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Wieder hoben die Steuerbord-Stückmeister einer nach dem anderen die Hand, um ihre Kanone schußbereit zu melden. Die französische Fregatte trieb unter dem Gewicht der Wrackteile hilflos nach Lee — einstweilen noch. Denn Bolitho ließ sich nicht täuschen; er wußte nur zu gut, was geschehen konnte, sobald Äxte und Messer die Trümmer drüben erst gekappt und das Schiff befreit hatten.

«Großbrambrassen — hievt, Leute, hievt! Noch mehr!»

Achates schwang immer weiter herum, bis die Fregatte plötzlich Steuerbord voraus an ihr vorbeiglitt, als mache sie so viel Fahrt und nicht der leichte Zweidecker.

Jedem unerfahrenen Auge hätte er ein chaotisches Bild geboten. Ein Bootsmann legte mit seiner Gang auf der Großrah aus, um die Kettenschlingen aufzuriggen, während das Schiff unter ihnen fast um seine Masten auf der Stelle drehte, um das Heck des Feindes zu passieren.

«Steuerbordbatterie — feuerklar!»

Keen hielt den Arm hoch erhoben und zuckte mit keiner Wimper, als in der Bordwand des Feindes hier und da eine einzelne Kanone trotzig zurückfeuerte. Aber für Gegenwehr war es zu spät. Als Achates das Steuerbord-Achterschiff des Feindes passierte, verstummten drüben auch die letzten Kanonen, denn der Schußwinkel wurde zu spitz.

Aber aus dem Besan und vom Hüttendeck wurde mit Musketen geschossen — spärliches Einzelfeuer, das Dewars Scharfschützen energisch erwiderten.

Bolithos Magen verkrampfte sich, als er sah, wie Achates' Klüverbaum am Heck der Fregatte mit seinen schimmernden Fenstern und dem in Goldbuchstaben geschnitzten Namen La Capricieuse vorbeiglitt.

Denn nun spuckte Achates' Steuerbordkarronade auf dem Vorschiff Feuer und Rauch, und das Heck des Franzosen schien aufzuplatzen wie eine obszöne Eiterbeule. Aber damit nicht genug: Wenn die großkalibrige Kugel in dem mit Menschen vollgepackten Rumpf barst, mußte ihre Ladung aus Nägeln und scharfen Eisenstücken das Batteriedeck in ein blutiges Schlachthaus verwandeln.

Menschen, Waffen und das Ruderrad, alles würde weggefegt werden und das Schiff für lange Zeit bewegungsunfähig bleiben.

Keen formte mit den Händen einen Schalltrichter.»Lassen Sie die Royals setzen. Mr. Quantock!»

Ihm blieb keine Zeit, über die Bluternte der Karronade nachzudenken, für ihn zählte nur, daß die Fregatte außer Gefecht gesetzt war.

Wieder einmal kämpfte sich Achates in eine Position, in der sie den Wind von schräg achtern harte. An Bord schien sich nichts verändert zu haben: keinem Mann war ein Haar gekrümmt, kein Segel war durchlöchert, keine Planke zerfetzt worden.

Bolitho stieg aufs Hüttendeck und richtete sein Fernrohr auf das französische Linienschiff. Selbst auf diese Distanz machte das Schiff einen wütenden, kämpferischen Eindruck, als es mehr Segel setzte und Signalflaggen hißte, um die zweite, noch unbeschädigte Fregatte zu verständigen.

Knocker rief:»Neuer Kurs Ostnordost, Sir!»

Der französische 74er steuerte Nordost und damit wieder konvergierenden Kurs zu ihnen. Aber er hielt immer noch die Luvposition und würde wahrscheinlich versuchen, seinen Gegner mit einer hoch gezielten Breitseite zu entmasten oder ihn mit Kettenkugeln wenigstens stark zu beschädigen, während er selbst für den Briten außer Schußweite blieb.

Keen trat heran und salutierte.»Alle Kanonen geladen und feuerklar, Sir«, meldete er und warf einen Blick nach oben in die Takelage.»Mr. Rooke hat es sogar geschafft, in der Zwischenzeit alle Netze und Kettenschlingen auszubringen.»

Bolitho mußte lächeln.»Ich weiß, daß wir viel riskiert haben, Val.»

Keen wandte den Blick ab.»Jedenfalls waren Sie fair und haben sie vorher gewarnt. Diesmal brauchen Sie das nicht mehr zu tun.»

Auch er starrte gespannt zu dem französischen Linienschiff hinüber, das noch eine Seemeile entfernt war; die kleine Fregatte hielt sich gut frei von ihm und kreuzte vor dem Wind, um sich jederzeit aufAchates stürzen und das Feuer aus einem anderen Winkel eröffnen zu können.

