Выбрать главу

Warum Paris? Es war, als hätte die Stadt geradezu eine magnetische Anziehung auf ihn.

Sie sind nicht hilflos. Sie werden sich zurechtfinden… Folgen Sie Ihren Instinkten, besonnen natürlich.

Nach Paris.

«Waren Sie vorher schon einmal in Zürich?«fragte er seine Geisel.

«Nein.«

«Sie belügen mich doch nicht etwa, oder?«

«Warum sollte ich das? Bitte, lassen Sie mich anhalten! Lassen Sie mich gehen.«

«Seit wann sind Sie hier?«

«Seit einer Woche.«

«Dann haben Sie Zeit gehabt, sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzusehen.«

«Ich habe kaum das Hotel verlassen. Dazu war keine Zeit.«

«Der Tagungsplan, den ich auf der Tafel sah, schien mir nicht gedrängt zu sein. Nur zwei Vorträge für den ganzen Tag.«

«Das waren Gastredner. Der größte Teil unserer Arbeit erfolgte in kleinen Konferenzen, bei denen zehn bis fünfzehn Leute aus verschiedenen Ländern debattierten.«

«Sie sind aus Kanada?«

«Ich arbeite für das Schatzministerium der kanadischen Regierung, in der Finanzverwaltung.«

«Ihr >Doktor< hat also nichts mit Medizin zu tun.«

«Nein, ich habe Volkswirtschaft studiert.«

«Ich bin beeindruckt.«

Plötzlich fügte sie mit eindringlicher Stimme hinzu:»Meine Vorgesetzten erwarten, daß ich mit ihnen Verbindung aufnehme, heute abend. Wenn sie nicht von mir hören, werden sie beunruhigt sein. Sie werden Nachforschungen anstellen und die Züricher Polizei verständigen.«

«Ich verstehe«, sagte er.»Darüber muß man nachdenken, nicht wahr?«Borowski fiel plötzlich auf, daß die Frau während des Schocks, den sie erlitten hatte, und all der Gewalttätigkeiten der letzten halben Stunde nie die Tasche losgelassen hatte. Er lehnte sich vor und zuckte zusammen, als der Schmerz in seiner Brust sich plötzlich wieder regte.

«Geben Sie mir Ihre Tasche.«

«Was?«Sie nahm die Hand vom Steuer und griff nach ihr.

Aber er war schneller. Seine Finger umkrallten bereits das Leder.

«Fahren Sie nur weiter, Doktor«, sagte er, nahm die Tasche vom Sitz und lehnte sich wieder zurück.

«Sie haben kein Recht…«Sie hielt inne, als ihr bewußt wurde, wie überflüssig ihre Bemerkung war.

«Das weiß ich«, erwiderte er und knipste die Leselampe des Wagens an, öffnete die Tasche und hielt sie so, daß man den Inhalt sehen konnte. Wie es ihrer adretten Besitzerin entsprach, war sie sehr gut aufgeräumt. Paß, Brieftasche, Geldbörse, Schlüssel und ein paar Zettel steckten in den Seitentaschen. Er suchte eine spezielle Nachricht; sie befand sich in einem gelben Umschlag, den ihr der Angestellte im >Carillon du Lac< gegeben hatte. Schließlich fand er das Couvert, öffnete es und zog das zusammengefaltete Papier heraus. Es war ein Telegramm aus Ottawa.

TAGESBERICHTE ERSTKLASSIG! URLAUB

GENEHMIGT. HOLE DICH MITTWOCH, DEN 26. AM FLUGHAFEN AB. KABLE FLUGNUMMER! IN LYON UNTER KEINEN UMSTÄNDEN MISS BELLE NEUNIERE VERPASSEN. KÜCHE HERVORRAGEND! ALLES LIEBE, PETER.

Als Jason das Telegramm in die Handtasche zurücklegte, fiel ihm ein kleines Zündholzbriefchen in glänzendem Weiß auf. Er nahm das Briefchen und las die Anschrift: >Kronenhalle<. Ein Restaurant… Irgend etwas irritierte ihn; aber er wußte nicht, was es war. Er behielt die Streichhölzer, klappte die Tasche zu, beugte sich vor und ließ sie auf den Beifahrersitz fallen.»Das ist alles, was ich sehen wollte«, sagte er, lehnte sich wieder zurück und starrte die Streichhölzer an.»Ich glaube mich zu erinnern, daß Sie etwas über >Nachrichten aus Ottawa< sagten. Die haben Sie bekommen; bis zum sechsundzwanzigsten ist es noch über eine Woche.«

«Bitte…«

Das war ein Hilferuf; er begriff sehr wohl, konnte aber nicht reagieren. Er brauchte diese Frau in der nächsten Stunde, so wie ein Lahmer eine Krücke braucht, oder richtiger: wie jemand, der nicht steuern konnte, einen Fahrer benötigt.

