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Krista war wirklich fertig, wie Scott an ihrem Endlosmonolog merkte. Dennoch konnte er sein Lächeln nicht unterdrücken. Ihnen war nichts passiert, Gott sei Dank waren sie unversehrt.

»Wir sind um diese scharfe Kurve gebogen - und da waren sie, Kühe, vielleicht sechzig oder so, überall auf der verdammten Straße. Und ein halbes Dutzend Bauern mit Taschenlampen und Hunden. Die Kühe hatten den Weidezaun niedergetrampelt und waren ausgebrochen. Dem Auto ist nicht viel passiert ... ich meine, ich kann noch damit fahren. Der Kühler ist ein bisschen eingedrückt. Ich bin ins Schleudern geraten und im Straßengraben gelandet. Mein Gott, ich bin mir wie eine Kriminelle vorgekommen. Diese Bauern haben mir ganz schön hässliche Blicke zugeworfen ... Und dann mussten sie das Auto auch noch auf die Straße hieven. Egal, aber um dem noch eins draufzusetzen, musste es auch noch zu regnen anfangen. Regen mit Blitz und Donner, es war ein regelrechter Gewittersturm. Und du weißt ja, wie solche Gewitter Kath zu schaffen machen.«

Während er grinsend im Regen saß, nickte Scott vor sich hin. Bei schlimmen Gewittern fiel Kath in die Verhaltensweisen eines fünf oder sechs Jahre jüngeren Mädchens zurück.

»Jedenfalls war ich fix und fertig. Deshalb hab ich einen Bauern gefragt, wie weit es zum nächsten Motel ist. Er sah so aus, als würde er mir lieber erzählen, ich solle ... na ja, du kannst es dir sicher ausmalen ... Aber er hat's mir dann trotzdem gesagt. Also sind wir losgefahren, wobei ich wie Espenlaub gezittert hab, nachdem wir die Kuh erwischt hatten. Und Kath war völlig verängstigt und verhielt sich wie eine Dreijährige.«

Während er zuhörte, wanderte Scott den Hügel hinauf zurück zum Haus. Erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, dass er im Augustregen dagesessen und im Geiste Nachrufe auf die beiden Menschen verfasst hatte, die ihm auf der ganzen Welt am meisten bedeuteten. Ohne dass er es merkte, zertrat er mit der Schuhsohle den vierblättrigen Klee, den er mit einem Zweig markiert hatte. Nur die Höhepunkte in Kristas heruntergerasseltem Bericht drangen bis in die Gehirnbereiche vor, in denen er sie sortieren konnte, aber das spielte keine Rolle. Was zählte, war allein Kristas Stimme - diese lebhafte, entnervte Stimme, die in ihrer Erregung in den alten neufundländischen Dialekt ihrer Kindheit zurückgefallen war ... Was zählte, war allein die Tatsache, dass sie noch am Leben war. Das Auto, die Kuh, der Zeichner — nichts davon war wesentlich.

»Schließlich fand ich das Motel, Nomad's Notch« Krista lachte spöttisch. »Wenn du mich fragst, würde Nomad's Crotch schon eher passen (Anm. d. Ü.: Nomad's Notch: Nomadenherberge; Nomad's Crotch frei übersetzt Geschlechtsteil eines Nomaden). Was für ein Saftladen!« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Oh, Scheiße, dieser kleine Dreckskerl, der Motel-Besitzer, hat das eben mitgehört. Ich wollte dich anrufen, als ich hier ankam«, fuhr sie in normalem Tonfall fort. »Es war spät, schon nach Mitternacht, und ich wusste, du würdest dir Sorgen machen. Aber wegen des Gewitters ist das Telefonnetz zusammengebrochen, das Stromnetz auch. Also mussten Kath und ich im Dunkeln in diesen matschigen Hof hinaus und nach Zimmer siebzehn suchen. Und da stellt sich heraus, dass uns diese kleine Ratte die Bruchbude ganz am Ende der Reihe zugewiesen hat, mit undichtem Dach, ohne Heizung und mit einer vermoderten, alten Matratze. Als ich heute Morgen aufwachte, hatte ich überall am Arsch Abdrücke von den Sprungfedern.«

Krista war drauf und dran, die Beherrschung zu verlieren. Scott hatte das Gefühl, sie werde vielleicht zu weinen anfangen. Erleichtert, wie er war, hatte er verkannt, wie sehr sie dies alles mitgenommen hatte. Im Vergleich zu dem Schicksal, das er sich ausgemalt hatte, kamen ihm Kristas Missgeschicke wie Kleinigkeiten vor. Aber alles war relativ.

