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Aber dann fanden die ersten Draggen Halt an Land, und als die Männer wasserspuckend und fluchend über Bord zu klettern begannen, hörte Bolitho ein weit entferntes Trompetensignal.

Wieder rief er sich das Bild der Küste ins Gedächtnis; dann wandte er sich um, weil ein weiteres Te ilstück der driftenden Sperre explodiert war und nun lichterloh brannte.

Inzwischen mußte ganz Georgetown alarmiert sein.

Von den Festungsmauern herab begannen Musketen zu knallen, aber die Kugeln zischten wirkungslos durch den Sprühregen der Brandung.

«Sammeln, Mr. Mountsteven!»

Der Leutnant konnte nur schwer den Blick vom Wrack der gestrandeten Yawl losreißen. Als Fluchtfahrzeug war sie nicht mehr zu gebrauchen. Irgendwer stieß einen heiseren Hochruf aus, wurde aber sofort von einem Unteroffizier zum Schweigen gebracht.

Doch Bolitho wäre selbst gern in Jubelrufe ausgebrochen. Denn die beiden Kutter der Achates pullten mit einem Höllentempo durch die letzten brennenden Reste der Schwimmsperre, und die gekreuzten weißen Brustriemen der Marinesoldaten leuchteten hell herüber.

Im Bug des einen Kutters krachte trocken ein Musketenschuß, gefolgt von einem scharfen Kommando, das durchs Sprachrohr geisterhaft verstärkt wurde.

Der Kutter hielt direkt auf ein Boot des Gouverneurs zu; wahrscheinlich hatte es den unglücklichen Leutnant Trevenen an Bord, der gegen Masters ausgetauscht werden sollte. Wenn sie ihn nun für den Überfall büßen ließen…

Bolitho verdrängte diesen Gedanken, als Mountsteven meldete:»Alle Mann vollzählig, Sir!»

«Weitermachen! Und zwar im Eiltempo zur Straße, die in die Stadt führt. Dort sollen sich die Männer zwischen den Felsen so verteilen, daß sie den Gegenangriff aufhalten können, bis uns die Marinesoldaten zu Hilfe kommen.»

Obwohl sich seine Gedanken fast überschlugen, mußte Bolitho über sich selbst lächeln. Da stand er und kommandierte wie ein Infanteriegeneral, nicht wie ein Marineoffizier mit einer Handvoll Leute und der Hoffnung auf Unterstützung durch Seesoldaten, die sich vielleicht niemals bis zu ihnen durchschlagen konnten.

Aber schon rannte er mit den Matrosen zwischen Felsen und Gebüsch landeinwärts; im stürmischen Wind peitschten Äste nach ihnen, als wollten sie die Eindringlinge verjagen.

«Hierher, Sir!»

Das war Christys Stimme. Bolitho ließ sich neben ihn fallen und schnappte keuchend nach Luft, als der Schmerz durch sein verletztes Bein zuckte.

Christy prüfte seine Pistolen und hatte das Entermesser schon blankgezogen.

Bolitho sah die anderen geduckt in Deckung rennen, während jetzt stärkeres Musketenfeuer über ihren Köpfen knatterte. Wo mochte Rivers gerade sein? In seinem prächtigen Haus oder oben im Fort, wo er sich fragte, ob plötzlich alle Welt verrückt geworden war?

Bolithos Finger krallten sich in den nassen Boden. Alles hing jetzt von Allday ab. Vielleicht war er von einem Wachboot abgefangen worden wie vorhin der Kutter? Trotzdem würde Keen jetzt Anker lichten und die brennenden Wrackteile der Hafensperre nicht aus den Augen lassen; bisher waren sie seine einzige Hilfe beim Unterscheiden von Wasser und Fels.

Aber bald mußten auch diese Richtfeuer erlöschen.

Eine Stimme bellte Befehle, dann krachte eine Salve, als die Seesoldaten vom Hang aus die Festung unter Feuer nahmen.

Scott, der Dritte Offizier und einer der Erfahrensten an Bord, rief:»Nachladen! Ruhig Blut, Jungs!»

Bolitho verdrängte den Gedanken an Keens Hilflosigkeit, wenn der Anker erst aus dem Grund gebrochen war und das Schiff sich blind durch die Dunkelheit tasten mußte. Ohne den Landungstrupp und mindestens drei seiner besten Offiziere war er außerdem gefährlich knapp an Leuten.

Neben ihm glommen Christys Augen auf wie zwei Kohlenstückchen; er wandte sich um und sah am Rand der Bojenreihe im Hafen eine Feuersäule in die Höhe schießen.

Allday hatte es geschafft! Die brennenden Fackeln leuchteten hell durch die Nacht, von seinen Bootsgasten auf einer Festmacherboje angelascht und entzündet; wenn dieses Bündel erlosch, würde das nächste aufflackern.

