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Sonnenlicht floß die Hänge herunter und übergoß die Hafeneinfahrt mit Gold. Im Teleskop sah Bolitho das Wachboot dort langsam entlangrudern, befehligt von einem Midshipman, der im Heck stand und wahrscheinlich seine befristete Freiheit genoß.

Lemoine sagte:»Da ist sie, Sir!»

Das fremde Schiff rundete das Vorland, seine Segel verloren den Wind, als es wendete, füllten sich aber gleich wieder auf dem neuen Bug: ein großes, gut geführtes Fahrzeug.»Indienfahrer, Sir«, meldete sich wieder Lemoine.»Ich kenne ihn, es ist die Royal James. Vor einigen Monaten lag sie in Antigua.»

Aus den Schießscharten beugten sich neugierige Männer, andere liefen unten auf der Pier nach vorn, um den Ankömmling besser sehen zu können.

Bolitho kam zu einem Entschluß.»Ich kehre aufs Flaggschiff zurück, Mr. Lemoine. Sie werden hier ja allein fertig. «Er war schon die halbe Treppe hinabgelaufen, ehe der Leutnant antworten konnte.

Die Mannschaft der Barkasse sprang auf, als Bolitho durchs Tor eilte.»Zum Schiff, Allday«, befahl er.

Er ignorierte ihre Überraschung und versuchte sich darüber klar zu werden, was ihn so beunruhigte. Wenn der Verfolger nicht noch durch einen Zufallstreffer in seinem Rigg Schaden anrichtete, sollte der Indienfahrer sicher den Hafen erreichen können. Bei diesem starken Südost mußte sich das feindliche Schiff gut von der Leeküste freihalten — oder sich dem Kugelhagel der Kanonen stellen. Und jetzt, bei vollem Tageslicht, konnte Crocker eigentlich nicht danebenschießen.

Die Riemen der Barkasse hoben und senkten sich in schnellem Gleichtakt, bis das Boot übers glatte Wasser zu fliegen schien.

Plötzlich packte Bolitho Alldays Arm.»Kursänderung! Aufs Vorland zuhalten!«Als Allday zögerte, schüttelte er ihn und rief aus:»Ich muß blind gewesen sein! Dabei hat Lemoine mich unwissentlich darauf gebracht: Heute ist St. Damianstag!»

Allday legte Ruder, so daß die Barkasse einen Bogen beschrieb, aber dennoch kam kein einziger der langen Riemen aus dem Takt.

«Aye, Sir, wenn Sie's sagen?»

Er hält mich für verrückt, dachte Bolitho und erläuterte hastig:»Aber trotz des Feiertags ist noch kein einziges Boot von der Missionsinsel gekommen!»

Immer noch starrte Allday ihn an.

Bolitho blickte sich nach dem Wachboot um, aber das stand zu nahe an Land, dicht vor der Hafeneinfahrt, und jeder Mann im Boot hatte nur Augen für die Royal James, die jetzt gleich um den Landvorsprung brausen mußte.

Bolitho hieb sich mit der Faust in die andere Handfläche. Er hätte es gleich sehen müssen!

«Ist die Mannschaft bewaffnet?«fragte er Allday.

Der nickte und kniff die Augen vor der blendenden Sonne zusammen.»Jawohl, Sir, mit Entermessern und drei Pistolen.»

Er warf Bolitho einen Seitenblick zu, gespannt, was nun bevorstand, wagte aber vor seinen Untergebenen nicht danach zu fragen.

«Dann muß das reichen. «Bolitho deutete auf einen winzigen Sandstrand.»Setz uns dort auf.»

Als die Rudergasten ihre Riemen in der Schwebe hielten und das Boot lautlos in den Schutz der hohen Steilküste glitt, wirkte die Szenerie ungemein friedlich.

«Alle von Bord!«Bolitho kletterte hinaus und spürte, wie die Strömung die Beine unter ihm wegziehen wollte, als er zum Strand watete. Entermesser und drei Pistolen — wogegen? Er befahclass="underline" »Schickt einen Mann aus, er soll die Patrouille von der Landspitze herbeiholen. Aber sich dabei nicht blicken lassen.»

Allday ließ ihn nicht aus den Augen.»Ist das ein Überfall, Sir?«fragte er nervös.

Aus dem Häufchen Waffen im Sand suchte sich Bolitho eine Pistole und ein schweres Entermesser heraus. Ausgerechnet diesmal war er unbewaffnet an Land gegangen.

«Es geht um die Mission. Irgend etwas stimmt dort nicht.»

