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Keen konnte sich nicht mehr beherrschen.»Sie hatten also doch recht, Sir!«rief er aus.»Die müssen auch die Kurierbrigg abgefangen und versenkt haben.»

Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken und grub sich die Fingernägel ins Fleisch, bis der Schmerz ihm half, seine Enttäuschung zu zügeln.

Depeschen aus England, eine Nachricht von Belinda. Aber jetzt.

Er fixierte Keen.»Sind Sie endlich überzeugt?»

Ohne die Antwort abzuwarten, fragte er Napier:»Haben Sie einen tüchtigen Ersten Offizier?»

Das alles ging über Napiers Horizont. Stundenlang hatte er auswendig gelernt, was er Bolitho sagen wollte, hatte sich in seine beste Uniform geworfen. Und jetzt war alles anders gekommen, alles umsonst gewesen. Er kam sich vor wie jemand, der einem Freund die Tür öffnen wollte und einem Irren gegenüberstand.

Immerhin brachte er ein Nicken zustande.»Aye, Sir. Er ist verläßlich.»

«Um so besser. «Bolitho wandte sich wieder an Keen.»Bei erster Gelegenheit lichten wir morgen früh Anker und laufen aus. In der Zwischenzeit werde ich sehen, welchen Honig ich aus den Depeschen saugen kann, die der tapfere Kommodore mir schickt. Aber ehe ich damit beginne«, er schritt zum Tisch hinüber und goß für Napier ein neues Glas Rheinwein ein,»trinken wir alle einen Toast. Auch du, Allday.»

Allday ließ sich von Ozzard ein Glas reichen, fasziniert von dem plötzlichen Stimmungsumschwung im Raum. Bolitho merkte, daß er grinste.

«Einen Toast«, er hob sein Glas,»auf Mr. Napier, den neuen Gouverneur von San Felipe!»

«Südwest zu Süd, Sir!«»Recht so.»

Nur mit halbem Ohr hörte Bolitho Meldung und Bestätigung, er konzentrierte sich ganz auf den violetten, weit ausladenden Schatten am Backbordhorizont. Es war Nachmittag, und die Sonne brannte immer noch erbarmungslos aufs Deck des nur wenig Fahrt machenden Schiffes. Aber nach der bedrückenden Feindseligkeit auf San Felipe fühlten sich alle hier draußen wie neu belebt. Die Stimmung war gut; selbst Mountsteven, der Offizier der Wache, befleißigte sich eines normalen Tonfalls, während er das Trimmen der Breitfock überwachte.

Bolitho richtete sein Teleskop auf das ferne Land: Haiti, das etwa fünfzehn Seemeilen querab liegen mußte. Trotz dieser Entfernung ging eine Drohung von ihm aus. Wenn irgend möglich, mieden die Seeleute seine Küsten mit ihrem Hexenzauber und ihren schauerlichen Riten.

Flaute hatte Achates noch einen Tag länger in San Felipe festgehalten, aber jetzt füllte ein stetiger Nordost ihre Segel, und sie strebte auf die Windward Passage zu, als beseele sie ein eigener Wille. Diese Durchfahrt zwischen Kuba und Haiti war an ihrer engsten Stelle kaum siebzig Meilen breit. Wenn San Felipe in Feindbesitz war, konnte ein Konvoi sich nur unter hohen Verlusten hier ein Durchkommen erzwingen. Je länger er darüber nachdachte, desto unbegreiflicher schienen Bolitho die Befehle, die er in London erhalten hatte.

Er reichte das Glas einem Midshipman zurück und begann, langsam auf dem Achterdeck hin und her zu wandern. Hoffentlich hatte er Kapitänleutnant Napier nicht überfordert. Immerhin schien er in seinem neuen, wenn auch befristeten Amt als Gouverneur überglücklich zu sein. Und mit seiner unter der mächtigen Festungsbatterie verankerten Vierzehn-Kanonen-Brigg und den schneidigen Infanteristen vom 60. Regiment — den Royal Americans, wie sie immer noch genannt wurden — konnte er wenigstens den Anschein von Stärke und Kampfkraft erwecken.

Bolitho sah Leutnant Hawtayne Waffen und Ausrüstung einiger Marine-Infanteristen inspizieren. Ein Glück, daß sie wieder da waren, wo sie hingehörten: an Bord der Achates. Sehr wahrscheinlich wurden sie bald erneut gebraucht.

Mit einem heimlichen Lächeln hörte er die helle Stimme des Marineleutnants schimpfen:»Reiß dich zusammen, Jones! Der Schlendrian an Land ist vorbei!«Sofort hatte Bolitho wieder das Bild des erschossenen Trommelbuben vor Augen; es würde ihn noch lange heimsuchen, das wußte er.

