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»Okay, José. Aber lass mir noch zehn, fünfzehn Minuten Zeit, damit ich das Missverständnis in den Staaten aufklären kann, ehe du sie anrufst... Und meide die Sonne.«

»Auf bald«, sagte Scott lachend. »Ich ruf dich wieder an.«

Er legte den Hörer auf die Gabel und machte sich auf den Weg nach oben. Lautlos vor sich hin pfeifend, ging er ins Bad, entledigte sich seiner durchnässten Sachen und hüpfte unter die Dusche. Er fühlte sich großartig, besser als seit Tagen. Und dennoch konnte er, während das heiße Wasser Wunder wirkte, untrüglich spüren, wie die Erschöpfung ihn überwältigte. Er steuerte auf einen regelrechten Kollaps zu, das war ihm klar. Wahrscheinlich wurde er den ersten Tag in Boston einfach durchschlafen.

Eine Kuh, dachte er wieder. Keine schlurfenden Zombies aus dem Tal der Toten. Nicht, dass er auch nur einen Augenblick geglaubt hätte ...

Es war dieser Moment, in dem ihm klar wurde, dass der Zeichner trotz allem Recht behalten hatte. In seiner Erleichterung war Scott so zerstreut gewesen, dass er den wahren Kern der Prophezeiung missachtet hatte. Es war tatsächlich eingetroffen: Seine beiden Frauen hatten abends einen Autounfall gehabt, waren auf der Straße mit einem Lebewesen zusammengestoßen. Und das heißt, dass sie jetzt außer Gefahr sind... oder nicht? Er trat aus der Dusche, rubbelte sich energisch trocken und trottete ins Schlafzimmer hinüber. Immer noch ein wenig wackelig auf den Beinen, griff er nach dem Telefon und rief den Reservierungsschalter der Air Canada an. Das Bestmögliche, das man für ihn tun könne, sei die Reservierung eines Fluges nach Montreal samt eines Anschlussfluges nach Boston, wurde ihm mitgeteilt. Mit Air Canada könne er abends um acht aus Ottawa abfliegen und eine Stunde später in Montreal in eine Delta-Maschine umsteigen, um am späteren Abend um fünf vor elf in Boston zu landen. Das passte ihm gut: Der späte Flug würde ihm Zeit lassen, die Dinge in der Klinik zu regeln.

Als Nächstes wählte er die Nummer, die Krista ihm gegeben hatte.

Die Frau, die abnahm, sprach mit einem schleppenden Nordstaader-Akzent, der Scott affektiert vorkam. »Morgen, hier Nomad's Notch.«

»Hier Dr. Bowman«, erwiderte er mit so viel Autorität, wie er aufbringen konnte. »Bitte geben Sie mir Krista Bowman.«

Der Hörer schepperte, als er gegen irgendetwas Hartes stieß. Scott hatte dabei einen Kunststoff-Tresen voller Kaffeeflecken vor Augen. »Is' für Sie«, hörte er die Frau sagen. »Scott?«

»Hi, ich hab Gerry erreicht...«

»Ja, ich weiß.« Krista klang munter und erleichtert. »Diese Gangster sind abgezogen, ohne jede Entschuldigung oder sonst was. Haben nur gesagt: Hier ist Ihr Führerschein, Lady, Sie können jetzt fahren. Schweine. Na ja, wenigstens können wir jetzt los. Kath hält das alles für einen Mordsspaß. Ich hab Caroline schon angerufen. Sie hat gelacht, aber ich weiß, dass sie sich genau wie du Sorgen gemacht hat.«

Sie dachte einen Augenblick nach. »Mir geht's jetzt wieder gut, weißt du, du musst also nicht unbedingt nach Boston fliegen. Ich fände es zwar schön, aber ...«

Scott warf erneut einen Blick auf die Zeichnungen, die er vor dem Duschen aufs Bett geworfen hatte. »Sorg einfach dafür, dass der Harem heute Abend um elf am Delta-Ausgang versammelt ist.«

Krista kreischte leise auf, was sie nur tat, wenn sie sich sehr freute.

»Krista?« Scotts Stimme war fast ein Flüstern.

»Ja, Liebling?«

»Kannst du mir einen Gefallen tun?« Er sah die Angst im Gesicht des Kindes auf der Zeichnung und merkte, dass an seinem Haaransatz Schweiß perlte.

»Spuck's schon aus, Kumpel.«

»Fahr heute Abend nicht mehr nach Einbruch der Dunkelheit, ja?«

»Was? Warum denn nicht?«

»Bitte, Liebes. Tu einen Abend lang einfach das, was deinen bekloppten Ehemann beruhigt.«

»Und wie soll ich dich dann am Flughafen abholen?«

»Fahr mit Caroline, dann muss ich mir keine Sorgen machen, okay?«

»Okay.« Krista war zu erschöpft, um weiter nachzuhaken oder mit ihm herumzustreiten. »Bis heute Abend also.« Absichtlich ließ sie in diesen Abschiedsworten ein erotisches Versprechen mitschwingen.