Auch die Männer bewaffneten sich und folgten ihm gehorsam den Steilhang hinauf. Auf dem Bergrücken empfing sie starker Wind, der ihnen Sand ins Gesicht peitschte; der Bewuchs, der von weitem so einladend aussah, bestand nur aus zähem Unkraut und niedrigen Sträuchern.

Auf dem Missionsinselchen drängten sich die wenigen Gebäude dicht zusammen; der Strand war leer, alles wirkte völlig verlassen. Nicht einmal Rauch zeugte von Herdfeuer oder anderweitigem Leben.

Bolitho hörte schwache Hochrufe, halb verweht vom Wind, als riefen irgendwo spielende Kinder. Er hielt inne und warf einen Blick über die Hafeneinfahrt zur alten Festung hinüber, deren Flagge munter auswehte. Die Hochrufe kamen wahrscheinlich vom Wachboot, denn der mächtige Indienfahrer ragte plötzlich über dem Vorland auf und hielt zielstrebig auf den sicheren Hafen zu.

Er hatte ein großes Boot im Schlepp, doch an Deck zeigten sich kaum Leute; auch enterte niemand auf, um die Segel zu kürzen, sobald das Schiff den Ankerplatz erreicht hatte. In diesem Augenblick glitt das Wachboot in Sicht; der Midshipman hob schon seine Flüstertüte an die Lippen, um den Neuankömmling anzupreien.

Gewaltsam wandte Bolitho sich ab und musterte sein kärgliches Häuflein. Keen und die anderen konnten sich um die Royal James kümmern. Er hatte die schnittige Takelage einer Fregatte entdeckt, die gerade draußen beidrehte, weil ihre Beute den Schutz der Festungsbatterie erreicht hatte.

«Die Boote sind weg, Sir«, sagte Allday.

Bolitho starrte zur kleinen Insel hinüber. Es stimmte, die Fischerboote waren alle verschwunden. Das mochte die simple Erklärung sein: Die Mönche oder Missionare waren zum Fischen ausgelaufen, denn schließlich ging der Lebensunterhalt dem Gebet vor.

«Sehen Sie dort, Sir!»

Bei Alldays Aufschrei fuhr Bolitho zu der vorgelagerten Riffkette herum. Die Felsen waren nicht mehr leer und verlassen, sondern voll kletternder, geduckt rennender Gestalten; Sonnenlicht reflektierte von Säbelschneiden und Bajonetten.

«Soldaten!«Keuchend vor Aufregung hob Allday seine Pistole.»Das sind ja hundert und mehr!»

Einige Schüsse fielen; sie klangen weit entfernt und ungefährlich, bis die Kugeln über ihre Köpfe pfiffen oder in den harten Sand klatschten.

«In Deckung!»

Bolitho sah den ausgeschickten Mann mit zwei Seesoldaten aus dem Wachboot unten am Ufer entlangrennen. Einer fiel sofort, die anderen verschwanden aus seinem Blickfeld.

Nun gab es eine gedämpfte Explosion, fühlbar eher als Druckwelle denn als Schall. Als ob alle Luft aus den Lungen gesaugt würde.

Bolitho rollte sieh auf die Seite und spähte zu der Stelle hinüber, wo sie die Barkasse gelassen hatten; da sah er, wie die Royal James sich aufbäumte. In ihrer Bordwand flogen die Stückpforten auf, aber statt der Kanonenrohre schossen Flammenzungen heraus, die sofort nach oben leckten und Wanten, Spieren und Segel mit entsetzlicher Schnelligkeit verzehrten. Das nachgeschleppte Boot war losgeworfen worden und wurde jetzt zur Hafeneinfahrt zurückgerudert.»Ein Brander!«flüsterte Allday.

Bolitho sah den noch wachsenden Feuerschein sich in Alldays Augen spiegeln und konnte sogar die Hitze fühlen, die wie aus einer offenen Esse zu ihnen herübergeweht wurde. Der Wind stand so, daß er das aufgegebene Schiff direkt in den Hafen trieb. Geradewegs auf die verankerte Achates zu.

Wieder peitschten Schüsse über die Landzunge, und Bolitho hörte schon das Geschrei der anstürmenden Soldaten.

Mit Achates würden sie alle Hoffnung und jeden Schutz verlieren. Und die Festungsbatterie hatte ihrem Mörder noch Deckung geboten.

Mit wilden Augen starrte Allday ihn an.»Kämpfen wir, Sir?»

Bolitho fiel etwas zurück. Sollte das schon alles gewesen sein? Ein sinnloser Tod auf dieser gottverlassenen Insel? Dann fiel ihm wieder der Trommler ein und der Ausdruck seines toten Gesichts, ehe er es zugedeckt hatte.

Er richtete sich auf und wog das schwere Entermesser in der Hand.»Ja, wir kämpfen!»