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Statt dessen schlug er vor:»Sie kommen besser mit mir, junger Mann. Morgen will ich sehen, wie ich Ihre Weiterreise arrangieren kann. Sie möchten doch zurück auf Ihr Schiff, oder?»

Er sah, wie ihre Hände sich fanden und begriff, daß sie ihm gar nicht zugehört hatten. Stirnrunzelnd ging er dem jungen Paar zu seiner Kutsche voraus. Robina war sein Augapfel, aber er mußte den Tatsachen ins Gesicht sehen, an Land ebenso wie früher auf See.

Sie waren ein auffallend schönes Paar, aber Robinas Familie würde niemals zulassen, daß sich mehr aus dieser Bekanntschaft entwickelte. Was hatte er sich nur dabei gedacht, als er die beiden zusammenführte?

Ein junger Marineoffizier, noch dazu ein Engländer, dessen einzige Zukunft die Kriegsmarine war, konnte kein aussichtsreicher Bewerber um Robina Chase sein. Also mußte er wieder auf sein Schiff geschafft werden — je schneller, desto besser.

Bolitho trat aus dem Schatten der Poop nach vorn zur Querreling. Rund um ihn gingen halbnackte Seeleute ihrer Arbeit nach, die auf einem Kriegsschiff nie ein Ende fand, und warfen ihrem Admiral neugierige Blicke zu. Sie konnten sich nur schwer an die Anwesenheit eines Flaggoffiziers gewöhnen und verstanden schon gar nicht, daß er sich nicht seinem Rang entsprechend kleidete. Wie die anderen Offiziere trug Bolitho lediglich ein Hemd, offen bis zur Brust, und Breeches. Nur zu gern hätte er auch diese abgelegt, um sich bei der Hitze Erleichterung zu verschaffen. Aber das wäre denn doch zu weit gegangen.

Er blickte nach oben und studierte ein Segel nach dem anderen. Im Augenblick standen alle voll, trotzdem konnten sie jederzeit wieder kraftlos einfallen — wie die meiste Zeit, seit sie Boston verlassen hatten.

Daran dachte Bolitho nicht gern zurück. Warum hatte Nancy geschrieben und nicht Belinda? Traf zu, was Keen gesagt hatte, oder sollte der Brief ihn nur auf noch schlechtere Nachrichten vorbereiten?

Belinda war also krank. Es konnte auch ein Übel aus ihrer Zeit in Indien sein, wo sie ihren kranken ersten Mann bis zu seinem Tode gepflegt hatte.

Bolitho wanderte auf den weißgescheuerten Decksplanken auf und ab, die in den 21 Jahren, die das Schiff schon auf dem Buckel hatte, von Tausenden nackter Füße geglättet worden waren.

Gewaltsam verdrängte er Falmouth aus seinen Gedanken, aber statt dessen fiel ihm sein Neffe ein.

Bolitho hätte alles darum gegeben, noch in Boston bleiben zu können, um auf weitere Nachrichten von Belinda zu warten und darauf, daß Adam an Bord zurückkehrte. Ihm die Reise nach Newburyport zu erlauben, war ohnehin ein Fehler gewesen. Vielleicht hatte Keen auch in diesem Punkt recht gehabt, genau wie Browne. Er hätte nicht einen so nahen Verwandten zu seinem Adjutanten machen dürfen.

Keen trat zu ihm an die Reling.»Der Wind steht durch, Sir«, meinte er.

Acht Tage — die längsten Tage, an die Keen sich erinnern konnte — hatte er das Schiff nach Süden gequält und jeden Fetzen Tuch gesetzt, um wenigstens einen Knoten mehr Fahrt herauszuholen. Trotzdem hatten sie nur jämmerliche Etmale[8] erzielt, und er glaubte zu spüren, daß Quantock ihn ständig mit dem früheren Kommandanten verglich. Das Mißvergnügen seines Ersten scherte Keen wenig, mehr bekümmerte ihn schon der Umstand, daß Bolitho kein einziges Wort der Kritik geäußert hatte. Aber auch er mußte wissen, daß der Wind in dieser Weltgegend ein unzuverlässiger Geselle war und einen meist gerade dann in Stich ließ, wenn man ihn am dringendsten brauchte.

Bolitho blickte zum Verklicker auf, der unlustig flappte.

«Also morgen, Val.»

«Aye, Sir. Mr. Knocker hat mir versichert, daß wir um Mittag auf der Höhe von San Felipe stehen, wenn der Wind so bleibt. «Keens Stimme hörte man die Erleichterung an.

