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So wurden denn drei Einschnitte gemacht und das Eisen des

Weißen Wals im Blut der Heiden abgelöscht.

Das wurde gebührlich begossen, so gebührlich, daß La Ponte sogar aufhörte, die Mädchen anzugaffen, um Corso ewige Freundschaft zu schwören. Im Grunde war er - trotz seines militanten Zynismus und trotz seiner Geschäftemacherei - ein naiver Mensch, und daher merkte er nicht, daß sein neuer Freund mit der verbogenen Brille damals ein subtiles Flankenmanöver in die Wege geleitet hatte. Beim Überfliegen von La Pontes Regalen waren ihm ein paar Titel aufgefallen, über die er später einmal zu verhandeln gedachte. Trotzdem stand eindeutig fest, daß La Ponte mit seinem lockigen, blonden Bärtchen, den sanften Augen des Vortoppmanns Billy Budd und mit den Träumereien eines frustrierten Walfängers Corsos Sympathie geweckt hatte. La Ponte war sogar in der Lage, sämtliche Besatzungsmitglieder der Pequod aufzuzählen -»Ahab, Stubb, Starbuck, Flask, Perth, Parsi, Quiqueg, Taschti-go, Dagu ...« - sowie die Namen aller in Moby Dick vorkommenden Schiffe - »Goney, Town-Ho, Jéroboam, Jungfrau, Bouton de Rose, Soltero, Del eite, Raquel ...« Und außerdem wußte er genau, was der graue Amber war, und bestand somit die schwierigste aller Prüfungen. Sie sprachen über Bücher und Wale, und so wurde schließlich in jener Nacht die Bruderschaft der Harpuniers von Nantucket gegründet, mit Flavio La Ponte als Generalsekretär, Lucas Corso als Schatzmeister und mit beiden zugleich als einzigen Mitgliedern unter der toleranten Patenschaft Makarovas, die sich weigerte, die letzte Runde zu kassieren, um mit ihnen eine Extraflasche Gin zu teilen.

»Ich fahre nach Paris«, sagte Corso, während er im Spiegel eine dicke Frau beobachtete, die alle fünfzehn Sekunden eine Münze in den Schlitz des Spielautomaten steckte, als ob das Gedudel des Apparats und die vorbeisausenden Bildchen mit ihren Farben, Früchten und Glocken sie bis zum Jüngsten Tag dort festhalten würden, hypnotisiert und reglos. Nur ihre Hand drückte auf die Knöpfe des Kastens. »Um mich mit deinem Vin d’Anjou zu beschäftigen.«

Er sah, wie sein Freund die Nase rümpfte und ihn aus den Augenwinkeln heraus betrachtete. Paris, das bedeutete Sonderausgaben und Komplikationen. La Ponte war ein bescheidener Buchhändler und geizig.

»Du weißt, daß ich mir das nicht erlauben kann.«

Corso leerte langsam sein Glas.

»Doch, das kannst du.« Er zog ein paar Münzen aus der Tasche, um die Runde zu bezahlen. »Ich habe dort nämlich noch ein anderes Geschäft zu erledigen.«

»Ein anderes Geschäft«, wiederholte La Ponte und sah ihn interessiert an. Makarova stellte zwei weitere Gläser Bier auf den Tresen. Sie war groß, blond, um die Vierzig, mit kurzem Haar und Ring in einem Ohr - ein Andenken an die Zeit, in der sie an Bord eines russischen Fischkutters herumgeschippert war. Sie trug eine enge Hose und ein Hemd, dessen Ärmel bis zu den Oberarmen aufgekrempelt waren, und ihr kräftig ausgebildeter Bizeps war nicht das einzig Maskuline an ihr. Sie hatte ständig eine qualmende Zigarette im Mundwinkel hängen. Mit ihren baltischen Gesichtszügen und ihren burschikosen Bewegungen erinnerte sie an einen Schlossergehilfen aus irgendeiner Leningrader Kugellagerfabrik.

»Ich habe das Buch gelesen«, sagte sie zu Corso. Beim Sprechen brach die Asche ihrer Zigarette ab und fiel auf ihr feuchtes Hemd. »Diese Nutte Bovary. Arme Idiotin«, stellte sie mit stark gerolltem »r« fest.

