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Bolitho wandte sich um und hob die Hände.»Eines schönen Tages wirst du noch mal einen tüchtigen Kommandanten abgeben, mein Junge.»

Keen betrat die Kajüte und ließ sich auf Bolithos Wink in einen

Stuhl fallen.

«Ich frage mich, was sie uns Neues bringt, Sir.»

Dankbar nahm er ein Glas Wein entgegen und setzte es durstig an. Es war Rheinwein aus Ozzards heimlichem Vorrat in den Bilgen, den er seit England wie einen Schatz hütete.

«Mir sind alle Neuigkeiten recht. Manchmal komme ich mir hier wie ein Taubstummer vor.»

«Vielleicht rufen Ihre Lordschaften uns zurück«, überlegte Keen.

Bolitho ging nicht darauf ein.»Adam, ein Signal an Vivid«, sagte er.»Oder besser, laß dich übersetzen und sprich selbst mit Mr. Tyrrell. Ich möchte, daß er an Bord ist, wenn wir auslaufen.»

Keen wartete, bis die Tür sich hinter Adam geschlossen hatte, dann stellte er sein Glas bedächtig ab.»Gestatten Sie mir eine Bemerkung,

Sir?»

«Sie sind mit meiner geplanten Taktik nicht einverstanden, wie?»

Keen lächelte knapp.»Sie gehen damit ein sehr hohes Risiko ein. Ein doppeltes sogar, um genau zu sein. «Als Bolitho schwieg, fuhr er fort:»Dieser Tyrrell — wieviel wissen Sie denn schon von ihm?»

«Er war mein Erster Offizier. «Keen nickte nur.»Sie meinen, nach zwanzig Jahren ist das ein bißchen wenig?»

Keen hob die Schultern.»Schwer zu sagen, Sir. Er hat sich ja selbst als einen verzweifelten Mann bezeichnet, der seine Familie und seinen guten Ruf verlor, weil er lieber für den König als für Washington kämpfen wollte.»

«Und weiter?«Bolitho merkte, daß Allday den Atem anhielt.

«Angenommen, wir stoßen auf den Spanier und zwingen ihn zu einem Gefecht — wie verhalten wir uns, wenn er seine wahre Flagge zeigt? Möchten Sie der Zündfunke zu einem neuen Krieg sein?»

«Und das zweite Risiko?»

Keen äußerte seine Bedenken völlig zu recht. Trotzdem fühlte Bo-litho sich dadurch noch einsamer als zuvor.

«Zweitens steht zu befürchten, daß der Spanier — falls er sich überhaupt noch in diesen Gewässern aufhält — nur darauf wartet, daß wir den Hafen verlassen, damit er Achates' Rolle hier übernehmen kann. Dann müßten wir uns den Rückweg teuer erkämpfen, nicht gegen ein paar unerfahrene Pflanzer und die Inselmiliz, sondern gegen ein Kriegsschiff mit erfahrener Besatzung. Meiner Ansicht nach übersteigt dieses doppelte Risiko den möglichen Gewinn. «Keen senkte den Blick.»Tut mir leid, Sir, aber das mußte gesagt werden.»

Bolitho lächelte trübe.»Ich weiß, welche Überwindung es Sie gekostet hat. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube nicht, daß ein Risiko jemals genau vorherberechnet werden kann. Ich will meine Leute nicht in einen sinnlosen Tod hetzen, ich will auch nicht zwischen den Zangen und Sägen auf dem Tisch eines Schiffsarztes enden. Ich besitze viel, wofür zu leben lohnt — endlich wieder. Aber…»

Grinsend nahm Keen sein nachgefülltes Weinglas von Ozzard entgegen.»Aye, Sir, das große Aber. Es ist nur ein kleines Wort, aber das stärkste Argument gegen die bessere Einsicht.»

Bolitho klopfte mit dem Messingzirkel auf die Seekarte.

«Ich bin überzeugt, dieses Schiff hält sich in der Nähe auf, genau wie Jethro Tyrrell behauptet. Es muß eine starke Besatzung haben, deshalb braucht es einen Hafen als Basis, um sich zu verstecken, während der Kommandant Auskünfte über uns einholt. Und da wir rundum von Feinden umgeben sind, dürfte er dabei keine Schwierigkeiten haben. «Keen erhob sich und trat an den Kartentisch.

«Falls Tyrrell recht hat«, sagte er,»müßte sich das für uns bei einem Krieg erschwerend auswirken. «Er fuhr mit dem Finger an der Inselkette entlang: Puerto Rico, Santo Domingo, Haiti, Kuba.»Die Spanier würden alle Zufahrtswege in die Karibik und nach Jamaika beherrschen. «Begreifend nickte er.»Und in der Durchfahrt zwischen Kuba und Haiti liegt wie eine Zugbrücke San Felipe. Kein Wunder, daß die Franzosen es unbedingt haben wollen. Sie brauchen zwar Verbündete, aber deshalb trauen sie ihnen noch lange nicht über den Weg.»