«Drehen Sie um«, befahl er.»Fahren Sie zurück zum >Carillon<.«

«Zum… Hotel?«

«Ja«, sagte er und blickte dabei die Streichhölzer an, drehte sie im Licht der Leselampe in den Fingern hin und her.»Wir brauchen einen anderen Wagen.«

«Wir? Nein, das können Sie nicht! Ich weigere mich…«Sie hielt inne, ehe sie den Satz zu Ende gesprochen hatte. Ihr war offensichtlich ein anderer Gedanke gekommen; sie war plötzlich stumm, bog links in eine Seitenstraße ein und fuhr dann auf die Seefeld-Straße.

Schon waren sie in Gegenrichtung. Plötzlich drückte die Frau das Gaspedal so abrupt nieder, daß das Fahrzeug einen Satz machte und die Reifen durchdrehten. Sofort nahm sie den Fuß vom Gaspedal, packte das Steuer fester und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.

Borowski blickte von den Streichhölzern auf und sah auf ihren Hinterkopf. Das lange dunkelrote Haar glänzte im Licht. Er zog die Pistole aus der Tasche und lehnte sich wieder nach vorn. Er hob die Waffe, schob die Hand über ihre Schulter und drehte den Lauf herum, so daß die Mündung auf ihre Wange wies.

«Hören Sie genau zu! Sie werden jetzt genau das tun, was ich Ihnen sage. Sie werden dicht neben mir sein, und diese Waffe wird in meiner Tasche stecken. Sie wird auf Ihren Bauch gerichtet sein, so wie sie im Augenblick auf Ihren Kopf zielt. Wie Sie wohl inzwischen bemerkt haben, geht es um mein Leben, und ich werde nicht zögern abzudrücken. Ich möchte, daß Sie das kapieren.«

«Ich habe verstanden. «Ihre Antwort war nur ein Flüstern. Sie atmete durch halb geöffnete Lippen, so verängstigt war sie. Jason zog die Pistole zurück; er war zufrieden und angewidert.

Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf… Die Streichhölzer. Was war nur mit ihnen? Aber es waren nicht die Streichhölzer, es war das Restaurant — nicht die >Kronenhalle<, sondern irgendein anderes. Schwere Balken, Kerzenlicht, schwarze…

Dreiecke draußen. Weißer Stein und schwarze Dreiecke. Drei?… Drei schwarze Dreiecke.

Jemand war dort… in einem Restaurant mit drei Dreiecken vor dem Eingang. Das Bild war so klar, so deutlich… so beunruhigend. Warum nur? Gab es überhaupt einen solchen Ort?

Die Lichter des >Carillon du Lac< tauchten einige hundert Meter vor ihnen auf. Er hatte sich seine nächsten Schritte noch nicht genau überlegt, ging aber davon aus, daß seine Verfolger nicht mehr auf dem Hotelgelände waren. Aber er kannte nur zwei der Killer; falls andere zurückgeblieben waren, würde er sie nicht erkennen.

Der Hauptparkplatz lag hinter der kreisförmigen Auffahrt, an der linken Seite des Hotels.»Langsamer«, befahl Jason.»Biegen Sie nach links ein.«

«Das ist eine Ausfahrt«, protestierte die Frau, und ihre Stimme klang nervös.»Wir fahren in die falsche Richtung.«

«Es kommt niemand heraus. Weiter!«

Die Szene vor dem überdachten Eingang des Hotels erklärte, weshalb niemand auf sie achtete. Dort standen hintereinander vier Polizeifahrzeuge mit kreisenden Blaulichtern. Jason sah uniformierte Polizeibeamte und neben ihnen befrackte Hotelangestellte inmitten der aufgeregten Hotelgäste.

Marie St. Jacques fuhr quer über den Parkplatz an den Tiefstrahlern vorbei auf einen freien Platz. Sie schaltete den Motor ab und saß regungslos da, den Blick nach vorne gerichtet.

«Seien Sie sehr vorsichtig«, sagte Borowski und kurbelte seine Scheibe herunter,»und bewegen Sie sich langsam. Öffnen Sie Ihre Tür und steigen Sie aus. Dann helfen Sie mir, herauszukommen. Denken Sie daran, daß das Fenster geöffnet ist und ich die Pistole in der Hand halte. Sie sind nur einen Meter von mir entfernt. Sollte ich schießen müssen, werde ich Sie bestimmt nicht verfehlen.«

Völlig verschreckt tat sie, wie er befohlen hatte. Jason stützte sich auf den Fensterrahmen und zog sich hinaus. Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen; langsam konnte er sich wieder fortbewegen — nur hinkend zwar, aber immerhin ein Fortschritt.