Выбрать главу

Vom Vorschiff klangen die dünnen Töne einer Fiedel herein, und Bolitho sah im Geiste die Freiwächter vor sich, die sich in der Abendkühle vergnügten. Dann erblickte er sein eigenes Gesicht im Spiegel über dem kleinen Tisch und sah weg. Ob sie jetzt mit ihrem Vizeadmiral getauscht hätten?

Er nahm ein sauberes Taschentuch, befeuchtete es mit Rum und betupfte damit vorsichtig Alldays Mund.

«Hier, alter Freund. «Bolitho biß sich auf die Lippen, als der Rum wirkungslos von Alldays Kinn tröpfelte. Mitten auf dem Brustverband leuchtete ein roter Fleck. Es drängte Bolitho, nach dem Wachtposten zu rufen und den Arzt zurückholen zu lassen, aber er beherrschte sich. Alldays Ringen mit dem Tod ging nur ihn selbst an. Auch wäre es grausam gewesen, seine Leiden jetzt noch zu vermehren.

So starrte Bolitho nur in Alldays vertrautes Gesicht. Es schien plötzlich gealtert zu sein, fiel ihm auf. Das Begreifen ließ ihn aufspringen, auch wenn er die Erkenntnis nicht akzeptieren wollte.

Mit geballten Fäusten sah er sich wild in der engen Kajüte um, wie ein Tier in der Falle. Dagegen war er machtlos. Ohne zu wissen, was er tat, hob er den Krug an die Lippen und trank, bis ihm der scharfe Rum die Kehle verbrannte und er keuchend nach Luft ringen mußte.

Als er darauf wartete, daß sich sein Atem beruhigte, sah er Ozzards schmächtige Gestalt vor der halboffenen Tür warten. Mit einer Stimme, die ihm selbst fremd klang, sagte er:»Meine Empfehlung an den Arzt und.»

Ozzard schien noch mehr zu schrumpfen, als er Bolithos Worte begriff.»So schnell ich kann, Sir!»

Bolitho fuhr herum, weil Allday suchend über den Rand der Koje tastete.

«Ja, ich bin hier.»

Er nahm Alldays Faust zwischen beide Hände und starrte ihm gebannt ins Gesicht. Darauf zeigte sich jetzt ein Stirnrunzeln, als versuche Allday, sich an etwas zu erinnern. Seine Finger hatten weniger Kraft als die eines Kindes.

Bolitho flüsterte:»Warte noch. Gib nicht auf. «Er drückte Alldays Hand fester, spürte aber keine Erwiderung.

Doch dann öffnete Allday die Augen und starrte ihn an, sekundenlang und anscheinend ohne ihn zu erkennen. Seine Lippen bewegten sich, und er sprach so leise, daß Bolitho sich tief über ihn beugen mußte.

Allday murmelte:»Aber Sie mögen doch keinen Rum, Sir.»

Bolitho nickte.»Stimmt. «Er hätte gern mehr gesagt, um Allday zu ermutigen, aber die Stimme versagte ihm.

Türenschlagen, eilige Schritte draußen, und dann stürzte Tuson, gefolgt von Keen und Adam, in die Kajüte.

Der Schiffsarzt legte seine Hand auf Alldays Brust, ohne sich um das Blut zu scheren. Dann sagte er:»Er atmet schon sehr viel besser. «Und mit einem Schnüffeln:»Ist das Rum?»

Alldays Augen kippten immer wieder weg, aber er schien unbedingt sprechen, Bolitho irgendwie beruhigen zu wollen.

«Hätte gern 'nen Schluck, Sir.»

Tuson trat beiseite und beobachtete kritisch, wie Bolitho dem Bootsführer den Kopf stützte und ihm mit der anderen Hand ein Glas an die Lippen hielt. Er wußte, diesen Anblick würde er sein Leben lang nicht vergessen.

Schließlich sagte er:»Legen Sie ihn jetzt zurück.»

Er sah zu, wie Bolitho sich Wasser aus einer Schüssel ins Gesicht spritzte, um sich für die anderen draußen zu wappnen.

«Ihretwegen brauchen Sie das nicht zu tun, Sir. «Später wunderte Tuson sich über sich selbst, daß er es gewagt hatte, seinen Admiral so vertraut anzusprechen.»Es schadet nichts, wenn sie sehen, daß auch Sie Gefühle haben. Wie wir alle.»

Bolitho warf noch einen Blick auf Allday. Er schien jetzt zu schlafen.

«Danke«, sagte er.»Sie können nicht wissen. «Damit verließ er den Schlafraum, um den anderen gegenüberzutreten.

Der Arzt betrachtete den Krug Rum auf dem Tisch und verzog das Gesicht. Sein Sachverstand sagte ihm, daß Allday längst tot sein müßte. Er begann, den blutigen Verband aufzuschneiden.