Bolitho wußte, daß Achates sich nun bald mit dem moderneren, größeren und besser bewaffneten Gegner messen mußte, und spürte die Spannung wie eine geballte Faust in seinen Eingeweiden; immerhin war sein Schiff beweglicher und hatte sich schon Hunderte von Malen im Gefecht bewährt.

Keen überlegte laut:»Wenn er in Luv bleibt, kommen wir nicht an ihn heran, Sir. Während er jederzeit zu uns aufschließen oder sein Glück mit Einzelfeuer auf weite Distanz versuchen kann. Auch dabei sind verheerende Treffer möglich.»

«Richtig. «Bolitho stieg in die Wanten und spähte achteraus.»Die andere Fregatte, die Diane, hat noch Westkurs, wird aber bald halsen und hinter uns herkommen. «Er lächelte Keen grimmig an.»Um uns in die Hacken zu beißen.»

Keen nickte.»Und wenn wir dann bereits im Gefecht mit Argonaute sind, kann sie entscheidenden Schaden anrichten, Sir.»

Bolitho sprang wieder an Deck.»Was halten Sie davon, Val, wenn wir die Diane als Köder benutzen?»

Keens Augen leuchteten auf.»Indem wir zuerst sie angreifen, Sir?»

Bolitho nickte.»Soweit ich weiß, ist Konteradmiral Jobert ein Ehrenmann. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er untätig zusieht, wenn seine letzte Fregatte von einem Linienschiff attackiert wird. «Er vergewisserte sich über den Stand der Sonne. Erst eine Stunde war vergangen, seit die Karronade das Schicksal der anderen Fregatte besiegelt hatte.

Dann fuhr er fort:»Wir haben einen Stückmeister namens Crocker an Bord. Er fiel mir auf, als ich die Festung besuchte: ein fürchterlicher Haudegen, aber ein Meister seines Fachs.»

Keen wußte, wen er meinte.»Vom unteren Batteriedeck. Ich lasse ihn rufen, Sir.»

Crocker erschien auf dem Hüttendeck und beschattete sein eines unverletztes Auge mit der Hand vor der Sonne, die ihn nach dem Zwielicht des unteren Batteriedecks zu stören schien. Er grüßte lässig und baute sich vor Bolitho auf, eine seltsam bizarre Gestalt zwischen den adretten Seesoldaten.

Bolitho sagte zu ihm:»Sie übernehmen jetzt die beiden Heckkanonen, Crocker. Wir werden achteraus bald Gesellschaft bekommen. Wenn ich's sage, dann sollen Sie die Fregatte empfindlich genug treffen, um ihren Admiral auf den Plan zu rufen.»

Crocker legte den Kopf schief, damit sein gesundes Auge Bolitho mustern konnte.»Sir?«fragte er begriffsstutzig.

«Tu einfach, was man dir sagt, Crocker«, meinte Keen entnervt.»Der französische 74er wird zu uns aufschließen, wenn der Admiral an Bord sieht, was wir hier anstellen.»

«Ach so, verstehe, Sir.»

«Such dir die besten Kanoniere zusammen, Hauptsache, du entmastest mir diese Fregatte.»

Crocker grinste mit lückenhaftem Gebiß.»Und ich dachte schon, Sie wollten sich mit der Kleinen begnügen, Sir.»

Er hinkte davon, und Keen murmelte:»Wenn die Franzmänner bei uns längsseits gehen, wird sie Crockers Anblick zu Tode erschrek-ken.»

Bolitho lockerte sein Halstuch und warf einen Blick zum Himmel. Hoch über den feindlichen Schiffen trieben Seevögel gleichgültig im Aufwind dahin wie Geier, die kaltblütig auf ihr gräßliches Mahl warteten.

Er dachte an Belinda, an die grünen Hänge zu Füßen von Pendennis Castle, von wo aus sie den vorbeiziehenden Schiffen nachsehen konnte.

Dann hörte er Adam sagen:»Jetzt dauert es nicht mehr lange.»

Bolitho sah ihn an und fragte sich, ob Adam Angst hatte. Oder verbitterte es ihn, daß er vielleicht so jung schon sterben mußte?

Dem Leutnant war der Blick nicht entgangen.»Keine Sorge, Sir«, sagte er,»ich bin bereit.»

Bolitho lächelte» Zweifellos. Komm, Adam, gehen wir ein bißchen auf und ab, das vertreibt die Zeit.»

Die Scharfschützen und die Kanoniere an den Drehbassen in den Marsen spähten hinunter aufs Achterdeck, wo der Vizeadmiral und sein junger Adjutant promenierten, mit ihren Schatten die nackten Rücken der Stückmannschaften streifend.