Выбрать главу

Doch Krista streifte sich bereits ein burgunderfarbenes T-Shirt über. »Starkes Stück«, sagte sie grinsend. Und weg war sie.

Scott knurrte, während sich seine Erregung noch steigerte. Er kannte dieses Spielchen: zuerst neckische Zurückweisung, später, im Bett, einfach unglaublicher Sex. Das war eines der Dinge an Krista, die dazu beitrugen, dass ihre Beziehung immer neu und voller Überraschungen blieb. Krista erlaubte ihm nie, irgendetwas als selbstverständlich anzusehen.

Er sprang unter die Dusche, blieb dort eine ganze Weile und ließ die heißen Wasserstrahlen die Anspannungen der Arbeitswoche fortspülen.

4

Nachdem Scott geduscht hatte, setzte er sich in einen Liegestuhl auf der Sonnenterrasse, schlürfte sein zweites Bier und blickte auf den Pike Lake hinaus. Durch die umliegenden Hügel brach die Dämmerung hier früh ein; schon jetzt, um halb acht Uhr abends, wurde das Licht schwächer. Dennoch hielt die fast greifbare, dunstige Augusthitze an. Es war so, als hätte sich ein weicher Filter vor die Augenlinse geschoben, was der Aussicht einen beinahe traumhaften Anstrich verlieh. Scott konnte da draußen Bob Anderson erkennen. Der unerschrockene Fischer tuckerte in seinem Aluminium-Kahn dahin, die verschwommene Silhouette kauerte über der Angelschnur und einem Bier. Anderson war ein pensionierter Landwirt für Milchprodukte und lebte mit seiner Frau in einem renovierten Landhaus, das nur fünf Minuten Fußweg entfernt an der Cottage Road lag. Scott war etwas überrascht darüber, dass Bob ohne seinen Busenfreund Fred Mills unterwegs war, dessen Sohn den kleinen Jachthafen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees betrieb. Soweit man wusste, hatten die beiden alten Kerle auf diesem See seit Menschengedenken zusammen geangelt.

Es war dieser Blick von der Sonnenterrasse auf den See, der den Ausschlag dafür gegeben hatte, das Haus im letzten Dezember zu kaufen. Die frühere Besitzerin war eine bekannte Künstlerin, sie hatte das Haus selbst entworfen und gebaut, sogar die Grube für das Fundament eigenhändig ausgehoben. Das Zimmer unterhalb der Terrasse, das die Bowmans jetzt als Fernseh- und Musikzimmer nutzten, war ihr Atelier gewesen. Wenn man seine Nase in diesem Raum in eine bestimmte Richtung hielt, nahm man immer noch einen entfernten Hauch von Lösungsmitteln und Ölfarben wahr. Das kleine Zimmer mit seinem gemütlichen Licht war Scotts Lieblingsplatz. Hier konnte er in Ruhe lesen, nachdenken und entspannen.

Krista stand direkt vor ihm am Grill und piekte in die Koteletts. Kath war noch unten am See und lachte und kreischte zusammen mit ihren Freunden.

»Sag mal, was möchtest du heute Abend denn noch so unternehmen?«, fragte Scott in der Hoffnung, ein paar Hinweise auf seine Party zu erhaschen. Bis jetzt hatte niemand seinen Geburtstag auch nur erwähnt, und er bekam langsam das flaue Gefühl, dass man ihn vergessen hatte.

»Ach, weißt du, ein bisschen lesen, bisschen fernsehen, mich selbst ein bisschen bemitleiden.« Krista krauste die Nase und drehte sich nach ihm um. »Ich hab meine Tage.«

»Wie gemein!«, sagte Scott und war jetzt sicher, dass sie seinen Geburtstag tatsächlich vergessen hatte. »Überhaupt nicht schön.«

»Was ist mit deinem Finger passiert?« Krista schloss den Deckel des Grills.

»Hab mich an einem Blatt Papier geschnitten.« Einen Moment lang musste er an die rätselhafte Zeichnung denken.

Da Krista für seine Verletzung nur ein leichtes Seufzen übrig hatte, befasste sich Scott erneut mit dem momentanen Problem. Er suchte das Gesicht seiner Frau nach der Andeutung eines Grinsens ab, nach einem versteckten Augenzwinkern, nach irgendetwas, das ihm verriet, dass sie ihn auf den Arm nahm. Aber da war nichts. Sie sah müde aus und beinahe etwas ärgerlich. Plötzlich fühlte er sich alt, verletzt und deprimiert. Krista warf ihm die Andeutung eines matten Lächelns zu und ging zurück ins Haus. Verdammt, dachte Scott, sie hat es tatsächlich vergessen! Er stand auf und holte sich das vierte Bier, ließ es in seinen Krug gluckern und nahm es mit ins Fernsehzimmer, wobei er auf dem Weg versehen dich etwas verschüttete. Er zappte durch die Programme, fand nichts als Nachrichtensendungen und schaltete die Glotze mit einem Stöhnen wieder aus. Danach griff er nach der Abendzeitung und blätterte sie lustlos durch, entdeckte beim flüchtigen Durchsehen jedoch nichts als Chaos und warf sie wieder zur Seite. Er blickte auf den antiken Farnständer aus Rosenholz, den er schon seit über einem Jahr restaurieren wollte, und hätte sich beinahe die Arbeitshandschuhe übergestreift. Doch er sah ein, dass er den Ständer wahrscheinlich ruinieren würde, wenn er jetzt versuchte, mit einem Bauch voller Bier daran zu arbeiten.

