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Kapitän Glazebrook, der nach langen Wochen im Fieber gestorben war, hatte wegen seiner Krankheit die Übersicht verloren. Quantock war wahrscheinlich nun der Meinung, daß ihm eine Beförderung gebühre, am besten gleich der Befehl über Achates. Rooke, der den Ersten nicht leiden konnte, verabscheute den Gedanken, daß dieser an Bord das Kommando haben könnte, wie eine Gotteslästerung.

Quantocks scharfe Stimme schnitt in seine Überlegungen.»Standard, das ist am wichtigsten, ein hoher Standard. Ich werde nicht zulassen, daß die Schiffsführung durch Laxheit leidet.»

Rooke sah den neuen Kommandanten über Deck herankommen. Einen anderen Offizier hätte er wahrscheinlich gewarnt, aber Quantock verübelte er immer noch seine Unbeherrschtheit.

«Obendrein.»

«Mr. Quantock. «Keen wartete, bis der Erste zu ihm trat, damit sie von den Wachgängern nicht gehört werden konnten.»Ich bewundere Ihre Pflichttreue. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn Sie Ihre Ansichten in Zukunft mir gegenüber äußern würden und nicht vor der ganzen Mannschaft!»

Bolitho hatte von der Poop aus das meiste mitbekommen und den

Rest erraten. Machte es wirklich einen so großen Unterschied, daß sie unter Admiralsflagge segelten? Selbst Keen schien gereizt zu sein; vielleicht bedauerte er schon seine Beförderung, die ihn in eine Sackgasse geführt haben mochte.

Nein, daran lag es nicht, entschied Bolitho. Die Ungewißheit war schuld. Das Vakuum, das der Friede für die Marine bedeutete. Sie hatten sich zu sehr an den Kampf gewöhnt, rechneten ungeduldig damit, und sein Ausbleiben wirkte wie ein Dämpfer.

«An Deck! Segel in Luv voraus!»

Keen blickte nach oben und wandte sich dann mit fragender Miene zu Bolitho um. Ihr Verfolger blieb ihnen also weiter auf den Fersen, lauerte wie ein Attentäter knapp außer Sicht.

Vielleicht, dachte Bolitho, bekamen sie alle noch mehr Pulverrauch zu schmecken, als ihnen lieb war, obwohl die Unterschriften unter dem Friedensvertrag noch nicht lange getrocknet sein konnten. Mit neuer Zielstrebigkeit nahm er seinen Spaziergang wieder auf, als wolle er überschüssige Kraft verbrauchen.

Er machte sich Vorwürfe, daß seine Phantasie mit ihm durchgegangen war. Nicht die Mannschaft, er selbst gierte nach Abwechslung, nach einem Zwischenfall, der ihn davon ablenken konnte, daß erbarmungslos ein Tag nach dem anderen verstrich.

Achates würde immer noch Richtung Boston unterwegs sein, wenn Belindas schwere Stunde nahte. Er kam sich vor wie in einer Falle, so hilflos.

Dann fiel sein Blick auf Adam, der sich weiter vorn auf dem Batteriedeck mit dem jungen Marineleutnant Hawtayne unterhielt.

Ich bin auch nicht besser als Admiral Sheaffe, dachte Bolitho. Neidisch, aber nicht auf den Erfolg, sondern auf die Jugend.

Zum Glück hatte er Belinda, die zehn Jahre jünger war als er. Bloß daß er jetzt, da sie ihn brauchte, hier draußen festhing wie Prometheus an seinem Felsen.

>Warum gerade du?< Er konnte immer noch ihre Stimme in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers hören. Ja, warum gerade er?

Er verhielt den Schritt und ließ seinen Körper mit den Bewegungen des Schiffes schwingen, das souverän durch den Schwell des Atlantiks ritt. Vielleicht war es eine Art Besessenheit bei ihm. Die Gefangenschaft in Frankreich, seine Flucht, die hohen Verluste der letzten

Schlacht gegen Remonds Geschwader waren zu viel gewesen und zu bald nach seiner schweren Verwundung gekommen. Wie zum Hohn wühlte der alte Schmerz wieder in seinem Schenkel. Er versuchte, sich an Belindas Berührung zu erinnern, aber es gelang ihm nicht.

Er rief:»Kapitän Keen, wenn es dunkelt, löschen wir alle Lichter und gehen über Stag. Neuer Kurs Nordwest. Bis zum Morgen will ich dieses fremde Schiff in unserem Lee sehen, damit wir es stellen können.»

Schon öffnete Keen den Mund zum Protest, tippte dann aber gehorsam an den Hut.»Ich lasse jeden Fetzen Tuch setzen, Sir«, versprach er.

