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Links und rechts von ihm erhob sich die Bootscrew und schwenkte ihre Entermesser. Bolitho zielte, taub gegen das furchtbare Prasseln der Flammen, und feuerte in die anrückende Reihe Soldaten. Zum Nachladen blieb keine Zeit. Für nichts blieb mehr Zeit.

Er machte einen Ausfall über das lose Geröll und hackte den Säbel eines Gegners mit solcher Wucht beiseite, daß der Mann den Abhang hinunterrollte.

Stahl schlug auf Stahl, ein paar vereinzelte Schüsse fielen, aber ihre Gegenwehr war erbärmlich schwach. Bolitho spürte, wie er von den Kämpfenden bedrängt wurde, sah wilde Augen und gebleckte Zähne, fühlte Haß und Verzweiflung, als seine kleine Gruppe von der spanischen Übermacht zurückgedrängt wurde. Noch einmal hieb er mit aller Kraft zu, spaltete das Gesicht eines Gegners vom Ohr bis zum

Kinn, hörte sein Entermesser auf Knochen knirschen, als er die Dek-kung eines zweiten durchbrach und seine Brust durchbohrte.

Plötzlich ein Keuchen neben ihm — zu seinem Entsetzen brach All-day im Handgemenge zusammen und entschwand seinen Blicken.

«Allday!»

Bolitho stieß einen Soldaten beiseite, um seinen Bootsführer zu erreichen. Ihr Widerstand war sinnlos geworden, eine leere Geste, dienlich nur seinem Stolz.

Bolitho senkte die Waffe.»Genug!»

Zwischen den unschlüssig Zögernden fiel er auf die Knie und versuchte, Allday auf den Rücken zu drehen. Dabei rechnete er jede Sekunde mit dem Todesstoß, erwartete den weißglühenden Schmerz der eindringenden Klinge, aber selbst das war ihm gleichgültig.

Doch die Soldaten verharrten reglos, ob aus Verblüffung über die erbitterte kurze Gegenwehr oder aus Respekt vor Bolithos hohem Rang, ließ sich nicht sagen.

Bolitho beugte sich so über Allday, daß er ihm Schatten spendete. Er gewahrte Blut auf seiner Brust, viel zu viel Blut.

Verzweifelt flüsterte er:»Nur ruhig, alter Freund. Du hast nichts mehr zu befürchten, bis.»

Allday öffnete die Augen und sah sekundenlang stumm zu ihm auf. Dann krächzte er:»Es tut weh, Sir. Höllisch weh. Diesmal haben sie mich umgebracht, die Hunde.»

Ein Matrose ließ sich neben ihnen zu Boden fallen.»Sir!«keuchte er.»Die Spanier rennen davon!»

Bolitho blickte auf und sah die fremden Soldaten sich laufend oder hinkend zu den Felsen zurückziehen, wo sie ihre Boote gelassen hatten.

Der Grund dafür wurde bald sichtbar: eine Reihe Kavallerie, die unter der Führung Hauptmann Masters' von der Inselmiliz mit gezogenen Säbeln über den Bergrücken galoppiert kam — eine lautlose Attak-ke, die deshalb um so bedrohlicher wirkte.

Masters zügelte sein Pferd und sprang ab, in seinem Gesicht stand ungläubiger Schrecken.»Wir haben gesehen, wie Sie sie aufzuhalten versuchten«, brach es aus ihm hervor,»da beschlossen ein paar von uns, sie abzufangen.»

Bolitho sah ihn an, gewahrte aber nur Masters dunkle Gestalt und dahinter die großen Rauchschwaden, die von dem Inferno im Hafen aufstiegen.»Sie kommen zu spät!»

Er entwand das Entermesser Alldays schlaffer Hand und warf es den Fliehenden nach. Da spürte er einen Griff ums Handgelenk und blickte hinab in Alldays schmerzverdunkelte Augen.

«Geben Sie nicht auf, Sir«, murmelte sein Bootsführer.»Wir schlagen die Kerle, verlassen Sie sich drauf.»

Schwere Stiefel stapften durch den Sand heran, mehr Rotröcke umschlossen sie zu beiden Seiten.

Bolitho sagte:»Hebt ihn vorsichtig auf, Leute.»

Er sah den vier Soldaten nach, die Allday zur Barkasse hinuntertrugen. Dabei hörte er in der Ferne weitere Explosionen und Geschrei aus allen Richtungen. Er wurde gebraucht. Zum Trauern war jetzt keine Zeit. Wie oft hatte er das schon gehört…

Trotzdem eilte er den Soldaten nach und ergriff noch einmal All-days Arm.

«Laß mich nicht allein, Allday. Ich brauche dich.»

Alldays Augen blieben geschlossen, aber über sein Gesicht glitt der Schatten eines Lächelns; dann wurde er in die Barkasse gehoben.

Als Bolitho über den Strand schritt und seine Goldepauletten in der Sonne funkelten, brachen einige Milizsoldaten in Hochrufe aus.