Noch immer standen beide Männer über die Seekarte gebeugt, als ein Midshipman eintrat und Electras Ankunft meldete. Keen knöpfte seinen Rock zu.

«Ich gehe Kapitänleutnant Napier begrüßen, Sir. «Und mit einem letzten Blick auf den Kartentisch:»Ganz überzeugt bin ich noch nicht,

Sir.»

Bolitho lächelte.»Sie werden mir bald recht geben.»

Er ließ sich von Ozzard in seinen Dienstrock helfen, zu Ehren des jungen Kommandanten der Electra.

Bald war er schweißgebadet und sah sehnsüchtig auf das blaue Wasser hinaus, das sich vor den Heckfenstern sanft hob und senkte; könnte er doch jetzt ein erfrischendes Bad darin nehmen! Und sofort mußte er wieder an Belinda denken. Er hatte versucht, jeden wachen Augenblick mit Arbeit auszufüllen, um sie aus seinen Gedanken zu verbannen, konnte aber nicht ganz verhindern, daß ihr Bild und das Bewußtsein der großen Entfernung, die sie trennte, ihn immer wieder übermannten.

Draußen hörte er Schritte und gedämpfte Stimmen. Er mußte sich zusammenreißen, um seinet- wie um ihretwillen.

Bald, vielleicht schon sehr bald, stand ihnen ein Gefecht bevor, diesmal nicht heraufbeschworen durch eine Zufallsbegegnung oder räuberischen Piratenübermut. Das unbekannte Schiff hatte ihnen schon gezeigt, daß es nichts nützte, im Recht zu sein. Rechtmäßigkeit allein war kein Schutz, dafür gab es schon viele tote Zeugen.

Er wandte sich der Tür zu. Wenn im Krieg erst die Kanonen sprachen, dann taten sie das völlig indifferent gegenüber Gut und Böse. Ihre Breitseiten radierten alle aus, ob sie es nun verdienten oder nicht.

Kapitänleutnant Napier trat ein, eine glänzende neue Epaulette auf der linken Schulter, und salutierte.

Bolitho nahm den schweren Briefumschlag aus seiner Hand entgegen und reichte ihn an Yovell weiter.

«Sie hatten eine schnelle Überfahrt, Kapitänleutnant Napier.»

Aber Bolitho mußte sich gedulden, bis Napier zu einem Stuhl geleitet und mit einem Glas Wein versorgt worden war.

Dann berichtete er:»In English Harbour auf Antigua liegen kaum noch Schiffe, lediglich zwei Fregatten und ein Linienschiff dritter Klasse, das aber überholt wird. Der Admiral hat das Geschwader zu den Inseln unter dem Winde verlegt, Sir. «Napier mußte unter Bo-lithos Blick schlucken.»Er läßt Ihnen durch mich seine Hochachtung übermitteln und seine besten Wünsche, Sir.»

Bolitho hörte, wie Yovell die Siegel auf dem Leinwandumschlag aufbrach, und wäre am liebsten hinübergerannt, um ihm die Depeschen aus den Händen zu reißen. Aber wenn der Admiral sich aus dem

Staub gemacht hatte, war er hilflos. Kommodore Chater war ihm nicht ganz unbekannt, er wußte genug über ihn, um keine große tapfere Geste von ihm zu erwarten, die ihm das Mißfallen seiner Vorgesetzten einbringen konnte.

Heiser fügte Napier hinzu:»Ich wurde angewiesen, Electra zu Ihrer Verfügung zu stellen. Als Chater vom Verlust der Sparrowhawk hörte, wollte er Ihnen einige Marinesoldaten schicken, um Ihre Mannschaft zu verstärken.»

Bolitho nickte.»Aber auch die Marinesoldaten waren mit dem Geschwader ausgelaufen, habe ich recht?»

«Aye, Sir«, antwortete Napier betreten. Aber dann hellte sich sein Gesicht auf.»Statt ihrer bringe ich Ihnen einen Zug Infanteristen,

Sir.»

«Immerhin etwas«, murmelte Keen, der mit Napier eingetreten war.

Bolitho wandte sich den Fenstern zu, um diese Bruchstücke gedanklich zu verarbeiten.

Unbefangen sprach Napier weiter.»Aber die Soldaten haben Sie sicherlich schon erwartet, Sir. Der Kommodore ließ es Ihnen ja durch die Kurierbrigg mitteilen, die zwei Tage vor mir auslief.»

Bolitho fuhr herum.»Was sagen Sie da?»

Napier wurde blaß.»Ein Kurier, Sir. Mit Depeschen für den Admi-ral auf Antigua und für Sie, Sir. «Hilfesuchend sah er zu Keen hinüber.»Depeschen aus England, Sir.»