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Krista packte sein Handgelenk und zog ihn mit behutsamem, aber bestimmtem Griff fort. Sie sah seinen Augen an, dass er wieder schreckliche Angst hatte.

Zögernd gab Scott nach.

»Einmal tief Luft holen, Liebster, und dann lass es uns versuchen, okay?«

Scott nickte bedächtig und atmete ein. Dann tauchte er zusammen mit Krista unter.

Blitzschnell gelangten sie zur gegenüberliegenden Seite des ersten Querbalkens, wobei Scott einen so gewaltigen Satz machte, dass er sich den Kopf schon wieder stieß - dieses Mal an der Kante eines Metallverbindungsstücks.

»Vorsichtig, Liebster«, sagte Krista. »Es wird alles wieder gut. Es sind nur noch drei, nur drei... oh, Scott, ich dachte, du wärst ...« Sie hatte Tränen in den Augen. »Komm, mein Schatz, nur noch drei.«

Und langsam, einen Abschnitt nach dem anderen, schafften sie es.

Endlich am äußeren Rand des Anlegestegs angelangt, streckte Scott einen Arm aus und hielt sich an der Kante fest. Völlig erledigt legte er seine Wange an die raue Holzoberfläche.

Krista blieb im Wasser, unmittelbar neben ihm, strich ihm übers Haar und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Bob und Fred hockten direkt über ihm.

»Okay, Kumpel«, sagte Bob. »Lassen Sie Ihre Frau jetzt los, wir ziehen Sie hoch.« Er griff nach Scotts Handgelenk. »Kommen Sie schon, Doktor. Einfach loslassen. Sie sind jetzt im grünen Bereich. Kommen Sie!«

Langsam lösten sich seine Finger. Mit Kristas Hilfe hievten die beiden Alten Scotts starren, zitternden Körper, der gut neunzig Kilo wog, aus dem Wasser.

Wie ein toter Fisch klatschte Scott auf die nasse, glitschige Oberfläche des Stegs. Leichte Wunden überzogen sein Bein wie Rallyestreifen, aber es gab keine offensichtlichen Anzeichen für einen Bruch. Krista kniete sich neben ihn, küsste sein Gesicht, fuhr mit ihren Fingern durch sein wirres Haar. Kath war während der letzten Minuten völlig in Vergessenheit geraten. Jetzt stand sie am Ufer, ein Stückchen entfernt vom Steg, ließ einen Mundwinkel hängen und stocherte mit zwei Fingern darin herum. Als Scott sie endlich bemerkte und so dastehen sah, fühlte er, wie sich sein Herz - genau wie der übrige Körper - vor Schmerz verkrampfte.

Während die nackte, seine Seele zermürbende Panik nach und nach verflog, streckte er die Hand nach seiner Tochter aus. Langsam, fast schüchtern kam Kath zu ihm und ergriff sie.

Eine ganze Weile verharrten sie so. Keiner rührte sich, weder Scott mit seinen beiden Frauen noch Bob und Fred, die still daneben standen. Schließlich halfen sie ihm mit vereinten Kräften zuerst auf die Beine, dann den Hügel hinauf und ins Fernsehzimmer, in seinen Lieblingsraum, wo man immer noch einen leichten Hauch der von der Malerin benutzten Lösungsmittel und Ölfarben wahrnehmen konnte.

»Ich möchte euch allen danken!«, sagte Scott Sein Atem ging immer noch zu schnell. »Ihr habt da draußen mein Leben gerettet. Ja, das habt ihr wirklich.«

Mittlerweile war eine halbe Stunde vergangen. Bob hatte vorgeschlagen, einen Krankenwagen zu rufen, aber Scott hatte sich widersetzt und unter Husten und Keuchen versichert, ihm gehe es gut, er müsse sich nur etwas ausruhen. Krista hatte sein Bein mit einer perfekt sitzenden Mullbinde versorgt, während Fred oben in der Küche Tee gekocht hatte. Scott versuchte an seinem zu nippen (Krista musste die Tasse für ihn halten, denn mit seinen zitternden Fingern schaffte er das nicht), aber der Tee kam ihm prompt und in einem riesigen, seine Eingeweide zerreißenden Schwall wieder hoch.

Inzwischen hatte der Himmel die Farbe von dunklem Schiefer angenommen, schon klatschten die ersten Regenspritzer auf die Fliesen der Terrasse. Während sich ein Sturm zusammenbraute, schaukelten die Birken und Fichten so unruhig hin und her, als wollten sie sich gleich von den Wurzeln lösen und die Flucht ergreifen. Am fernen, von Nebel verhangenen Himmel grollte der Donner. Es klang fast so, als knurre ein leerer Magen.

