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Ihre Verbände gaben wohl nach, denn sie sank jetzt sehr schnell.

Unter Deck mußten die losgerissenen Kanonen die Agonie der Eingeschlossenen noch verstärken.

Bolitho sah Midshipman Evans hinüberstarren auf das Ende; aber sein Gesicht war tränennaß, nicht schadenfroh, und Bolitho wußte, warum.

Evans sah vor sich nicht die gerechtfertigte Vernichtung eines verhaßten Feindes, sondern durchlebte noch einmal den Untergang seiner

Sparrowhawk.

Leise sagte Bolitho:»Kümmere dich bitte um Mr. Evans, Adam. Er macht jetzt eine Krise durch.«. Keen trat heran und griff grüßend zum Hut.

«Wie hoch ist der Blutzoll, den wir dafür bezahlen mußten?«fragte ihn Bolitho.

Aber beide fuhren herum, als die Luft unter einer letzten Explosion erbebte. Das feindliche Schiff drehte wie ein tödlich getroffener Riesenwal den Bauch nach oben und versank.

Gedämpft sagte Keen:»Nicht viel hat gefehlt, dann wären wir jetzt an deren Stelle.»

Bolitho reichte Allday seinen Säbel.»Ich verstehe, Val. Dann ist wohl der Blutzoll noch immer nicht ganz bezahlt.»

ХII Der Brief

Electras jugendlicher Kommandant, Kapitänleutnant Napier, hatte sich mitten in Bolithos Tageskajüte aufgebaut, um seinen Bericht zu erstatten.

In Mißachtung seiner Befehle war Napier mit seiner Brigg ausgelaufen, um dem ramponierten Zweidecker auf den letzten zwei Meilen bis zur Reede von San Felipe das Geleit zu geben.

So sehr er sich auch bemühte, Napier hatte nicht verhindern können, daß seine Blicke neugierig umherschweiften, sowie er den Fuß an Bord gesetzt hatte, Zwischen den in alte Segel eingenähten Toten, die auf ihre Bestattung warteten, gingen die erschöpften, abgerissenen Matrosen ihrer Arbeit nach und hoben kaum den Blick vom Spleißen, Nähen oder von den Taljen, mit denen sie Ersatzteile zu den Toppsgasten in den Rahen hinaufhievten.

Bolitho dachte wieder an die letzten Augenblicke seines Gegners. Immer noch wußte er nicht den Namen des Schiffes. Doch bald würde er ihn erfahren, ebenso den des Kommandanten. Auch wenn die spanische Fregatte so bemüht gewesen war, durch ihr Dazwischenkommen jeden Bergungsversuch Überlebender zu verhindern.

Napier berichtete:»Es kreuzten doch tatsächlich zwei spanische Kriegsschiffe vor der Küste auf. Sie wollten einen Landungstrupp auf der Missionsinsel absetzen.»

Er schien überrascht, daß der Admiral ihn zu diesem Vorfall nicht näher befragt hatte. Aber Bolitho war so müde gewesen, daß er Na-piers sauber abgefaßten Bericht lediglich überflogen hatte.

Nun raffte er sich auf und ging zu den offenen Heckfenstern hinüber, während Achates die Insel ansteuerte. Immer noch roch er Schweiß und Asche, den Gestank des Gefechts, den Todesatem.

«Wie haben Sie sich verhalten?»

Napier erinnerte sich stolzgeschwellt an seine schönsten Augenblik-ke als Gouverneur auf Zeit.

«Ich habe sie verscheucht, Sir. Ließ die Festungsbatterie einen Schuß abfeuern, um ihnen Beine zu machen.»

Ihnen Beine machen. Bolitho hätte gern darüber gelacht, aber er wußte, daß er dann vielleicht nicht mehr aufhören konnte.

Wann und wo würde das alles enden? Tyrrell hatte ihn verraten, oder hatte es jedenfalls bis zum letzten Moment vorgehabt. Und jetzt gierten nicht nur die Franzosen nach der Insel, sondern auch die Spanier.

Keen betrat die Kajüte.»Wir laufen in den Hafen ein, Sir«, meldete er.»Der Wind bleibt stetig aus Südost. «Er wirkte überanstrengt und so ausgelaugt, als fühle er die Blessuren seines Schiffes am eigenen Leibe.

Seit dem Gefecht waren die Pumpen fast nicht mehr verstummt, denn Achates hatte zwei schwere Treffer nahe der Wasserlinie eingesteckt. Und ein >langer Neuner<, wie die Zweiunddreißigpfünder genannt wurden, konnte auf einem 22 Jahre alten Schiff schrecklichen Schaden anrichten.