Aber dann verzog sich Tusons ernstes Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Ein Schluck Rum, bei Gott…

In der Tageskajüte saßen die anderen schweigend beisammen, bis Ozzard eine Karaffe Wein brachte. Da endlich hob Keen sein gefülltes Glas.»Auf uns alle, Sir«, sagte er.

Bolitho wandte den Blick ab. Keen hätte keinen besseren Toast ausbringen können.

XV Heimatkurs

Die Wochen und Monate nach dem spanischen Überfall auf San Felipe kamen Bolitho vor wie eine schier endlose Chronik von Alldays Überlebenskampf. Nur zu oft folgte auch der kleinsten Besserung ein ernster Rückschlag. Bolitho konnte es sich nur so erklären, daß All-days Bewegungsunfähigkeit ihm zu schaffen machte,»seine Nutzlosigkeit«, wie er es nannte.

Ab und zu liefen wieder Schiffe die Insel an, und langsam kehrte Normalität ein. Es kam zu keinen neuen Angriffen, auch berichteten die Händler, die von niemandem mehr behelligt wurden, daß sie keine spanischen Kriegsschiffe gesichtet hätten.

Dagegen suchten im Oktober zwei Wirbelstürme die Insel heim und richteten solche Verwüstungen an, daß ein Krieg dagegen sanft gewirkt hätte. Flutwellen gefährdeten Achates, vernichteten leichtere Schiffe, und der Sturm deckte viele Häuser ab. Aus Plantagen wurden Wüsteneien, mehrere Tote und viele Verletzte waren zu beklagen, und die meisten verloren alles, was sie besaßen.

Aber die Naturkatastrophe bedeutete einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der Inselbevölkerung und der Besatzung von Achates. Ohne die disziplinierte, gut organisierte Hilfe der Seeleute und Soldaten wäre kaum etwas von Wert zu retten gewesen. Das Schiff, einst Symbol für aufgezwungene Staatsmacht, begann allmählich eine neue Rolle zu spielen: die des Beschützers. Und damit wurde der Dienst für Offiziere und Mannschaften weniger anstrengend.

Drei Monate, nachdem ihn ein spanischer Säbel niedergestreckt hatte, ging Allday zum erstenmal auf Achates' Achterdeck spazieren.

Ozzard begleitete ihn, aber Allday wies — ganz der alte — seinen stützenden Arm zurück.

Bolitho richtete es so ein, daß er sich auf dem Hüttendeck aufhielt, und sah Allday mit solch schleppenden, unsicheren Schritten ins Sonnenlicht treten, als hätten seine Füße noch nie die Planken eines Schiffes berührt. Auffallend war auch, daß alle Freunde Alldays offenbar zufällig in der Nähe zu tun hatten; aber sie bewiesen Takt und hielten sich auf Distanz.

Dann hörte Bolitho Adams leichten Schritt neben sich und sagte:»Hätte nie gedacht, daß ich diesen Anblick erlebe, Adam. «Er schüttelte den Kopf.»Niemals.»

Adam lächelte.»Er erholt sich gut.»

Unten erreichte Allday die Querreling und packte sie mit beiden Händen; er holte einige Male tief Luft und starrte hinunter aufs Batteriedeck.

Scott, der Dritte Offizier und Wachführer, ignorierte Allday bewußt und trat sogar zum Kompaß, studierte die Windrose, als sei das Schiff auf See und nicht im Hafen.

Bolitho wandte sich seinem Neffen zu. So viel Zeit war inzwischen vergangen, und doch hatten sie kaum über Boston und die Vorgänge dort gesprochen; nur Tyrrell hatte ihm kurz das Wichtigste erzählt.

Gedämpft sagte der Admiraclass="underline" »Was wir hier erreicht haben, ist von Bedeutung, Adam. Ich habe der Admiralität meine Ansichten mitgeteilt, meine Vorschläge, was hier geschehen soll, nachdem wir wieder ausgelaufen sind. «Er hob die Schultern.»Ich muß daran glauben, daß London dementsprechend handeln wird. Es gab zu viele Tote und Verwundete, als daß man jetzt noch alles zum Teufel gehen lassen könnte. „Mein Vater hat uns Engländern oft diesen Vorwurf gemacht: Wir gewinnen etwas mit Blut und Schweiß — und danach wird es uns gleichgültig. «Mit einer Handbewegung umfaßte er den ganzen Hafen.»Nur zwei Fregatten mehr, und die Spanier hätten es nie gewagt, die Hand nach dieser Insel auszustrecken. Und die Franzosen hätten sich anderswo nach einem fetten Brocken umgesehen.»