Schließlich griff Scott zum Telefon und wählte Gerrys Nummer in Ottawa. Gerry St. Georges war sein bester Freund. Er hatte noch niemals seinen Geburtstag vergessen. Scott hatte mittlerweile eine zwanzig Jahre alte Sammlung alberner Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke, die er Gerry verdankte: Gummi-Dildos, Hundescheiße aus Ton, Plastikkotze, falsche Risse für den Fernsehbildschirm, Riesenbrüste zum Umschnallen und obszöne Postkarten der schlimmsten Art. Gerry war ein halbes Jahr älter als Scott, ein großer, kräftiger Mann mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt. Er war Polizist im Bezirk Ottawa.

Bei Gerry ging keiner ans Telefon.

»Abendessen«, rief Krista von der obersten Treppenstufe.

Scott trank sein Bier in großen Zügen leer. Als er aufstand, stellte er fest, dass er ziemlich blau war. Leicht torkelnd erklomm er die ersten Stufen und musste aufgrund seines veränderten Wahrnehmungsvermögens kichern.

Sie nimmt mich nur auf den Arm, stimmt's?

Aber auch beim Abendessen erwähnte niemand das Thema Geburtstage oder Partys. Nicht einmal Kath verriet irgendwelche Anzeichen einer stillen Verschwörung. Sie saß neben Scott und nagte an den Resten eines gegrillten Koteletts.

Er probierte es noch einmal. »Und was hat mein großes Mädchen heute Abend noch vor?«

War da was? Ein verräterisches Augenzwinkern? Eine geheime Botschaft, die unauffällig zwischen Mutter und Tochter ausgetauscht wurde?

»Wir sind alle bei Lita zur Pyjama-Party eingeladen und dürfen dort übernachten.« Kaths Augen sahen ihn bettelnd an. »Mom hat gesagt, ich soll dich fragen ... Kann ich hin, Dad? Bitte!«

»Willst du denn nicht lieber zu Hause bei deinem lieben, alten Vater bleiben?«

Kath sah ihn enttäuscht an. »Um was zu machen?«

»Okay«, sagte Scott und fand sich schließlich mit der Wahrheit ab. »Du kannst hingehen.«

»Bist du sauer?«

Es war Viertel vor neun und fast dunkel. Krista hatte sich in einen matronenhaften Schal gewickelt, auf dem Sofa im oberen Stockwerk zusammengekuschelt und las Legion von Blatty. Kath war seit einer Stunde fort.

Und ob er sauer war!

»Nein.« Er saß Krista gegenüber im Sessel und blätterte durch eine medizinische Fachzeitschrift. »Warum sollte ich?«

»Tja, du bist zwar hier der Seelenklempner«, antwortete Krista mit funkelnden Augen, »aber ich denke, du bist sauer.«

Wollte sie ihn etwa ködern, aus der Reserve locken?

»Ich geh jetzt ins Fernsehzimmer«, sagte Scott mit einem kindischen »Das-hast-du-davon«-Ton in der Stimme. Er ließ die Zeitschrift fallen und stand auf. Während er mit erhobenem Haupt aus dem Zimmer stolzierte, meinte er zu sehen, wie Krista heimlich auf ihre Armbanduhr blickte. Dann las sie weiter. Keine Anzeichen eines Widerspruchs.

Er stampfte die Stufen hinunter, nachdem er sich — das wievielte war es jetzt? - das fünfte Bier eingeschenkt hatte. Na gut, dann war er eben beleidigt. Nur weil er Psychiater war, hieß das noch lange nicht, dass er vor kleinen Durchhängern und Unsicherheiten gefeit war. Sich an Dinge wie Geburtstage zu erinnern, sie zu zelebrieren, war ein Zeichen der Liebe. Und in dieser Hinsicht stand Scott keineswegs über den Dingen, er brauchte die Bestätigung. Er war Kristas wegen schon immer unsicher gewesen. Vom körperlichen Standpunkt aus betrachtet, war sie von jeher ein weit attraktiverer Mensch als er. Ihr Aussehen übertraf das seinige in einem solchen Ausmaß, dass Scott jahrelang vor Partys und öffentlichen Anlässen, bei denen Krista den Blicken anderer Männer ausgesetzt war, insgeheim zurückgeschreckt war. Er wusste, dass er sie nicht zu Hause einsperren konnte, und hatte ihr gegenüber kein Wort über seine Ängste verlauten lassen. Aber die Männer liefen ihr wie schwanzwedelnder Köter hinterher. Er wusste, dass Krista ihn liebte, wusste, dass sie glücklich war. Aber dennoch ... Manchmal war es beängstigend. Beängstigend, wie sehr er sie brauchte.