Bolitho verschwand im Schatten unter dem Hüttendeck und begab sich nach achtern in sein Quartier.

War sein Entschluß überhastet, vielleicht sogar kindisch? Achates segelte allein, und dennoch hing so viel von ihr ab wie von einem Geschwader oder sogar von einer ganzen Flotte. Seine Leute hatten sich diese Mission nicht ausgesucht. Keen, der verbitterte Erste Offizier Quantock, sogar der Bootsmannsgehilfe Christy, der über sein gutes Gedächtnis so gerührt gewesen war, sie alle konnten Besseres von ihrem Admiral erwarten.

Aber es gab einen entscheidenden Unterschied. In Keens Gedanken nahm das Schiff mit seiner Besatzung die erste Stelle ein, ihr Auftrag die zweite. Aber für Bolitho mußte die Achates ein Werkzeug sein, eine Waffe, um seinen Auftrag notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Zum erstenmal wurde ihm die Tragweite seiner neuen Verantwortlichkeit klar, und diese Erkenntnis festigte ihn.

Allday stapfte in die Kajüte und hängte den alten Säbel an seinen Platz. Er putzte und polierte ihn gern, auch wenn das bei der alten Waffe nicht viel nützte; aber so hatte er wenigstens einen Vorwand, nach Belieben kommen und gehen zu dürfen.

Mit einem Seitenblick auf Bolitho, der mit windzerzaustem Haar auf der Bank unter den Heckfenstern saß, stellte er fest, daß der Vizeadmiral wieder die Ruhe selbst war. Der Sturm schien vorbeigezogen zu sein.

«Ich frage mich, Sir.»

Bolitho fuhr herum, er merkte erst jetzt, daß er nicht mehr allein war.»Was?»

«Na ja, Sir, ich meine, wenn Sie Gouverneur dieser Insel wären, die wir jetzt den Musjös in den Schoß werfen, was würden Sie dann tun?»

Bolitho erhob sich und ging zum Weinkabinett hinüber, wo er zwei Gläser Brandy eingoß.

Eines reichte er dem erstaunten Allday und sagte:»Danke. Das ist genau der Punkt. «Der Brandy brannte auf seinen Lippen.»Was ich tun würde, Allday? Ich würde mich wehren, würde kämpfen. Und genau das wird er wahrscheinlich tun.»

Allday atmete auf. Er verstand zwar nicht ganz, was er mit seiner Frage bewirkt hatte, aber es erleichterte ihn, daß sich Bolithos Stirn glättete.

Bolitho sah ihn voll Zuneigung an.»Dir hätten sie einen Sitz im Parlament geben sollen, Allday.»

Allday stellte sein leeres Glas ab. In dieser Stimmung kannte er seinen Admiral noch nicht.»Dafür bin ich zu ehrlich, Sir.»

Lachend wandte sich Bolitho den Fenstern zu und studierte die Wirbel des Kielwassers, das Achates hinter sich herzog.

Nein, für San Felipe gab es keine einfache Lösung.

Vielleicht hatte Sheaffe deshalb einen Mann gebraucht, der nicht nur taktvoll, sondern vor allem tapfer war. Aber da mußte erst Allday kommen und ihn darauf stoßen.

«Alle Mann auf Stationen, Sir, Schiff klar zum Gefecht.»

Keens Stimme kam aus der Dunkelheit, Bolitho konnte die Gestalt des Kommandanten kaum von den anderen Männern an der Querreling unterscheiden.

Keens ständiges Exerzieren hatte bei der schon von ihrem alten Kommandanten gedrillten Mannschaft gute Früchte getragen, dachte Bolitho. Das Kommando» Alle Mann!«hatte die Leute früh alarmiert; sie hatten noch eine warme Mahlzeit bekommen, ehe sie alle Feuer löschten und das Schiff gefechtsklar machten.

Trotzdem gab es kaum Anzeichen für Nervosität oder Furcht vor drohender Gefahr. Es herrschte doch Friede, weshalb sollten sie sich also ängstigen?

«Das ging leise vonstatten«, lobte Bolitho.

Er schauderte kurz in dem kalten, feuchten Wind, der quer über Deck fauchte. Erst in einer Stunde würde die Sonne aufgehen und mit ihrer Wärme die Planken zum Dampfen und das Pech der Decksnähte zum Schmelzen bringen.»Kurs West zu Nord liegt an, Sir.»

Bolitho nickte. Das war Segelmeister Knockers Stimme gewesen. An Ruder und Kompaß hatte er das Sagen, ein Mann, der nur selten lächelte, hager und hochgewachsen, mit dem asketischen Gesicht eines Mönchs. Aber seine Kursberechnungen und Standortbestimmungen waren so zuverlässig, wie sich Bolitho es nicht besser wünschen konnte.