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Keen schien den Hammerschlägen draußen zu lauschen. Insgeheim hatte er von Anfang an seine Bedenken gehabt, weil hier ein leichter Zweidecker mit einer Mission betraut wurde, die ein ganzes Geschwader erfordert hätte. Er verstand sein Land nicht mehr. Statt auf errungene Siege stolz zu sein, schien es sich am Boden zu winden, um alte Feinde nicht erneut gegen sich aufzubringen.

Keen hätte Rivers gehenkt — und mit ihm alle, die für den Tod seiner Matrosen und Soldaten verantwortlich waren. Und zur Hölle mit den Konsequenzen!

Bolitho hatte sich erhoben und spähte jetzt, mit der Hand die blendende Sonne abschirmend, zum fernen Fort hinüber. Als er wieder sprach, klangen seine Worte unbewegt, aber sie fielen schwer in die

Stille.

«Wissen Sie, Val, den Vereinigten Staaten ist es meiner Ansicht nach wichtiger, ihre Beziehungen zu Südamerika, Spanien und Portugal zu verbessern. Rivers' Ersuchen um amerikanischen Schutz vor einer Rückgabe an Frankreich stieß deshalb auf offene Ohren. Weiterhin glaube ich, daß Samuel Fane — und erst recht Jonathan Chase — sich keinerlei Illusionen über die Franzosen machen, sollte es wieder zum Krieg kommen in Europa.»

Keen starrte seinen Vorgesetzten an, alle Müdigkeit war vergessen.

«Sie wollen damit sagen, daß die Regierung der Vereinigten Staaten sich mit den Spaniern gegen uns verschworen hat?«»Nicht direkt. Aber wer die Hand in einen Fuchsbau steckt, muß damit rechnen, daß er gebissen wird. Die spanische Regierung wollte sich mit einer offenen Intervention nicht kompromittieren, deshalb bediente sie sich eines starken Freibeuters. Nachdem Sparowhawk vernichtet und die Küstenschiffahrt bis zur Lähmung eingeschüchtert war, stand nur noch Achates zwischen ihr und der Übernahme von San Felipe. Chase muß von der alten Beziehung zwischen Tyrrell und mir gewußt haben; genauso klar war ihm, daß Tyrrell ein Schiff verzweifelt nötig hatte. Den Rest können wir uns denken. Aber sie haben nicht mit Tyrrells alter Loyalität mir gegenüber gerechnet.»

Keen wirkte perplex.»Ganz wie Sie meinen, Sir. Trotzdem steht das als Beweis bei einer künftigen Untersuchung auf ganz schwachen Beinen. Zu schwach, um Ihren guten Ruf davon abhängig zu machen.»

«Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb müssen wir noch ein paar Beweise fabrizieren. «Seelenruhig sah Bolitho ihn an.»Und jetzt möchte ich Tyrrell sprechen. Sagen Sie meinem Flaggleutnant, daß ich ihn brauche.»

Als Tyrrell später in die Kajüte humpelte, wurden schon die Lampen angezündet. Bolitho wandte sich seinem ehemaligen Offizier mit einer Mischung aus Trauer und Entschlossenheit zu.

Tyrrell setzte sich auf den angebotenen Stuhl und verschränkte seine kräftigen Finger.

«Na denn, Jethro.»

Tyrrell lächelte.»Na denn, Dick.»

Bolitho saß auf der Tischkante und musterte ihn ernst. Dann sagte er:»Da wir uns in Gewässern befinden, die zur Zeit noch britischer Oberhoheit unterstehen, mache ich Gebrauch von meinem Recht, Ihr Schiff zu beschlagnahmen und es in den Dienst meiner Regierung zu stellen.»

Tyrrell zuckte kurz zusammen, sagte aber nichts. Er war viel zu ausgekocht, um sich durch einen Schock aus der Reserve locken zu lassen.

«Außerdem unterstelle ich Vivid vorerst dem Befehl meines Neffen, der als mein Adjutant eine Depesche von mir nach Boston bringen wird.»

Jetzt rührte sich Tyrrell und verriet zum erstenmal Anzeichen einer gewissen Unruhe.

«Und ich?«stieß er heiser hervor.»Mich wollen Sie wohl von der Großrah baumeln lassen, wie?»

Bolitho schob ein Dokument über den Tisch.»Hier ist der Kaufvertrag für Vivid, der bei Ihrer Rückkehr nach San Felipe in Kraft tritt. Sie sehen, ich halte mein Wort. Die Brigg wird Ihnen gehören.»