Bolitho blickte hinaus auf die schwach bewegte See, aus der ab und zu eine Gischtfeder wuchs, die ein springender Fisch aufwarf. Wie Keen hatte er die See- und Landkarten von San Felipe so eingehend studiert, daß er sie auch geschlossenen Auges vor sich sah: fünfzig Meilen lang, aber höchstens zwanzig Meilen breit, wurde die Insel von einem erloschenen Vulkan beherrscht und wies an ihrer Südseite einen weitläufigen Naturhafen auf. Gefährliche Riffe verwehrten die Zufahrt von Norden her, und ein weiterer Korallengürtel schützte die kleine Nebeninsel auf der gegenüberliegenden Seite. Ein großartiges Versteck, auch ohne die alte Festung, die die Einfahrt nach Rodney's Harbour beherrschte. An Süßwasser bestand kein Mangel, und die reiche Ernte an Zuckerrohr und Kaffeebohnen erhöhte noch den Wert der Insel. Wieder ertappte sich Bolitho bei dem Gedanken, daß er Gouverneur Rivers' Meinung teilte: Es war widersinnig, die Insel den Franzosen zurückzugeben.

Keen sagte gerade:»Bei dieser Windrichtung werde ich den Hafen von Südost ansteuern, Sir. Bin froh, daß wir nicht im Dunkeln einlaufen müssen.»

Das klang beiläufig, aber Bolitho hörte doch Keens Sorge um sein Schiff heraus. In den Gewässern um San Felipe verkehrten Briggs und Schoner, aber ein Linienschiff, auch wenn es nur ein kleiner 64er war, brauchte mehr Platz zum Manövrieren.

«Ich möchte so bald wie möglich an Land gehen und beim Gouverneur vorsprechen«, sagte Bolitho.»Wir wissen, daß Duncan einen Wortwechsel mit ihm hatte.»

Auf dem Seitendeck sah Bolitho Midshipman Evans am Segelmacher und seinen Gehilfen vorbeihasten; der Junge wandte sich um und starrte zum Achterdeck zurück, dann lief er so schnell er konnte weiter und verschwand im nächsten Niedergang.

«Heute nacht ist wieder einer von den Verwundeten der Sparrow-hawk gestorben, Sir«, berichtete Keen.

Bolitho nickte. Noch ein Opfer. Die Segelmacher würden es in eine alte Hängematte einnähen, damit es bei Sonnenuntergang bestattet werden konnte.

«Midshipman Evans soll sich bei meinem Sekretär melden«, wies er Keen an.»Die Arbeit für mich wird ihn ablenken.»

Damit wandte er sich um und marschierte auf und ab, bis ihm das Hemd klitschnaß am Leib klebte.

«An Deck!»

Keen blickte in die Takelage auf, mußte aber die Augen vor der grellen Sonne beschatten.

Aus dem Krähennest im Großmast sang der Ausguckposten:»Land in Lee voraus!»

Mit einem Grinsen wandte sich Keen dem Master zu.»Gut gemacht, Mr. Knocker. Wir bleiben auf diesem Bug, bis wir die Hafeneinfahrt anliegen können.»

Knocker grunzte nur; sein hageres Mönchsgesicht verriet weder Genugtuung noch Ärger.

«Ich lasse den Toten während der Hundewache über Bord gehen, Sir. «Quantock konnte sich trotz seiner Größe und Unbeholfenheit manchmal so lautlos bewegen wie eine Katze.

Keen fuhr herum und bemühte sich, die Abneigung gegen seinen Stellvertreter zu unterdrücken.

«Wir werden ihn mit den gebotenen Ehren bestatten, Mr. Quantock. Lassen Sie die Freiwache in der Abenddämmerung nach achtern purren.»

Der Leutnant zuckte mit den Schultern.»Wenn Sie meinen, Sir? Schließlich war er nicht einer von uns.»

Keen sah, wie Yovell den kleinen Midshipman in die Achterkajüte führte, und sagte scharf:»Er war ein Mensch, Mr. Quantock!»

Als die Nacht über die Kimm kroch und das langsam dahinziehende Schiff einzuhüllen begann, erwies die Achates ihrem Toten die letzte Ehre.

Bolitho hatte seine Uniform angelegt und stand neben Keen, der im Licht einer Windlaterne einige Sätze aus der Bibel verlas, obwohl er sie wahrscheinlich auswendig kannte. Bolitho sah, daß der Bootsmannsgehilfe, der die Laterne hielt, jener Mann von der alten Lysan-der war, mit dem er Erinnerungen über die Schlacht von Abukir ausgetauscht hatte.

Am nächtlichen Horizont war die Insel bereits verschwunden. Den ganzen Tag war sie langsam über die scharfe, dunkelblaue Kimm gestiegen, hatte an Kontur und Breite zugenommen, als wachse sie ihnen entgegen.

«Machen Sie weiter, Mr. Rooke«, sagte Keen.

Bolitho hörte den Toten von der Gräting rutschen und mit lautem Klatschen neben der Bordwand aufschlagen; von einer Kanonenkugel beschwert, trat er nun seine letzte Reise zum Meeresgrund an.

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8

Etmal = die von Mittag bis zum nächsten Mittag zurückgelegte Strecke