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Schiff.»

Bolitho trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.»Sie bekommen Ihr Schiff, glauben Sie mir.»

Tyrrell seufzte tief auf.»Dafür bringe ich Sie zu dem verdammten Spanier!»

Bolitho warf Keen einen Blick zu, aber dem schien es vor Erstaunen die Sprache verschlagen zu haben.

Es war zwanzig Jahre her — und trotzdem so frisch, als wäre es erst gestern gewesen.

X Verkörperung der Treue

«Herrgott noch mal, Allday, mach die Luke zu!»

Bolitho beugte sich wieder über die Seekarte von San Felipe mit den benachbarten Küstenabschnitten Kubas und Haitis; seine Finger trommelten auf den exakten Kursberechnungen und Tiefenangaben.

Aber bei den geschlossenen Fenstern und Luken wurde es in der Kajüte bald heiß wie in einem Backofen. Außerdem war es sinnlos, die Geräusche ließen sich nicht aussperren; immer noch hörte Bolitho laut und deutlich Black Joe Langtry die Schläge mitzählen, die der Profos mit der neunschwänzigen Katze austeilte.

Bolitho fand es selbst merkwürdig, daß er sich mit der Prügelstrafe immer noch nicht abgefunden hatte, diesem Allheilmittel jedes Kommandanten bei Verstößen gegen die Disziplin.

Ein Trommelwirbel, danach eine kurze Pause und schließlich wieder das scheußliche Klatschen der Peitsche auf einem nackten Rücken.

Bolitho starrte blicklos auf die Karte nieder, bis seine Augen schmerzten.

«Zehn!«Erneut Langtrys rauhe Stimme.

Keen und seine Offiziere mußten da oben sein und zusehen, obwohl auch ihnen dieser Strafvollzug zuwider war. Aber auf einem Kriegsschiff, das allein segelte und von niemandem Unterstützung erwarten konnte, mußte der ständig drohenden Gefahr des Aufruhrs mit drakonischen Strafen vorgebeugt werden.

Drei verläßliche Matrosen hatten an Land für den Zahlmeister gearbeitet und waren desertiert. Aber die Inselmiliz hatte sie bald aufgestöbert und wieder an Bord gebracht. Offenbar hatten sie auf einer Plantage ein paar Halbblutmädchen kennengelernt, und was darauf folgte, war nur zu alltäglich.

Wieder das Klatschen.»Elf!»

Jetzt zahlten sie den Preis für ihr kurzes Vergnügen. Keen hatte die Mindeststrafe von vierundzwanzig Peitschenhieben pro Deserteur verhängt, aber auch sie reichte schon aus, einen Rücken in rohes Fleisch zu verwandeln.

Um sich abzulenken, dachte Bolitho an Tyrrell. Er war wieder auf seine Vivid zurückgekehrt, um die Sturmschäden zu beheben und die Narben auszubessern, die der Beschuß der spanischen Drehbassen hinterlassen hatte.

Sein plötzliches Auftauchen hatte Bolitho mehr aus dem Gleichgewicht gebracht, als er sich eingestehen wollte. Seither verfolgte ihn die Erinnerung an die lange zurückliegenden, gemeinsamen Erlebnisse, an die kleine Sparrow und die schicksalhafte Rolle, die das Schiff für sie beide gespielt hatte.

Würden die alten Bilder ihn denn auf ewig verfolgen?

Erst letztes Jahr war die Fregatte Phalarope, Bolithos zweites Schiff, wie ein Gespenst aus der Vergangenheit aufgetaucht und in seinem Geschwader mitgesegelt; und nun suchte ihn die Erinnerung an die alte Sparrow heim.

War er damals wirklich glücklicher gewesen, wie ihm die Erinnerung jetzt vorgaukelte? Mit weniger Verantwortung, aber eher bereit, das Leben zu riskieren, sogar zu verlieren, nicht in dieser ständigen Sorge um seinen Ruf?

Die Trommeln an Deck verstummten, die Auspeitschung war beendet.

Er kannte Tyrrell besser als die meisten, hatte ihm beigestanden, als ihm das Bein unterm Leib weggeschossen worden war. Aber jetzt war er nur noch ein Zerrbild des Offiziers von damals. Auf den ersten Blick ein harmloser Alter, der typische kleine Handelskapitän, der überall Gerüchte über das Kommen und Gehen der großen Kriegsschiffe aufschnappte. Der Skipper eines so kleinen Frachtseglers scherte sich wenig um ihre Nationalitäten oder Flaggen, sie waren für ihn alle gleich bedrohlich. Immer auf der Suche nach erfahrenen Seeleuten, obwohl das gewaltsame Pressen nicht mehr üblich war. Aber wen kümmerte schon das Schicksal eines schanghaiten Matrosen, wenn man davon überhaupt jemals erfuhr?