Ein Mann der Bootscrew, der den verwundeten rechten Arm ruhiggestellt im Hemd trug, blieb stehen und fuhr sie böse an:»Jetzt jubelt ihr wohl, ihr Lumpen, was? Weil ihr noch einmal davongekommen seid!«Verächtlich spuckte er vor ihre Füße und deutete dann mit dem Kopf auf Bolitho.»Aber der dort ist mehr wert als ihr und die ganze verdammte Insel zusammen!»

Bolitho ging durchs Buschwerk davon, das an einigen Stellen schon aufflammte, entzündet vom Funkenflug des Branders.

Jeden Augenblick erwartete er die zweite Angriffswelle. Und Keen benötigte bestimmt dringend seine Hilfe. Aber all das schien ihm so unwirklich. Ihn erfüllte nur ein Gedanke: daß Allday nicht sterben durfte. Nicht so sinnlos. Er war knorrig und stark wie ein Eichbaum — das konnte doch nicht sein Ende sein!

XIV Ein Schluck Rum

Als plötzlich Flammen und schwarze Rauchwolken die Hafeneinfahrt verhüllten, erklangen von allen Seiten Entsetzensschreie. Für Seeleute war Feuer der schlimmste Feind; bei Sturm oder Strandung gab es immer noch eine Überlebenschance, aber wenn Feuer an Bord wütete, wo alles geteert, kalfatert und zundertrocken war, bestand keine Hoffnung mehr.

Leutnant Quantock zwang sich, den Blick von dem lodernden Indienfahrer zu wenden, und rief zu Keen hinüber:»Was sollen wir tun, Sir?«Er war barhäuptig, der Wind zerzauste sein Haar; nichts an Quantock erinnerte mehr an den makellosen, bärbeißigen Ersten Offizier der Achates.

Keen umklammerte die Reling und wandte sich dem näherkommenden Verhängnis zu. Erst Sparrowhawk, dann der spanische Freibeuter und jetzt seine Achates. Es blieb keine Zeit mehr, das Schiff an eine andere Stelle des Hafens zu verholen, außerdem waren die meisten Boote unterwegs und anderweitig beschäftigt.

Aber Quantock starrte ihn ratheischend an, während die Seeleute ihn umstanden, wie versteinert vor ungläubigem Entsetzen. Eben noch hatten sie gejubelt, weil der Indienfahrer wohlbehalten bis in den Schutz des Forts gelangt war. Und im nächsten Moment befand sich der Feind mitten unter ihnen und drohte, sie bei lebendigem Leibe zu verbrennen.

Keen kannte die Anzeichen nur zu gut: erst Zaudern, dann Panik. Aber er konnte sie doch nicht zwingen, hilflos wie Schlachtvieh dazustehen und den sicheren Tod zu erwarten. Zum Glück hatte er das Schiff sofort gefechtsklar gemacht, nachdem Midshipman Evans Bo-lithos Warnung überbracht hatte.

«Mr. Quantock! Lassen Sie die Backbordkanonen laden und ausfahren! Beide Decks!«Er boxte den Leutnant in die Seite.»Bewegung, Mann!»

Pfeifen schrillten, sie schreckten die Männer aus ihrer Starre und riefen sie auf Gefechtsstationen. In beiden Decks quietschten die Lafetten, als die dem Brander zugewandten Kanonen ausgerannt wurden.

Rauch brannte Keen in den Augen, als er abzuschätzen versuchte, mit wieviel Fahrt der Brander auf sie zukam. Seine Segel waren nur noch verkohlte Fetzen, seine Masten schwarze Stümpfe. Aber er brauchte weder Masten noch Segel, der Winddruck allein genügte, ihn auf sein Opfer zuzutreiben. Während er noch hinsah, stieß der Brander leicht gegen einen an seiner Boje liegenden Toppsegelschoner; im Handumdrehen brannte er wie eine Fackel, und der Ankerwache blieb nur der Sprung ins aufspritzende Hafenwasser.

«Feuerklar, Sir!«Quantocks Stimme klang verzweifelt.

Keen merkte, daß er an Bolitho dachte. Wo steckte er? Schlug er, unterstützt von einer der Patrouillen, einen Flankenangriff irgendwo am Strand zurück? Sein Magen verkrampfte sich. Oder war Bolitho vielleicht schon tot?

«Ziel auffassen!»

Er trat an die Querreling und sah auf seine Stückmannschaften hinunter — wie sonst, wenn sie es mit einem lebenden Feind aufnehmen mußten.

«Feuer!»

In dem engen Hafen hallte die aufbrüllende Breitseite wie ein Donnerschlag. Keen sah die Spur der Kugeln gleich einem Windstoß über das Wasser fahren und spürte das Aufbäumen des Decks unter seinen Füßen, als sich das Schiff im Rückstoß von seiner Muring zu befreien versuchte.