Выбрать главу

Bolitho musterte ihn mitfühlend.»Aber der spanische Angriff kam später. Sie wissen doch aus Erfahrung, Sir Humphrey, wie es dem Kommandanten ergeht, der ein feindliches Schiff versenkt oder erobert — eben ein Schiff, das er für feindlich hält — und dann im Hafen erfährt, daß ihrer beider Länder längst Frieden geschlossen haben. Der Kommandant konnte das unmöglich wissen, und doch.»

Rivers nickte.»Und doch ist er der Schuldige. «Er erhob sich.»Ich möchte jetzt in meine Zelle zurückkehren.»

Auch Bolitho stand auf.»Ich muß Ihnen mitteilen, daß wir noch in dieser Woche England erreichen werden. Danach liegt Ihr Schicksal nicht mehr in meiner Hand.«»Verstehe. Danke.»

Rivers ging zur Tür, vor der zwei Seesoldaten ihn erwarteten.

Adam, der Zeuge des kurzen Gesprächs gewesen war, ergriff jetzt das Wort.»Mir tut er nicht leid, Onkel.»

Bolitho fuhr sich über die Stirn und betastete die Narbe unter der Haarsträhne.»Jemanden zu verurteilen, ist nur allzu leicht, Adam.»

Aber sein Adjutant grinste.»Wenn du Gouverneur der Insel gewesen wärst, hättest du dich dann so verhalten wie Rivers?«Als er Bo-lithos Verwirrung sah, nickte er.»Na bitte, da hast du's.»

Bolitho setzte sich.»Frechdachs. Allday hatte ganz recht, was dich betrifft.»

Adam war plötzlich ernst geworden,»Ich bin sehr froh, daß ich dein Flaggleutnant werden durfte, Onkel. Die vielen Monate an deiner Seite haben mich eine Menge gelehrt. Über dich, aber auch über mich selbst. «Wehmütig sah er sich in der Kajüte um.»Diese Freiheit werde ich schmerzlich vermissen.»

Bolitho war gerührt.»Mir geht es genauso. Man hat mich vor dir gewarnt. Zu nahestehend für einen Adjutanten, sagte Oliver Browne. Vielleicht hatte er in gewisser Beziehung sogar recht, aber wenn wir erst in Falmouth sind, wird.»

Beide blickten zum Oberlicht auf, weil draußen die Stimme des Ausguckpostens erklang:»An Deck! Segel in Südost!»

Bolitho starrte das Viereck blauen Himmels an und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, sein Mund trocken wurde. Er fühlte sich wie ein Jäger, der in einem Augenblick der Unachtsamkeit ertappt wurde.

Schnell trat er zum Tisch mit der Seekarte und studierte sie, folgte den sauberen Kursberechnungen, der zielstrebigen Kurslinie mit den Blicken bis zur Küste von Cornwall. Unwahrscheinlich, daß ein Handelsschiff jetzt, da gerade ein neuer Krieg ausgebrochen war, von England oder Frankreich nach Übersee auslaufen würde.

Es dauerte immer einige Zeit, ehe die neuen Spielregeln festgelegt und dann mißachtet wurden.

«Ich gehe an Deck.»

Draußen empfing ihn warmer Sonnenschein. Die See war bewegt mit weißen Kämmen, der Wind kam immer noch stetig aus Süd, so daß Achates mit vollgebraßten Rahen über Backbordbug segelte.

Die Männer standen in Gruppen herum oder starrten zum Krähennest hinauf.

Keen rief den Ausguck an:»Was für ein Schiff?«»Kriegsschiff, Sir!»

Ungeduldig gestikulierte der Kommandant.»Entern Sie mit Ihrem Glas auf, Mr. Mountsteven, der Mann da oben ist ein Narr!»

Da gewahrte er Bolitho und grüßte.»Entschuldigen Sie, Sir.»

Bolitho ließ den Blick über die noch leere See schweifen und spürte so etwas wie eine schlimme Vorahnung. Aber weshalb? Machte es einen solchen Unterschied, daß sie kurz vor der Heimat standen?

Keen informierte ihn:»Scheint aus Südost zu kommen und ist schon zu weit draußen für einen Zielhafen in der Biskaya.»

Mountsteven hatte seinen luftigen Platz neben dem Ausguckposten erreicht. Er rief hinunter an Deck:»Sieht aus wie 'ne verdammte Fregatte, Sir. Franzose, würde ich sagen.»

Bolitho zwang sich, ruhig an die Querreling zu treten, während rund um ihn Stimmengewirr erklang.

Also eine französische Fregatte weit draußen im Atlantik, wahrscheinlich mit Nordkurs auf den Ärmelkanal — oder auf Brest? Ihm fiel wieder der Briefumschlag des toten Leutnants ein, die Depesche aus Lorient für Martinique.