«Ich komme an Deck. «Bitter fügte Bolitho hinzu:»Einige, die uns von Land aus beobachten, mag es enttäuschen, daß wir immer noch schwimmfähig sind.»

Darüber fielen ihm die beiden spanischen Kriegsschiffe ein, die offenbar Truppen auf einem Territorium an Land setzen wollten, das sie immer noch als ihr Eigentum betrachteten. Wenn Tyrrell es sich nicht in letzter Sekunde anders überlegt hätte, wäre den beiden das große Schiff zu Hilfe gekommen, das jetzt am Fuße eines karibischen Riffes lag.

Napier erbleichte plötzlich.»Ich — ich muß um Vergebung bitten, Sir. Beinahe hätte ich's vergessen. Aber ein Postschiff aus England war da.»

Bolitho starrte ihn an.»Fahren Sie fort«, sagte er scharf.

Napier suchte in seinen Rocktaschen und holte schließlich einen Brief hervor.»Für Sie, Sir. «Unter Bolithos Blicken schien er zu schrumpfen.

Keen sagte knapp:»Kommen Sie mit nach oben, Kapitänleutnant Napier, ich muß über die Reparaturen an meinem Schiff mit Ihnen sprechen…«Doch in der Tür blieb er noch einmal stehen und warf einen Blick auf Bolitho zurück. Dieser hielt seinen Brief in beiden Händen und scheute sich offenbar, ihn zu öffnen.

Als Keen sich abwandte, stieß er fast mit dem Flaggleutnant zusammen.»Warten Sie noch, Adam«, sagte er.»Ein Brief ist gekommen.»

Im halbdunklen Batteriedeck lehnte Allday an einem verschrammten Achtzehnpfünder und spähte durch die offene Stückpforte nach der grünen Landzunge aus, die querab vorbeiglitt. Dort standen Leute, um das besudelte und verkrüppelte Schiff vorbeisegeln zu sehen; aber keiner winkte.

Für Allday war es ein Landfall wie andere auch. Er war schon in so vielen Häfen eingelaufen, daß sich ihr Bild in seiner Erinnerung verwischte. Seufzend gestand er sich ein, daß im Augenblick nur der Brief aus England zählte. Als wäre es gestern gewesen, stand ihm vor Augen, wie er sich mit Bolitho in die verunglückte Kutsche gezwängt und darin eine bildschöne Frau gefunden hatte, die dem Tode näher schien als dem Leben. Sie sah Bolithos verstorbener erster Frau so ähnlich, daß er seinen Augen nicht traute.

Mit schiefgelegtem Kopf lauschte er nun dem Salut, den die Festungsbatterie für sie schoß. Der richtige Willkommensgruß, dachte er, obwohl sie zu viele Kameraden an Bord hatten, die keinen einzigen Schuß mehr hören würden.

Er richtete sich auf, als die Tür klappte und der Wachtposten Haltung annahm.

Bolitho zog den Kopf unter den niedrigen Decksbalken ein und gewahrte dann die wartende Gestalt.

Als er die besorgte Spannung in Alldays Gesicht sah, spürte er seine letzten Kraftreserven schwinden. Die Selbstbeherrschung, zu der er sich während der Lektüre des Briefes gezwungen hatte, die Verzweiflung, die seinen Blick getrübt hatte, all das zehrte jetzt an ihm.

Er hielt inne und lauschte dem Salut, der von Achates' Kanonen erwidert wurde. Dann griff er zu und drückte Alldays Hand.

Heiser fragte sein Bootsführer:»Steht es gut, Sir?»

Noch einmal drückte Bolitho Alldays Hand. Es fügte sich ganz richtig, daß er in diesem Augenblick bei ihm war und somit als erster davon erfuhr.

«Wir haben eine gesunde Tochter, Allday.»

Keiner von beiden wußte, wie lange sie so dastanden. Achates setzte zum letzten Kreuzschlag um die Landspitze an, auf dem Achterdeck intonierten die Pfeifer und Trommler einen munteren Marsch, aber Bolitho war im Geist ganz woanders.

Dann nickte Allday bedächtig; er kostete den Augenblick aus, von dem er wußte, daß er ihm noch oft Gesprächsstoff liefern würde, wenn er einst zum letztenmal den Fuß an Land gesetzt hatte.

«Und Mrs. Bolitho, Sir.»

«Geht es sehr gut. «Bolitho schritt ins Sonnenlicht hinaus.»Sie läßt dich grüßen. «Mit kraftvollen Schritten strebte er dem Achterdeck zu. Jetzt konnte er es mit allen aufnehmen. Konnte alles schaffen. Er sah sich nach Alldays breit grinsendem Gesicht um.»Außerdem hofft sie, daß uns der Dienst in dieser Friedenszeit nicht zu langweilig wird.»