Scott lag eingekuschelt in eine dicke Daunendecke auf dem Ausklappsofa im Fernsehzimmer. Neben ihm saßen Krista auf der einen, Kath auf der anderen Seite. Seine Tochter sah unter ihrer Sommerbraune sehr blass aus, ihre Augen glänzten verdächtig. Scott wurde bewusst, dass sie einen Schock erlitten hatte, was ihn trotz seiner eigenen Beschwerden stark beunruhigte. Immer noch so angezogen, als posierten sie für ein heraustrennbares Poster der Zeitschrift Feld 6f Fluss, waren Bob und Fred zwischen Sofa und Farbfernseher stehen geblieben. Die beiden Alten sahen so aus, als sei ihnen die Situation irgendwie peinlich, und wirkten seltsam fehl am Platz. Während Fred in seinen Gummistiefeln von einem Bein aufs andere trat, kaute Bob nervös auf seiner Pfeife herum.

Jetzt nahm Bob die Pfeife aus dem Mund, weil er etwas sagen wollte. Dabei stopfte er den Daumen in den leeren Pfeifenkopf. »Wir hatten einfach nur Glück, Scott.« Er deutete mit dem Pfeifenstiel auf Kath. »Deine Kleine da drüben ist diejenige, die dich gerettet hat.«

Als Scott Kath den Arm um die Taille legte, fuhr sie, aufgeschreckt aus ihren trüben Gedanken, sofort hoch. Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht ganz. Kurz darauf wurden ihre Augen wieder glasig.

Da Scotts erster Tauchgang ihr Angst gemacht hatte, war Kath stehen geblieben, hatte nach seinem zweiten Sprung atemlos Wache gehalten und gewartet, dass er wieder an der Oberfläche auftauchte. Als die Kamera, umgeben von einem Schwarm Luftblasen, hochgegluckert kam, war ihr bewusst geworden, dass etwas nicht stimmte, und sie hatte nach Hilfe gerufen. Die beiden Angler hatten bereits drüben bei Bob zu Hause angelegt und wollten gerade aus dem Boot klettern, als sie Kaths Rufe hörten. Schnell waren sie zurück an Bord gesprungen, hatten Vollgas gegeben und in Windeseile die kurze Strecke offenen Wassers durchschnitten, die zwischen den Häusern der Andersons und der Bowmans lag.

»Hätte sie nicht in genau diesem Moment losgebrüllt«, sagte Bob, ohne den Satz zu beenden. Er klopfte seinem Partner auf den Rücken. »Obwohl - es war der alte Fred hier, dem der Einfall kam, dass wir den Anker hinter uns herziehen könnten.«

Mit verlegenem Lächeln betrachtete Fred seine Stiefelspitzen. »Waren Sie da unten eingeklemmt, Scotty?«, fragte er. »Auf dem Seegrund?«

Scott nickte, und das Nicken bewirkte einen kurzen Krampf. Krista, die es merkte, drückte ihn noch fester an sich. Und sogar Kath kehrte kurz aus ihrer trüben Gedankenwelt zurück, um seinen zitternden Arm zu streicheln.

Scott, der immer noch mühsam atmete, versuchte, seinen Rettern die Schrecken des letzten Tauchgangs zu beschreiben. Danach schwieg er.

Bob legte eine Hand auf Freds Schulter und deutete mit dem Kinn auf Scott, der immer noch zitterte, obwohl er die Augen kaum noch offen halten konnte. Er war körperlich erledigt - ein Zustand, den Bob Anderson nur zu gut kannte. Oft genug war es ihm selbst am Ende eines Arbeitstages so gegangen, wenn er sechzehn Stunden lang unter der unbarmherzigen Julisonne auf dem Feld geschuftet hatte.

»Lass uns mal gehen«, sagte er zu seinem Freund, der zustimmend nickte.

»Danke noch mal«, murmelte Scott, als die zwei Alten aufbrachen.

Dann sank sein Kopf zentnerschwer aufs Kissen, während ihn wohltuende Dunkelheit umfing, der er sich bereitwillig überließ. Unterdessen zuckten die ersten Blitze über den stürmischen, mit Elektrizität aufgeladenen Sommerhimmel. Unruhig warf sich Scott hin und her, durchschlief aber den Sturm, der bis zum Mittag tobte, und wachte erst am späten Nachmittag wieder auf.

Mit einem erstickten Schrei fuhr er hoch. Wieder spürte er, wie der See ihm die Kehle zudrückte. Aber es war nur ein Kissen, das er sich während des Schlafs über das Gesicht gezogen hatte. Es war zwar federleicht, hatte ihm im Traum jedoch das Gefühl zu ertrinken gegeben. Als Krista seinen Schrei hörte, stapfte sie in Windeseile die mit Teppichboden ausgelegte Treppe hinunter zu ihm ins Fernsehzimmer und rief alarmiert seinen Namen.