Obwohl es ihm schwerfiel, Tyrrells Nöte mitanzusehen, fuhr er fort:»Ich habe mit Sir Humphrey Rivers gesprochen. Um sich Schande zu ersparen und vielleicht sogar sein Leben zu retten, wird er mir alle Auskünfte über den Spanier geben, die ich benötige. Wenn er es sich anders überlegt, hat er die Wahl zwischen zwei Anklagen: wegen Hochverrats oder wegen Mordes. Aber für beide würde er hängen.»

Tyrrell starrte Bolitho an, dann rieb er sich das Kinn.»Chase wird sich niemals von der Vivid trennen.»

«Ich glaube doch.»

Aber Bolitho mußte den Blick abwenden; Tyrrell konnte nur an eines denken: ein eigenes Schiff, seine letzte Chance.

Nun erhob sich dieser und sah sich um wie ein Tier in der Falle.»Dann mache ich mich jetzt auf den Weg«, sagte er.

«Ja. «Bolitho setzte sich an seinen Schreibtisch und begann in Papieren zu blättern.»Ich bezweifle, daß wir uns noch einmal begegnen.»

Wie ein Blinder wandte Tyrrell sich zur Tür. Aber Bolitho sprang auf, unfähig, dieses grausame Spiel bis zum Äußersten zu treiben.

«Jethro!«Mit ausgestreckter Hand kam er hinter dem Tisch hervor.»Sie haben mir doch einmal das Leben gerettet.»

Tyrrell musterte ihn forschend.»Und Sie meines, mehr als einmal.»

«Ich möchte Ihnen wenigstens Glück wünschen. Hoffentlich finden Sie, was Sie suchen — was das auch sein mag.»

Tyrrell erwiderte den Händedruck und sagte rauh:»So einen wie Sie gibt's nicht noch einmal, Dick. «Jetzt lag Bewegung in seiner Stimme.»Ich habe die alten Zeiten wieder durchlebt, als ich Ihren Neffen plötzlich vor mir sah. Schon damals schwante mir, daß ich weich werden würde, obwohl diese Insel es bei Gott nicht wert ist, daß man dafür stirbt. Aber ich kenne Sie, Dick, und Ihre Wertmaßstäbe. Sie werden sich nie ändern.»

Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht und machte ihn für Augenblicke wieder zu dem Mann, der er einst gewesen war:

Offizier an Bord der kleinen Korvette in eben diesen Gewässern.

Dann humpelte er davon, und Bolitho hörte den Midshipman der Wache das Boot für ihn längsseits rufen.

Bolitho lehnte sich an die Bordwand und sah auf seine Hände nieder; er hatte ein Gefühl darin, als zitterten sie.

Allday trat aus der Tür zur Schlafkajüte, als hätte er die ganze Zeit dahinter gelauert, um einen Überfall auf Bolitho abzuwehren.

«Das ist mir schwergefallen, Allday. «Bolitho lauschte immer noch dem dumpfen Klopfen des Holzbeins nach.»Und ich fürchte, es wird noch schwerer für den Jungen, für Adam.»

Allday verstand kein Wort. Der Mann namens Tyrrell war ein alter Freund des Admirals, jedenfalls wurde das behauptet. Trotzdem schien er eher eine Drohung zu verkörpern, und deshalb war er heilfroh, ihn los zu sein.

Doch Bolitho sprach schon weiter.»Ich habe mich verändert, seit ich weiß, daß ich eine Tochter habe.»

Allday atmete auf; die trübe Stimmung war verflogen.

«Eins ist mal sicher, Sir: Sie bringt endlich Abwechslung in die Familie. Zwei Bolithos auf hoher See sind für uns mehr als genug, das steht fest.»

Einen Augenblick fürchtete Allday, jetzt doch zu weit gegangen zu sein, aber Bolitho antwortete mit einem Lächeln:»Also, dann brechen wir doch einer Flasche den Hals und trinken auf die Gesundheit der jungen Dame, einverstanden?»

Oben an Deck hörte Adam Alldays rauhes Lachen aus dem Skylight schallen und umfaßte die Reling in plötzlicher Erregung. Beim Blick über die allmählich dunkler werdende Reede konnte er Vivids Ankerlicht erkennen und den schwachen Schimmer einer Laterne hinter den Kajütfenstern. Bald — und viel früher, als er zu hoffen gewagt hatte — würde er also Robina wieder in die Arme schließen können. Er spürte ihre Lippen, als hätte sie ihn eben erst geküßt, und roch ihr Parfüm, als stehe sie neben ihm.

Wie froh war er, daß Bolitho sich doch noch entschlossen hatte, seinem alten Freund zu vertrauen! Es würde interessant werden, wieder seinen Geschichten aus alten Zeiten zu lauschen, sobald sie erst Segel gesetzt und San Felipe hinter sich gelassen hatten.

Der Erste Offizier ging seine Abendronde und gewahrte Adams Silhouette vor dem dämmrigen Himmel.