»Freut mich, daß du den Kern der Sache erfaßt hast.«

Makarova wischte mit einem Lappen über den Tresen. Am andern Ende der Theke ließ Zizi die Kasse klingeln und sah herüber. Zizi war das Gegenteil von Makarova: viel jünger, klein und sehr eifersüchtig. Manchmal gingen sie, kurz vor der Sperrstunde, im Vollrausch aufeinander los und prügelten sich vor den Augen der letzten Stammgäste. Einmal war Zizi nach so einem Krach mit blauem Auge davongerannt. Makarovas Tränen waren, blub-blub, in die Biergläser gefallen, bis Zizi nach drei Tagen wieder zurückkam. In dieser Nacht schlossen sie früher, und man sah sie Arm in Arm weggehen und sich unter den Häuserportalen küssen. Wie zwei junge Verliebte.

»Er geht nach Paris.« La Ponte deutete mit dem Kopf auf Corso. »Um sich ein paar Asse aus dem Ärmel zu ziehen.«

Makarova räumte die leeren Gläser ab, während sie Corso durch den Rauch seiner Zigarette hindurch ansah.

»Der hat immer irgendwo was am Kochen«, sagte sie guttural und gelassen. Danach stellte sie die Gläser ins Spülbecken und wandte sich - ihre quadratischen Schultern wiegend - einem anderen Kunden zu. Corso war das einzige Exemplar von Mann, das ihrer Verachtung fürs andere Geschlecht entging, und das pflegte sie ausdrücklich zu betonen, wenn sie ihm ein Glas spendierte. Selbst Zizi betrachtete ihn mit einer gewissen Neutralität. Als Makarova einmal festgenommen worden war, weil sie auf einer Demonstration von Schwulen und Lesben einen Polizisten zusammengeschlagen hatte, verbrachte Zizi die ganze Nacht auf einer Bank im Kommissariat. Corso leistete ihr mit belegten Brötchen und einer Flasche Gin Gesellschaft, nachdem er seine Kontakte zur Polizei hatte spielen lassen, um die Wogen ein wenig zu glätten.

All das machte La Ponte absurderweise eifersüchtig.

»Warum Paris?« fragte er, wenn auch geistesabwesend.

Sein linker Ellbogen war soeben in etwas herrlich Weichem versunken. Er schien hocherfreut, als er sah, daß sich eine junge Blondine mit riesigem Busen neben ihn an den Tresen gestellt hatte.

Corso nahm einen Schluck Bier.

»Ich fahre auch nach Sintra, nach Portugal.« Er beobachtete immer noch die Dicke an dem Spielautomaten. Sie hatte ihr ganzes Kleingeld in der Maschine gelassen und reichte Zizi soeben einen Schein, um ihn sich wechseln zu lassen.

»Wegen einer Sache für Varo Borja.«

Er hörte, wie sein Freund durch die Zähne pfiff: Varo Borja, der bedeutendste Antiquar des Landes. Sein Katalog war dünn, aber erlesen, und außerdem galt er als bibliophiler Sammler, der keine Ausgaben scheute. Le Ponte verlangte beeindruckt nach mehr Bier und Informationen. Er war nun aufmerksam wie ein Raubvogel, so war es jedesmal, wenn er das Wort »Buch« hörte. Mochte er auch feige und geizig sein, Neid gehörte nicht zu seinen Eigenschaften, außer was schöne Frauen betraf, die seinen Jagdtrieb weckten. Beruflich empfand er ehrlichen Respekt vor der Arbeit und Kundschaft seines Freundes, abgesehen davon, daß er ihm bei geringem eigenem Risiko zu guten Geschäften verhalf, was ihn natürlich freute.

»Hast du schon mal was von den Neun Pforten gehört?«

Der Buchhändler kramte gerade umständlich in seinen Taschen, um Corso auch diese Runde bezahlen zu lassen. Drauf und dran, sich zu seiner opulenten Nachbarin umzudrehen und sie eingehender zu studieren, schien er mit einem Schlag alles vergessen zu haben und sperrte den Mund auf.

»Erzähl mir nicht, daß Varo Borja dieses Buch will ...«