Auch bei eindringlicher Befragung hatte Tyrrell auf seiner Beschreibung des mächtigen Zweideckers beharrt: ohne Flagge, ohne Namen, war er doch bekannt bei den spanischen Fregatten aus Santo Domingo, ja selbst aus dem Hunderte von Meilen südlicher gelegenen La Guaira; alle kannten und mieden ihn.

Dieses geheimnisvolle Schiff, das ohne zu zögern Keens List mit Kanonenschüssen beantwortet und die Sparrowhawk erbarmungslos abgeschlachtet hatte, mußte mit einem bestimmten Auftrag in der karibischen See und ihren Zugängen segeln; ein Auftrag, für den sein Kommandant notfalls auch das Äußerste riskierte.

Bolitho hörte Allday wieder das Oberluk öffnen und war sich bewußt, daß dieser ebenso wie Ozzard und alle anderen, die in seine Nähe kamen, wie auf Katzenpfoten um ihn herumschlichen.

Er sah seinen bulligen Bootsführer an und hob hilflos die Schultern.»Ich frage mich selbst, was mit mir los ist«, sagte er entschuldigend.

Allday nickte mit einem wissenden Lächeln.»Es ist das Warten, Sir, das macht einen fertig.»

«Kann sein.»

Wieder wandte Bolitho sich der Seekarte zu. Es war jetzt eine Woche her, seit Vivid eingelaufen und Tyrrell aus der Vergangenheit aufgetaucht war. Ohne Unterstützung durch ein zweites Schiff wagte Bolitho nicht, San Felipe sich selbst zu überlassen. Rivers' Sympathisanten, für deren Existenz es immer noch genügend Beweise gab, mochten einen Gegenangriff starten. Bolitho konnte es ihnen nicht einmal verdenken, denn wenn die Franzosen erst eintrafen, mußten sie alle ihre Häuser und Plantagen verlassen. Vielleicht hatte Keen völlig recht gehabt: wenn Rivers gehenkt wurde, war der Rebellion die Spitze genommen.

Aber Rivers besaß einflußreiche Freunde in Amerika und in London. Auch wenn er Bolithos Meinung nach nur ein Pirat wie alle anderen war, mußte doch ein ordentliches Gerichtsverfahren in London stattfinden, damit die Seelords das auch beweisen konnten.

Außerdem — wenn Tyrrell recht hatte und der unbekannte Zweidek-ker einen Überfall auf San Felipe vorbereitete, dann wäre es Torheit gewesen, den Hafen ohne Schutz zu lassen. Achates hatte selbst bewiesen, wozu ein Schiff fähig sein konnte, wenn ein hoher Einsatz winkte.

Die Tür ging auf, und Adam betrat die Kajüte.

Seit ihrem Wiedersehen war eine Woche vergangen, und doch hatten sie nur wenige Worte gewechselt. Bolitho spürte, daß Adam etwas vor ihm verbarg. Oder vielleicht war er selbst zu beschäftigt und in Gedanken gewesen, um das Vertrauen des jungen Leutnants zurückzugewinnen?

«Signal von der Festungsbatterie, Sir«, meldete Adam.»Die Brigg Electra hält auf den Hafen zu und sollte binnen einer Stunde hier Anker werfen.»

«Danke, Adam.»

Bolitho erinnerte sich noch gut an ihren jungen Kommandanten, der ihm vom Auffinden der Sparrowhawk-Überlebenden berichtet hatte, übernommen von dem amerikanischen Handelsschiff. Napier, so hieß er. Er mußte jeden Fetzen Tuch gesetzt haben, wenn er inzwischen bis Antigua und dann westwärts nach San Felipe gesegelt war. Durfte er hoffen, daß Electra als Repräsentantin britischer Staatsgewalt im Hafen bleiben und die Aufsässigen in Schach halten würde? Sie war zwar nur eine kleine Brigg, segelte aber unter der gleichen Flagge wie Achates. Bolitho vermutete, daß vielen Inselbewohnern selbst ein länger anwesendes britisches Kriegsschiff noch lieber war als ein französisches oder spanisches, das aus dem unbewachten Zugang seinen Vorteil zog.

Er trat zu den Heckfenstern und beschattete seine Augen mit der

Hand.

«Laß dem Kommandanten der Electra signalisieren, daß er sich gleich nach dem Ankerwerfen bei mir melden soll.»

Adam lächelte zurückhaltend.»Ich habe die Festung schon ersucht, dieses Signal an Electra weiterzugeben, Onkel.»