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«Mein Onkel sagt, daß Ihr Schiff noch wochenlang in Boston liegen wird. Ich möchte, daß Sie nach Newburyport kommen und meine Familie kennenlernen. «Sie hob die behandschuhte Hand und legte sie leicht an seine Wange.»Seien Sie nicht so traurig, Adam. Falls es ein Geheimnis bleiben soll, ist es bei mir gut aufgehoben. Erzählen Sie mir aber nur davon, wenn es auch Ihr Wunsch ist.»

«Das ist es. «Adam stellte fest, daß ihm dieser Wunsch von Herzen kam.

Aus dem Fenster der Bibliothek sah Bolitho Adam und Robina die Terrasse überqueren. Ihr Anblick rührte ihn, denn in seinen Augen war es höchste Zeit, daß Adam ein bißchen Freude am Leben fand — und sei es nur vorübergehend. Seit er sich zu Fuß von Penzance nach Falmouth durchgeschlagen hatte, in der Hoffnung auf einen Platz in der Familie Bolithos, hatte er nur Krieg und den harten Dienst in der Marine kennengelernt. Noch immer sah Bolitho den dünnen, eingeschüchterten Jungen von damals vor sich: furchtsam, aber mit der trotzigen Unruhe eines Fohlens. Nun glaubte er, Robina lachen zu hören. Ja, er gönnte Adam diese Ablenkung.

Ein Lakai öffnete beide Türflügel, und ein hochgewachsener Mann in flaschengrünem Rock und weißen Strümpfen betrat die Bibliothek.

«Und hier ist nun Samuel Fane aus Washington«, stellte Chase ihn vor.

In Fanes schmalem, unbewegtem Gesicht schien sich das Leben ganz in die tiefliegenden, funkelnden Augen zurückgezogen zu haben, die dicht an der kräftigen Hakennase saßen.

«Und Sie sind Vizeadmiral Bolitho«, nickte er statt eines Grußes.»Also, kommen wir zur Sache.»

Bolitho ließ den schon ausgestreckten Arm sinken. Vielleicht mochte Fane nicht mit einem alten Feind einen Händedruck tauschen. Verständlich, aber trotzdem ein Affront.

Seltsamerweise ließ ihn das irgendwie gelassener werden: die innere Ruhe vor einem Duell, wenn man sich damit abgefunden hat, daß jede Hoffnung auf eine einfache Lösung nur Selbsttäuschung wäre.

Im gleichen trockenen Ton fuhr Fane fort:»San Felipe. Würden Sie mir bitte erklären, Admiral, weshalb Ihre Regierung sich für berechtigt hält, diese Insel und ihre Bevölkerung wie etwas Wertloses we g-zuwerfen? Woher nimmt sie dieses Recht?»

«Beruhigen Sie sich, Sam«, mahnte Chase unbehaglich.»Sie wissen doch, daß die Sache anders liegt.»

«We iß ich das?«Die tiefliegenden scharfen Augen ließen Bolitho keine Sekunde los.

Bolitho lächelte andeutungsweise.»So wurde es beim Friedensschluß vereinbart. Und das wissen Sie sicherlich. Ich darf doch annehmen, daß die französische Regierung Sie über Amiens ins Bild gesetzt hat?»

Chase mischte sich ärgerlich ein.»Natürlich hat sie das. Sagen Sie's ihm, Sam, und kommen Sie von Ihrem hohen Roß herunter. Der Krieg ist aus, vergessen Sie das nicht.»

Fane warf ihm einen kalten Blick zu.»Das kann ich schon deshalb nicht vergessen, weil ich ständig daran erinnert werde, wie gut manche aus dem Blut der Opfer Geld zu machen verstanden.»

Bolitho sah Chases Blick wütend aufflackern.»Ich dachte, Frankreich sei Ihr Freund und Verbündeter?«wechselte er das Thema.

Fane zuckte die Schultern.»So war es. Vielleicht wird es auch künftig so sein. Aber was San Felipe betrifft, das im Süden vor unserer Haustür liegt, so gilt das nicht.»

«Die Menschen auf San Felipe sind britische Untertanen«, stellte Bolitho fest.

Chase grinste.»Das waren auch die meisten von uns. Früher.»

Fane schien ihn nicht gehört zu haben.»Vor einiger Zeit erhielt ich eine Depesche des Gouverneurs von San Felipe. Die Uneinsichtigkeit der britischen Regierung bereitete ihm naturgemäß Sorgen. Er ist nicht geneigt, die ihm aufgezwungene Lösung zu akzeptieren, das heißt, eine blühende Insel vor den Franzosen zu räumen oder — von ihnen geduldet — unter französischer Flagge dort weiterzuwirken.»

«Das verstehe ich.»

«Wirklich, Admiral? Das läßt mich hoffen. Aber wie dem auch sei, die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht gewillt, tatenlos zuzusehen, wenn Menschen wie afrikanische Sklaven von einer Hand in die andere verschachert werden.»