Und dann rollte der erste Kanonendonner über die Reede. Niemand sah die Kugel einschlagen, aber sie flog wahrscheinlich genau über die Boje, die Rivers mit so beiläufiger Drohung bezeichnet hatte.

Masters kam herangerobbt und ließ sich neben Bolitho fallen. Sein ganzer Körper flog vor Angst, ohne daß er es verhindern konnte.

Bolitho warf ihm einen Blick zu.»Welchen Tag haben wir heute, Mr. Masters?«Masters mußte schlucken.»Den neunten Juli, glaube ich, Sir «stammelte er.

Er wäre aufgesprungen, hätte Christy ihn nicht in Deckung gezogen. Aber Bolitho hatte es ebenfalls gehört: fernen Trommelwirbel und den schrillen Klang der Querpfeifen.

Er sah sie vor sich: seine Marinesoldaten, die — vom starken Wind gezaust — auf der holprigen Straße heranmarschierten, vorneweg die Offiziere und dahinter mit exaktem Abstand die kleinen Trommelbuben, wie bei der Parade. Nur daß sie auf einer Straße paradierten, die keiner von ihnen je gesehen hatte und auf der mancher auch nicht zurückkehren würde.

Bolitho zwang sich, den unterbrochenen Faden wieder aufzunehmen.»Dieses Datum ist wichtig, Mr. Masters«, sagte er.»Wir wollen es uns gut merken.»

Er wandte den Kopf, als ein neues Richtfeuer für die Achates aufflammte, aber diesmal sah er es nur verschwommen. Da stieß er den Degengriff neben seinem gesenkten Kopf in den Boden und flüsterte:»Wir werden siegen! Wir müssen siegen!«Es klang wie eine Beschwörung.

Keen rannte die Leiter zum Hüttendeck hinauf und klammerte sich an die Heckreling, weil der Wind ihn von Deck zu fegen drohte; er kam genau von vorn ein und heulte durchs Rigg wie tausend losgelassene Teufel.

Keens Verstand wehrte sich dagegen, die knappen Zeiten und Distanzen zu berechnen, die Achates noch verblieben, sobald der Buganker erst ausgebrochen war. Schwach hörte er von vorn das Klicken der Ankerwinsch, die heiseren Rufe der Deckoffiziere, die auf den entscheidenden Augenblick warteten.

Als Keen sich wieder dem Hüttendeck zuwandte, brannte sein vom Wind gepeitschtes Gesicht wie Feuer. Schemenhaft sah er unten das große Rad und die Rudergänger, daneben den Master und einen Mids-hipman. Andere Männer der Achterdeckswache hielten sich an den Besanbrassen bereit, ihre nackten Oberkörper schimmerten wie nasser Stein im schwachen Licht.

Gleich… Gleich hieß es, jetzt oder nie. Oft genug hatte Keen das in der >Gazette< oder in einem Admiralitätsbericht gelesen: ein Kriegsschiff Seiner Majestät war gestrandet und verlorengegangen, und das Seegericht fällte später seinen Spruch, wonach. Stopp. Er mußte seine Phantasie zügeln. Laut rief er, das Heulen des Windes übertönend:»Alles klar, Mr. Quantock?»

Der große, hagere Erste kämpfte sich, schräggeneigt gegen den Wind und das krängende Deck, auf den Kommandanten zu.

«Das hat doch keinen Zweck, Sir!»

Wütend fuhr Keen zu ihm herum.»Nicht so laut, Mann!»

Quantock beugte sich vor, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.»Aber der Master ist derselben Meinung. Es wäre Wahnsinn. Das schaffen wir einfach nicht. «Keens Schweigen schien ihn zu ermutigen.»Niemand kann Sie dafür tadeln, daß Sie das Schiff nicht riskieren wollten. Uns bleibt immer noch Zeit zum Aufkreuzen.»

«Der Anker ist kurzstag, Sir!«Die Meldung fuhr zwischen sie wie ein Axthieb.

«Zeit? Wofür bleibt uns Zeit — zu feiger Flucht? Verdammt sollen Sie sein!»

Keen wandte sich ab und schritt zu den Finknetzen, sah einige Matrosen ihn ängstlich beobachten.

Aber Quantock ließ nicht locker.»Kapitän Glazebrook hätte niemals. «Weiter kam er nicht.

«Er ist tot!«Keen schrie es fast.»Aber wir leben. Verlangen Sie etwa von mir, daß wir unseren Admiral und die Kameraden da draußen im Stich lassen, bloß weil es gefährlich für uns wird? Ist das der Rat, den Sie mir geben, Mr. Quantock?«Es tat ihm wohl, seinen Zorn und seine Verbitterung herauszuschreien.»Eher schicke ich Sie, den Master und alle anderen zum Teufel, als daß ich den Schwanz einziehe und feige davonrenne!»