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Keen kehrte zurück.»Vielleicht drehen sie ab, wenn sie unsere Nationalität kennen, Sir.»

«Also gut. Heißen Sie die Flagge.»

Aber als die rote Flagge an der Gaffel auswehte, wußte Mount-steven nur zu berichten, daß die Fregatte ihrerseits die Trikolore gesetzt hatte.

Tyrrell erschien an Deck, noch auf einem Stück Pökelfleisch kauend, schielte zur Besanstenge hinauf und fragte:»Glauben Sie, daß mich jemand da hinaufhieven könnte, Käpt'n?»

Keen hatte andere Sorgen und starrte ihn nur geistesabwesend an.»Im Bootsmannstuhl, meinen Sie?»

Tyrrell grinste Bolitho an.»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Erinnern Sie sich an den 74er in Boston, der mit uns über die Inseln verhandeln sollte? Das könnte er sein. Und wenn, dann weiß man an Bord wahrscheinlich noch nichts vom Krieg. «Sein Grinsen wurde noch breiter.»Was für ein scheußliches Pech, nicht wahr?»

Mountsteven war für den Augenblick vergessen, deshalb fuhren sie zusammen, als seine Stimme herunterrief:»Ein drittes Schiff, Sir! Noch eine Fregatte, würde ich sagen.»

«Jesus Christus!«stieß Keen leise hervor. Dann sagte er zum Bootsmann:»Helfen Sie Mr. Tyrrell bitte in den Besan.»

Viele Wachgänger drehten sich um und beobachteten gespannt, wie Tyrrell ruckartig in den Besanmast gehievt wurde, wobei sein Holzbein laut gegen Spieren und Fallen stieß.

Gedämpft sagte Keen:»Drei gegen eins, Sir. Eine gewaltige Übermacht.»

Bolitho reichte das Fernrohr zurück.»Schlagen Sie vor zu fliehen?»

Keen schüttelte den Kopf.»Ich fliehe vor keinem, Sir. Aber ich kann für den Zustand des Schiffes nicht garantieren, wenn wir in ein Gefecht verwickelt werden.»

Wieder sah Bolitho die Silhouette der Fregatte sich verändern, als sie den Kurs wechselte und nun direkt auf sie zuhielt.

Leise sagte er:»Wir haben einen neuen Krieg vor uns, Val, nicht irgendeine kleine Meinungsverschiedenheit. Und England war noch nie so schlecht auf einen Krieg vorbereitet, weil unsere halbe Flotte außer Dienst gestellt ist. Wenn unser Volk diesen langen, harten Konflikt ertragen soll, dann braucht es Siege — keine Offiziere, die sich umdrehen und weglaufen, nur weil sie vor einer Übermacht stehen!»

Er sah Keen ins besorgte Gesicht.»Wir haben keine andere Wahl, Val. Die beiden Fregatten können uns hetzen und stellen wie die Meute den Hirsch. Damit bekäme der 74er Zeit, zu uns aufzuschließen und uns den Garaus zu machen. Aber wenn wir schon verlieren sollen, dann lieber mit dem Gesicht zum Feind und nicht auf der Flucht!«Bolitho wandte sich um, weil Tyrrell vorsichtig wieder an Deck gesetzt wurde.

«Das kann einen Mann ja entzweischneiden«, schimpfte er. Dann sah er sie an und setzte hinzu:»Ich hatte recht, es ist dasselbe Linienschiff. Muß nach dem Auslaufen aus Boston nach Süden gesegelt sein. Fährt eine Konteradmiralsflagge im Besan.»

Bolitho nickte.»Dann ist es die Argonaute, ein Neubau der dritten Klasse. Und auch den Admiral kenne ich von früher: Konteradmiral Jobert, einer der wenigen alten Royalisten, der den Terror überlebt hat. Ein guter Offizier.»

Er wußte, daß die Umstehenden die Ohren spitzten, um ihm zuzuhören, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließen. Aber sie gierten nach jedem Hinweis auf das, was ihnen bevorstand.

Leichthin sagte er deshalb:»Ich gehe nach achtern und esse einen Happen, dann können wir das Schiff gefechtsklar machen.»

Während er mit langen Schritten seiner Kajüte zustrebte, war er sich bewußt, daß seine beiläufige Bemerkung wie ein Lauffeuer durch die Messen gehen würde: kein Grund zur Sorge, Kumpels, der Admiral füllt sich erst mal den Bauch.