«An Deck! Zweites Segel folgt der Fregatte, Sir!»

Knocker, der lautlos neben das Ruder getreten war, murmelte:»Pech und Schwefel über sie! Ich wette, die bringen uns Ärger!»

Keen sagte:»Sie segeln auf konvergierendem Kurs zu uns, Sir. Und — bei Gott — sie haben die Luvposition.»

Bolitho wandte sich nicht um, sondern starrte weiterhin über die ganze Länge des Schiffs hinweg nach vorn. So nah — und doch so fern. Noch zwei Tage, vielleicht sogar weniger, und sie wären auf die Schiffe der englischen Kanalflotte gestoßen, die ihren eintönigen Blockadedienst versahen. Schließlich sagte er zu Keen:»Die Franzosen gehen ein Risiko ein, Val. «Und als er das Begreifen im Gesicht seines Flaggkapitäns sah:»Vielleicht hat die Neuigkeit sie noch nicht erreicht, und es geht ihnen, wie es uns gegangen wäre, hätten wir nicht La Prudente gefunden.»

Midshipman Ferrier, der bei der ersten Meldung in die Luvwanten geklettert war, rief gellend:»Ich sehe das erste Schiff, Sir! Eine große Fregatte. Das zweite kann ich noch nicht erkennen, aber.»

Mountstevens Stimme von oben schnitt ihm das Wort ab:»Das zweite ist ein Linienschiff, Sir! Ein 74er!»

Ein Rudergänger pfiff durch die Zähne.»Diese Hunde!»

Bolitho nahm sich ein Fernrohr und kletterte neben Ferrier in die Wanten.»Welche Richtung?»

Aber schon fand er von allein das führende französische Schiff, dessen Bramsegel golden in der Sonne schimmerten. Noch während er hinsah, änderte sich seine Silhouette.»Er setzt die Royals«, murmelte Bolitho wie zu sich selbst.

Schließlich stieg er wieder an Deck hinunter und wandte sich an seinen Neffen.»Wie du selbst am besten weißt, Adam«, sagte er,»hätte eine Fregatte eigentlich die Aufgabe, Gefahren rechtzeitig aufzuspüren und Fremde zu identifizieren.»

Adam nickte.»Also können sie vom Kriegsausbruch noch nichts wissen.»

Bolitho versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, aber die Tatsachen paßten einfach nicht zueinander. Jedenfalls kamen die französischen Schiffe mit dem für sie günstigen Südwind rasch näher.»Kurs, Mr. Knocker?«fragte er kurzangebunden.

«Ostnordost, Sir. Voll und bei!»

Keen murmelte:»Wenn ich einen oder zwei Strich abfalle, werden sie mißtrauisch und glauben, daß wir uns verdrücken wollen. Andererseits würden wir bei einem Kurswechsel um ein paar Knoten schneller, Sir.»

Ob sie nun mehr Segel setzten oder einen Kurs vom Feind weg einschlugen — beides mußte das Interesse jedes Fregattenkommandanten erregen, erst recht, wenn er im Verband mit einem großen Linienschiff segelte.

«Bleiben Sie auf Kurs, Val. Vergessen Sie nicht, die beobachten uns genau.»

Keen warf einen Blick zur Windfahne hinauf.»Wäre das Wetter nicht so verdammt launisch gewesen, lägen wir jetzt längst vor Anker.»

Vom Vorschiff glaste es sechsmal, und der Zahlmeister erschien mit einem Gehilfen, um die tägliche Mittagsration Rum auszugeben.

«Ich schlage vor, Sie schicken die Leute in die Messen, Val. Die Kombüse soll das warme Essen heute früher ausgeben.»

Keen eilte davon und besprach sich mit Quantock; bald darauf schrillten die Pfeifen und riefen die Matrosen unter Deck, die grinsend verschwanden, erfreut über die unerwartete Abwechslung.

Wieder griff Bolitho zum Fernrohr und suchte das andere Schiff. Eine der neueren Fregatten, stellte er fest, mit 44 Kanonen. Er konnte bereits ihren Rumpf ausmachen, wenn ihn einer der langen Atlantikroller anhob, ehe er wieder hinter einem Gischtvorhang ins Wellental sackte. Das Schiff flog ihnen förmlich entgegen.

Die Wachgänger rund um Bolitho unterhielten sich gedämpft. Die Aussicht auf ein Seegefecht schien sie nicht weiter zu beunruhigen. Schließlich hatten sie schon einen spanischen Zweidecker besiegt und eine Insel erobert. Im Vergleich dazu mußte mit einer französischen Fregatte leicht fertig zu werden sein.