Bolitho war aufgesprungen und hörte sich zu seiner eigenen Überraschung wütend erwidern:»Dann ist es sinnlos, daß Sie meine Zeit verschwenden, Mr. Fane. Oder ich die Ihre!»

Hastig sagte Chase:»Aber nicht doch, meine Herren! Schockschwerenot, Sam, der Admiral ist mein Gast. Ich dulde es nicht, daß ihr euch anfaucht wie zwei Wildkater!»

Fane milderte seinen Ton.»Dann werden wir einen Kompromiß finden müssen.»

Bolitho setzte sich wieder.»Welchen, zum Beispiel?»

«Wenn San Felipe den Wunsch äußert, sich unter den Schutz der Vereinigten Staaten zu begeben, wird meine Regierung dies wohlwollend aufnehmen.»

«Kommt nicht in Frage.»

«Aber wenn die Franzosen einverstanden sind, Admiral? Wären Sie es dann auch?»

Bolitho blickte zu Chase hinüber, aber der starrte nur einen Walkiefer an.

Für Chase war das nichts Neues, er hatte es längst gewußt — wie alle hier: Es war kein Kompromiß, nicht die Spur davon. Es war Erpressung.

Bolitho zwang sich zur Ruhe.»Der Gouverneur war zu diesem Ersuchen nicht berechtigt, weder bei Ihnen noch anderweitig. Wir sind hier in einer tragischen Entwicklung der Geschichte befangen, können aber nichts daran ändern.»

Fane musterte ihn unbewegt.»Das bleibt abzuwarten. «Schließlich fügte er hinzu:»Ihr Flaggschiff kann der Gastfreundschaft meiner Regierung sicher sein. Diese Angelegenheit läßt sich nicht so schnell bereinigen. Sie will gut bedacht werden.»

Bolitho nickte. Fane hatte ihn also nur testen oder provozieren wollen. Aber aus welchem Grund?

Er konnte es sich nicht verkneifen, Fane festzunageln.»Ihre Regierung hat auch einem anderen britischen Schiff ihre Gastfreundschaft zugesichert, Mr. Fane: der Sparrowhawk. Sie wird bald zu mir stoßen.»

«Ja, ich weiß«, knurrte Fane und schob die Hände unter seine Frackschöße.»Ich muß mich jetzt verabschieden. «Und mit einem kurzen Nicken:»Admiral…»

Chase begleitete den Gesandten aus der Bibliothek, und Bolitho trat wieder ans Fenster. Aber statt des blonden Mädchens am Arm des jungen Offiziers sah er nur Dunkelheit.

Bolitho wandte sich um, als er Chases schweren Schritt zurückkehren hörte.

In gewisser Hinsicht war das eben schwieriger gewesen als ein Seegefecht, überlegte er. Und viel unergiebiger.

V Der Schlächter

In den Wochen nach der Abendgesellschaft bei Chase wurde Bolithos Geduld auf eine harte Probe gestellt. Zwar setzten Jonathan Chase und einige andere reiche Bostoner Bürger ihren Ehrgeiz darein, den Offizieren der Achates' Kurzweil und abendliche Einladungen zu bieten; aber trotzdem quälte Bolitho der Gedanke, daß zwischen dem Ausbleiben jeglicher Nachricht und der mangelnden Kooperationsbereitschaft Samuel Fanes irgendein Zusammenhang bestand.

Vielleicht, so grübelte er, hätte er den Zeitplan, den ihm seine Befehle vorschrieben, ignorieren und als erstes San Felipe anlaufen sollen, damit der Eröffnungszug nicht Captain Duncan von der Sparrow-hawk überlassen blieb. Aber dieser Schritt hätte als Einschüchterung — oder Schlimmeres — ausgelegt werden können.

Überhaupt — wo blieb die Sparrowhawk? Worauf war Duncan gestoßen, das wichtig genug war, sein Eintreffen in Boston zu verzögern?

An diesem Tag hatte Bolitho sein Mittagessen nicht angerührt. Obwohl Fleisch und Brot frisch waren, von Chase mit einem Boot als Geschenk an Bord geschickt, hatte er keinen Bissen davon herunterbekommen.

Auf allen Decks herrschte mittägliche Ruhe. Rumdüfte schwängerten die heiße Luft, weil in den Messen die Tagesration ausgegeben wurde.

Vielleicht hatte Sheaffe vorausgesehen, daß Bolithos Auftrag bloße Zeitverschwendung sein würde und nur zu scharfen Auseinandersetzungen mit den Amerikanern führen mußte. Bolitho zupfte an seinem schweißnassen Hemd, zwang sich aber, sitzenzubleiben, weil er sonst nur wieder ruhelos in seiner Kajüte auf und ab getigert wäre.