»Alles klar«, erwiderte Scott, der das Signal erkannte. »Ich bin der Mann mit der Prawda unter dem Arm und der unreifen Chiquita-Banane, heimlich festgeklebt im Schritt« Krista lachte. »Bowman, du bist wirklich ein Blödmann ... Aber ich liebe dich trotzdem. Und tschüss.« Sie legte auf.

Ehe Scott am späten Vormittag zur Klinik aufbrach, faltete er die Zeichnungen zusammen und verstaute sie in der Reisetasche. Er wollte sie Krista zeigen, vielleicht würden sie dann beide herzhaft über diese ganze dämliche Sache lachen. In ein anderes Taschenfach stopfte er Jeans und Jinnie, Kaths Flickenpuppe.

Er war schon auf dem Weg nach draußen, als ihm die Weihnachtsfotos einfielen, die er hatte entwickeln lassen. Er schob sie als Letztes in die Tasche.

18

»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen.« Krista stand in der glühenden Mittagshitze und starrte den mit Schmieröl verdreckten Automechaniker fassungslos an. Seine Augen, die einen verblüffenden Farbton hatten, ein intensives Flaschengrün, zwinkerten vor Vergnügen. Hinter ihm, auf dem Schotterstreifen, war der Volvo abgestellt, aus dessen eingedrückter Motorhaube zischend Dampf entwich. Dagegen brummte der Motor des Abschleppwagens, der ganz in der Nähe stand, zufrieden vor sich hin. Fast so, als wolle er sich über ihr Missgeschick lustig machen, dachte Krista.

Von Nomad's Notch aus war sie genau dreißig Kilometer gefahren, als der Wagen zu stottern und das rote Auge der Temperaturanzeige vorwurfsvoll zu blinken begann. Wie nicht anders zu erwarten, war sie genau hier, am Arsch der Welt, gelandet, als es passierte. Und es hatte sie mehr als eine Stunde gekostet, einen Wagen anzuhalten, der sie in den nächsten Ort mitnahm.

»Nein, Gnädigste, das ist mein voller Ernst. Sie haben ein Loch im Kühler - sooo groß!« Er deutete es mit seinen ölverschmierten Wurstfingern an. »Offenbar hat sich ein Ast durch den Kühlergrill gebohrt, als Sie von der Straße abgekommen sind.« Jetzt lächelten seine grünen Augen, er sah wohl schon die Dollars fließen.

Krista blickte finster zu dem demolierten Wagen hinüber. »Können Sie das reparieren?«

Der Automechaniker rieb sich das Kinn und schlurfte zu seinem Lastwagen zurück, wo er einen Ellbogen am Fenster abstützte und einen Stiefel gegen das lehmverschmierte Trittbrett stemmte. So, wie er dastand, gab er teilweise die Sicht auf das Firmenlogo frei, das an der Fahrertür prangte: ERNIE THURSTON, TEXACO.

»Reparieren kann ich den Wagen schon«, erklärte er nach einer theatralischen Pause. »Brauch dazu aber einen neuen Kühlerblock. Wahrscheinlich muss ich den in Boston besorgen ...«

»Boston?!«, unterbrach ihn Krista. Sie waren immer noch gut dreieinhalb Stunden von Boston entfernt. »Wie lange wird das dauern?«

»Bis zum Nachmittag, schätze ich. Vielleicht sogar bis morgen Vormittag. Muss den alten Kühlerblock ausbauen und mit Greyhound hinschicken. Vielleicht finden wir so einen auch in Portland, falls wir Glück haben.« Er musterte den Volvo mit offener Verachtung. »Diese ausländischen Wagen mögen ja ganz nett und so sein, aber die Einzelteile sind schlampig produziert - der letzte Scheiß!« Als wolle er seiner Meinung, die aus vollem Herzen kam, Nachdruck verleihen, spuckte er aus. »'tschuldigung, Gnädigste.«

Krista biss sich auf die Lippen. Unwillkürlich fiel ihr ein Lieblingsausspruch ihrer Mutter ein, die sie im Plauderton sagen hörte: »Ein Unglück kommt selten allein.« Also gut, an welchem Punkt soll ich mit dem Zählen anfangen ?, fragte sich Krista bitter.Erst bringt mich meine Schwester mit ihrer Wichtigtuerei auf die Palme, dann der Zoll, danach der Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens. Schließlich verfranse ich mich in den Bergen, fahre eine Kuh tot, muss auf einer verlausten Matratze schlafen und werde wegen Entführung festgenommen. Reicht das noch nicht?