder im Krankenhaus aufwachen. Jason durchsuchte den Mann; er trug eine einzige Pistole bei sich. Borowski nahm sie ihm ab und steckte sie in die Manteltasche. Er würde sie Villiers geben. Villiers. Der Weg war frei.

Er ging die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Auf halbem Wege konnte er einen Lichtstreifen unten an der Schlafzimmertüre sehen. Hinter dieser Türe wartete ein alter Mann, der seine einzige Hoffnung war. Wenn es in seinem Leben — dem, an das er sich erinnerte, und dem, an das er sich nicht erinnerte — je einen Augenblick gab, indem er überzeugend sein mußte, so war dieser Augenblick jetzt. Und seine Überzeugung war echt — jetzt war kein Platz für das Chamäleon. Alles was er glaubte, beruhte auf einer Tatsache. Carlos mußte ihm folgen. Das war die Wahrheit. Das war die Falle.

Er erreichte den Treppenabsatz und bog nach links zur Schlafzimmertüre. Einen Augenblick lang blieb er stehen und versuchte, das Echo aus seiner Brust zu verdrängen; es wurde lauter, das Pochen schneller. Ein Teil der Wahrheit, nicht die ganze Wahrheit. Er würde nichts erfinden, nur einiges weglassen.

Eine Übereinkunft… ein Vertrag… mit einer Gruppe von Männern — ehrenwerten Männern — die hinter Carlos her waren. Mehr brauchte Villiers nicht zu wissen; er würde das akzeptieren müssen. Er durfte nicht erfahren, daß er mit jemandem zu tun hatte, der unter Amnesie litt, denn hinter der Mauer seines verlorenen Gedächtnisses würde man vielleicht einen Mann ohne Ehre finden. Die Legende von Saint-Cyr, Algier und der Normandie würde das nicht akzeptieren; nicht jetzt, hier, am Ende seines Lebens.

O Gott, wie schmal der Grat doch war! Wie unsicher die Grenze zwischen Glauben und Unglauben… ebenso unsicher wie für das menschliche Wrack, dessen Name nicht Jason Borowski war.

Er öffnete die Tür und trat ein in die private Hölle eines alten Mannes. Draußen vor den verhängten Fenstern heulten die Sirenen, schrien die Menschen.

Jason schloß die Tür und blieb reglos stehen. Der große Raum war von Schatten erfüllt, und das einzige Licht strömte aus einer Nachttischlampe. Seine Augen wurden von einem Anblick begrüßt, von dem er sich wünschte, er brauche ihn nicht zu sehen. Villiers hatte einen hochlehnigen Schreibtischsessel durch das Zimmer gezerrt und saß jetzt am Fußende des Bettes und starrte die tote Frau an, die auf der Bettdecke lag. Angelique Villiers lag auf dem Kissen, die Augen in dem tief gebräunten Gesicht geweitet, aus ihren Höhlen hervortretend. Ihr Hals war angeschwollen, das Fleisch von rötlichem Purpur, die Würgemale hatten sich über den ganzen Hals ausgebreitet. Ihr Körper war immer noch verkrümmt, die langen, nackten Beine ausgestreckt, die Hüften verdreht, das Neglige zerfetzt, so daß die Brüste aus dem Seidenstoff hervorstachen — selbst im Tode noch sinnlich.

Der General saß wie ein hilfloses Kind da. Er wandte gequält den Blick von der toten Frau und sah Borowski an.

«Was ist draußen geschehen?«fragte er monoton.

«Männer haben Ihr Haus beobachtet. Männer von Carlos, fünf waren es. Ich habe ein Feuer gelegt; niemand ist verletzt worden. Es sind alle außer einem weg; und den habe ich unschädlich gemacht.«

«Sie sind sehr geschickt, Monsieur Borowski.«

«Ja, das bin ich«, nickte Jason.»Aber sie werden zurückkommen. Das Feuer wird gelöscht werden, und dann werden sie zurückkommen; vorher sogar, wenn Carlos sich das alles zusammenreimt, und ich glaube, daß er das tun wird. Wenn er das tut, wird er jemanden hierherschicken. Er wird naturlich nicht selbst kommen, sondern einen seiner Killer schicken. Wenn dieser Mann Sie findet… und die Frau… wird er Sie töten. Carlos verliert sie, aber er gewinnt trotzdem. Er gewinnt ein zweites Mal; er hat Sie durch sie benutzt, und am Ende tötet er Sie. Er geht dann weg und Sie sind tot. Die Leute können daraus schließen, was sie wollen, aber ich glaube nicht, daß es schmeichelhafte Schlüsse sein werden.«

«Sie sind sehr präzise. Und Ihres Urteils sicher.«

«Ich weiß, wovon ich rede. Mir wäre lieber, das, was ich jetzt sagen werde, nicht sagen zu müssen, aber es ist jetzt keine Zeit, auf Ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen.«

«Ich habe keine Gefühle mehr. Sagen Sie, was Sie wollen.«

«Ihre Frau hat Ihnen erzählt, daß Sie Französin sei, nicht wahr?«

«Ja. Aus dem Süden. Ihre Familie stammte aus Loures Barouse, in der Nähe der spanischen Grenze. Sie ist vor Jahren nach Paris gekommen und hat hier bei einer Tante gelebt. Warum?«

«Hatten Sie ihre Familie je zu Gesicht bekommen?«

«Nein.«

«Sie sind also zu Ihrer Hochzeit nicht hierher gekommen?«

«Wir waren unter Berücksichtigung aller Umstände der Ansicht, daß es am besten wäre, sie nicht einzuladen. Der Altersunterschied hätte sie vielleicht gestört.«

«Und was war mit der Tante hier in Paris?«

«Die ist gestorben, ehe ich Angelique kennenlernte. Worauf wollen Sie hinaus?«

«Ihre Frau war keine Französin, ich bezweifle sogar, daß es eine Tante in Paris gegeben hat, und ihre Familie kam nicht aus Loures Barouse, obwohl die spanische Grenze schon einige Bedeutung hat. Damit könnte man vieles tarnen und eine Menge erklären.«

«Was wollen Sie damit sagen?«

«Sie war Venezolanerin. Carlos' erste Cousine, seine Geliebte seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. Sie waren ein Team, waren das seit Jahren. Man hat mir gesagt, daß sie der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, der ihm etwas bedeutete.«

«Eine Hure.«

«Ein Instrument eines Meuchelmörders. Ich möchte wissen, wie viele wertvolle Männer ihretwegen tot sind.«

«Zweimal kann ich sie nicht töten.«

«Aber benutzen können Sie sie. Ihren Tod benutzen.«

«Der Wahnsinn, von dem Sie gesprochen haben?«

«Der einzige Wahnsinn ist es, wenn Sie Ihr Leben wegwerfen. Carlos ist dann der große Gewinner; er begeht weiterhin Verbrechen… operiert mit Dynamitladungen… und Sie sind nicht mehr als eine Ziffer in einer Statistik. Ein weiterer Mord in einer langen Liste distinguierter Leichen. Das ist Wahnsinn.«

«Und Sie sind der Vernünftige? Sie nehmen die Schuld für ein Verbrechen, das Sie nicht begangen haben, auf sich? Für den Tod einer Hure? Lassen sich für einen Mord jagen, der nicht der Ihre war?«

«Das ist ein Teil davon. Der wesentliche Teil sogar.«