Da hörte er Adams leichten Schritt neben sich und sah ihn abwartend stehenbleiben.

«Und wie geht's meinem Flaggleutnant an diesem schönen Tag?«fragte er.

Adam lächelte; der Augenblick war günstig.

«Miss Robina ist ein wunderbares Mädchen, Onkel. Ich bin noch nie einer Frau wie ihr begegnet.»

Bolitho ließ ihn sein Herz ausschütten, ohne ihn auch nur einmal zu unterbrechen. So standen die Dinge also. Hätte er nicht selbst so viele Probleme gehabt, wäre ihm schon damals klargeworden, daß Adams Ausflug nach Newburyport nicht ein Abschluß, sondern ein neuer Anfang sein würde.

«Hast du ihren Vater um ihre Hand gebeten?»

Adam errötete.»Dafür war es noch viel zu früh, Onkel. Das heißt, ich habe etwas durchblicken lassen über unsere Zukunft, will sagen, über die nicht allzu ferne Zukunft…«Er ließ den Satz unvollendet und starrte ins dunkelblaue Wasser hinunter. Dann raffte er sich auf und sagte:»Ich weiß natürlich, daß sie mich nicht heiraten kann. Und ihr Onkel ist im Bilde. Er war richtig froh, daß er mich auf eines seiner Schiffe abschieben konnte.»

Bolitho sah auf. Vivid gehörte also Chase. Seltsam, daß Tyrrell das unerwähnt gelassen hatte.

«Gehen wir eine Weile auf und ab, Adam.»

Einige Minuten schritten sie schweigend nebeneinander her, während das Schiff sich unter ihnen hob und senkte.

Schließlich begann Bolitho:»Du hast eine Zukunft bei der Marine, Adam. Und zwar eine aussichtsreiche, falls ich ein Wort dabei mitzureden habe. Du kommst aus einer alten Seefahrerfamilie, aber das gilt auch für andere. Denke immer daran, daß du alles bisher Erreichte nur dir selbst zu verdanken hast. Wenn die jungen Offiziere wie du erst an die richtigen Stellen kommen, sollte die Kriegsmarine ein besseres, menschlicheres Gesicht aufweisen als zu meiner Zeit. Wir sind ein Inselvolk und werden Schiffe immer bitter nötig haben, ebenso Männer, die auf ihnen zu kämpfen verstehen.»

Adam erwiderte Bolithos Blick.»Nichts anderes wünsche ich mir, seit ich auf deiner Hyperion als Kadett angeheuert habe.»

Bolitho sah zum Batteriedeck hinunter, wo der Matrose, der ein Auge verloren hatte, von seinen Kameraden begrüßt wurde; unsicher ertastete er sich seinen Weg an einem Achtzehnpfünder vorbei. Er hatte sich immer noch nicht ganz erholt, aber die schwarze Augenklappe gab ihm etwas Verwegenes, und seine Kameraden behandelten ihn als Helden.

Auch Adam hatte ihn bemerkt, bedachtsam suchte er nach Worten.»Männer wie er da unten, Onkel, sind dir wohl ziemlich wichtig, nicht wahr? Du siehst in ihnen nicht nur unwissende Handlanger, sondern sie bedeuten dir etwas.»

Bolitho wandte sich ihm zu.»Ganz sicher tun sie das. Wir dürfen ihre Treue niemals für selbstverständlich halten, Adam. Leider gibt es viele andere, die genau das tun.»

Adam nickte.»Als ich in Vaters altem Sessel saß.»

Leise fragte Bolitho:»In Newburyport, wo er einst mit seinem Schiff Zuflucht suchte?»

Adam wandte den Blick ab.»Sie haben mich hingeführt, Onkel. Als sie meinen Familiennamen hörten, haben sie es gleich erraten. Er ist in Neuengland nicht gerade häufig.»

«Ich freue mich darüber. Du hast also mehr gesehen als ich.»

Bolitho hörte Keen herankommen und war fast dankbar für die Störung. Schmerzlich war nicht nur die Erinnerung an Hugh und an das, was er ihrem Vater angetan hatte, als er desertierte, um mit den amerikanischen Rebellen zu kämpfen; und es war nicht nur das Bewußtsein der Schande, die Rivers so geflissentlich erwähnt hatte. Nein, Bolitho machte sich nichts vor, er war eifersüchtig auf Adams Vater. Und gekränkt, so lächerlich ihm das auch vorkam.

Keen griff grüßend zum Hut.»Mr. Tyrrell ist beim Master im Kartenhaus, Sir. Ich denke, wir sollten uns den nächsten Kartenausschnitt vornehmen. «Er warf einen prüfenden Blick zum klaren Himmel.»Wie es aussieht, sollten wir die ganze Nacht unsere Fahrt beibehalten können. «Das verlegene Schweigen schien er nicht zu bemerken.