Ohne ihn richtig wahrzunehmen, schritt er an dem Wachtposten vorbei, der die Tür aufriß, in seine Kajüte und blieb erst an den Heckfenstern stehen. Als er sich hinausbeugte, konnte er gerade noch die oberen Segel der französischen Fregatte ausmachen. Also eine gute Stunde Frist. Vielleicht würde ja gar nichts Dramatisches geschehen. Warum sollten sie auch kämpfen — nur um zu sterben? Wer würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er sich von einer Übermacht fernhielt, gegen die er keine Chance hatte?

Er legte eine Hand auf die Brust und fühlte sein Herz hämmern. Aus Angst? War es diesmal soweit? War das kommende das eine Gefecht zuviel? Weiß Gott, es war schon anderen, weitaus tapfereren Männern vor ihm geschehen, daß sie die Nerven verloren.

Bolitho wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel trocken und wandte sich blicklos wieder dem Raum zu.

Es war die Angst, etwas so Kostbares zu verlieren, daß er sich keinen Ersatz dafür vorstellen konnte. Er hatte sich zuviel erhofft, hatte zu sehr gebangt. Eine Schwäche, die er sich nicht leisten durfte, wenn so viele Menschenleben von seiner Entscheidung abhingen. Was zählte schon Hoffnung? Überhaupt nichts, wenn erst die Breitseiten donnerten.

Ozzard trat mit einem Tablett in die Kajüte.»Frisches Huhn, Sir.»

Bolitho sah ihm zu, als er das Tablett vorsichtig abstellte. Also hatte auch der Zahlmeister seine Hoffnungen gehabt, denn andernfalls hätte er niemals eins seiner kostbaren letzten Hühner geopfert.

«Ein Glas Wein, Sir?«fragte Ozzard geduldig.

Bolitho mußte lächeln. Der schmächtige Ozzard, wie vertrauensvoll und loyal er war! Nichts schien ihm ferner zu liegen als der Gedanke, daß er noch vor dem Abend tot sein konnte.

«Ja, bitte, Ozzard«, sagte Bolitho.»Ein Glas aus deinem speziellen Kistchen.»

Als der Steward davongehuscht war, vergrub Bolitho das Gesicht in den Händen.

Der französische Admiral war also über den neuerlichen Kriegsausbruch noch nicht informiert, sonst hätte er auf jeden Fall die Formation seines Geschwaders so geändert, daß er aus drei Richtungen zugleich angreifen konnte. Achates konnte die erste Fregatte unter Feuer nehmen und wahrscheinlich zum Wrack schießen, ehe ihr Kommandant wußte, wie ihm geschah. Danach konnten sie das Linienschiff angreifen. Dann war die Übermacht immer noch groß, aber wenigstens um ein Drittel reduziert.

Bolitho rief sich seine ungläubige Wut ins Gedächtnis, als der spanische Zweidecker Achates ohne Vorwarnung angegriffen hatte. Wie hatten sie ihn für seine Feigheit und Hinterhältigkeit verflucht!

Brachte er es jetzt über sich, genauso zu handeln?

Nicht ehrenhaft. Ehrenhaft. Das Wort schien wie ein geflüsterter Zauberspruch in der Kajüte umzugehen.

Bolithos Blick fiel auf den alten Familiensäbel an der Wand, und er erinnerte sich wieder daran, wie sein Vater die Waffe ihm und nicht seinem älteren Bruder Hugh übergeben hatte. Sie hätte eigentlich Hugh gebührt, wäre da nicht sein Verrat, seine Desertion gewesen, die wie ein Schatten über der Familie hing und Bolitho sogar bis nach San Felipe gefolgt war. Das hatte dem alten Bolitho das Herz gebrochen und den Säbel in die Obhut seines zweiten Sohnes gebracht.

Laut sagte Bolitho:»Also sei's drum!«Im Grunde hatte er nie die freie Wahl gehabt, hatte sich nur etwas vorgemacht.

Als Ozzard mit einer in der Bilge gekühlten Flasche Wein zurückkam, fand er Bolitho so ruhig und äußerlich unbesorgt vor, wie er es von ihm gewohnt war.

So schlecht konnte es demnach nicht um sie bestellt sein.

XVII Mit Vorwarnung

Mit ein paar Schritten über aufgeschossene Leinen war Bolitho an der Luvreling des Achterdecks. Die französische Fregatte stand nun an Steuerbord achteraus viel dichter bei ihnen, hatte aber Segel gekürzt, als sei sich der Kommandant über den nächsten Schritt noch unschlüssig. Bolitho schätzte den Abstand auf eine halbe Meile.

Hinter sich hörte er Männer unbeholfen herumkriechen, als sei die Achates plötzlich mit Krüppeln bemannt. Aber es war unbedingt nötig, daß sie ohne das übliche Hasten und Rennen gefechtsklar machten, denn das wäre den Ausgucks der Franzosen sofort aufgefallen.