»... hab dauernd von dieser armen Kuh geträumt. Als ich sie erwischt hab, hat sie sich eingekotet, Scott. Hat direkt auf die Motorhaube geschissen.« Als Krista ihren Monolog kurz unterbrach, konnte er über die Meilen hinweg ihre lauten Atemzüge hören. »Und dann ...«Jetzt weinte sie tatsächlich, Scott konnte die Tränen fast kullern hören. »Und dann das! Um halb sechs Uhr früh wird meine Zimmertür aufgerissen und diesen beiden gehirnamputierten Polizisten platzen herein!«

»Oh, mein Gott.« Plötzlich fand Scott die ganze Situation zum Brüllen komisch. Gerrys Werk ... Seine Detektivarbeit hatte Früchte getragen.

»Was geht da vor, Scott? Die halten mich für irgendeine Kriminelle, für eine Kidnapperin. Ist doch nicht zu fassen, oder? Ich hab denen meinen Führerschein, den Fahrzeugbrief und all das gezeigt, und Kath hat ihnen gesagt, dass ich ihre Mutter bin, aber die behaupten, sie müssten erst auf so was wie ´ne Unbedenklichkeitsbescheinigung aus Kanada warten.«

Sofort sah Scott eine Möglichkeit, aus der ganzen Sache mit weißer Weste herauszukommen. Vielleicht sogar als Held. »Hör mal, Liebling, lass das Weinen und gib mir deine Nummer im Motel, dann rufe ich dich sofort zurück. Ich werde mich mit Gerry in Verbindung setzen. Mal sehen, ob er diesen ganzen Schlamassel nicht aufklären kann. Offensichtlich hat es da irgendein Missverständnis gegeben.« Aus einer spontanen Eingebung heraus, die er erst Stunden später begreifen sollte, fügte er gleich darauf hinzu: »Und dann buche ich einen Flug und stoße in Boston zu euch ... Zur Hölle mit all den Sitzungen, dem Job und der Psychiatrie.«

»Okay, mein Süßer.« Krista schniefte zwar noch, klang aber wieder beherrschter. »Du bist ein Schatz.« Sie gab ihm die Nummer durch. »Danke. Und das mit dem Auto tut mir Leid.«

»Denk nicht ans Auto. Meine beiden Frauen sind heil und gesund, nur das zählt. Ich hab sowieso schon daran gedacht, den Volvo gegen einen Chevette einzutauschen.«

17

Als Krista lachte, fühlte sich Scott wie ein Glückspilz.

»Ich liebe dich, Scott.«

»Ich dich auch.«

Als sie auflegten, stand Scott immer noch draußen auf der Veranda im kühlen, erfrischenden Regen.

Als sich das Telefon erneut meldete, fuhr Scott zwar zusammen, empfand das Läuten aber nicht mehr als beängstigend, sondern nur noch als ganz normales, angenehmes Geräusch. Er trat von der Veranda ins Haus und nahm mit fröhlichem Hallo ab.

»Scott?« Es war Gerry. »Hör zu, wir haben die beiden gefunden, es geht ihnen gut Allerdings hat Krista eine Stinkwut«

»Tja, das weiß ich, sie hat gerade eben angerufen. Danke, Mann, ich schulde dir einiges und werd dir einen ausgeben.« Scott lachte leise. »Kannst du mir jetzt auch noch aus dieser Patsche helfen? Wenn Krista herausfindet, dass ich hinter all dem stecke — ganz abgesehen von dem verrückten Grund dafür -, dann gnade mir Gott.«

»Das ist die leichtere Übung.«

»Danke, Kumpel. Du musst ja denken, dass ich allzu lange in der Sonne gewesen bin und einen Stich habe.«

»Naja, du weißt doch, was man sich über Seelenklempner erzählt... Nein, ganz im Ernst, deine Sorge um die beiden hat mich echt gerührt. Du kannst von Glück sagen, Menschen um dich zu haben, an denen du so hängst.«

»Tja, ich weiß.« Scott gab es einen leichten Stich ins Herz, als er die eigene Situation mit der seines Freundes verglich. Gerrys Frau Steffie hatte ihren Ehemann vor zwei Jahren sitzen lassen - mit einer leer geräumten Wohnung und einem Abschiedsbrief auf dem Küchentisch.

»Kannst du mir jetzt auch den verrückten Grund für all das verraten oder muss ich warten, bis die's im Fernsehen bringen?«

»Das ist ja wohl das mindeste, was du verdienst. Allerdings nicht jetzt. Vielleicht nächste Woche bei einem Bier und einem Essen in der Pizza Hut. Ich möchte Krista gleich zurückrufen. Ich fliege noch heute nach Boston und treffe mich am Abend mit ihr.«