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»Hatte er vor, die Sammlung zu verkaufen?«, drängte Barnaby weiter.

Philip kräuselte geringschätzig die Lippen. »Verkaufen?

Er musste sich sein Leben lang mit Auktionshäusern und Kunsthändlern abgeben. Er hätte sich lieber zu Tode foltern lassen, bevor er denen den Auftrag erteilt hätte, auch nur einen mittelmäßigen Druck zu verhökern.«

»Dann wollte er das ganze Zeug also Ihnen hinterlassen?«

Eine unbehagliche Stille breitete sich aus. »Davon«, sagte Philip schließlich, »sind wir ausgegangen.«

»Kirche?«, mischte Fenton sich ein. »Ehefrau? Freundin?«

Philip nahm die Pfeife aus dem Mund und erwiderte in einer perfekten Imitation von Fentons Telegrammsticlass="underline" »A-theist. Geschieden. Frauenhasser.«

Seine Brüder fingen an zu lachen. Hutch Barnaby stellte fest, dass er angesichts von Fentons Verdruss eine gewisse Schadenfreude empfand. Es kam nur selten vor, dass jemand seinem Kollegen beim Verhör eins überbriet. Dieser Philip war trotz seines anmaßenden Charakters ein zäher Knochen. Doch auf seinem langen intelligenten Gesicht war eine Spur von Trauer zu erkennen - als hätte er einen Verlust erfahren.

Barnaby hielt den Männern den Lieferschein für den Ver-sand der Küchengeräte hin. »Haben Sie irgendeine Ahnung, was das hier zu bedeuten hat oder an wen das Zeug gegangen ist?«

Sie untersuchten den Schein, schüttelten den Kopf und gaben ihn Barnaby zurück. »Er hat überhaupt nicht gern gekocht«, sagte Tom.

Barnaby schob das Dokument in die Tasche. »Erzählen Sie mir etwas über Ihren Vater. Wie er aussieht; was er für 'ne Persönlichkeit ist; was er für Geschäfte gemacht hat und so weiter.«

Tom meldete sich wieder zu Wort. »Er ist ... ein einmaliger Typ.«

»Inwiefern?«

»Körperlich betrachtet ist er ein Riese. Er ist fast eins neunzig groß. Er ist fit, sieht gut aus, hat breite Schultern und kein Gramm Fett zu viel am Leib. Er hat weißes Haar, einen weißen Bart und ist stark wie ein Löwe. Seine Stimme ist auch fast so laut. Die Leute sagen, dass er wie Heming-way aussieht.«

»Und seine Persönlichkeit?«

»Er gehört zu denen, denen nie ein Fehler unterläuft; die rücksichtslos alles und jeden platt machen, um zu kriegen, was sie haben wollen. Er lebt nach seinen eigenen Regeln.

Er hat zwar keine höhere Schule besucht, aber er weiß mehr über Kunst und Archäologie als die meisten Studierten.

Seine Religion heißt Sammeln. Für die Religionen der Menschen hat er nur Verachtung übrig. Dies ist auch ein Grund, weshalb er es als vergnüglich empfindet, Sachen zu kaufen und zu verkaufen, die aus ausgeraubten Gräbern stammen.

Deswegen raubt er auch selbst Gräber aus.«

»Erzählen Sie mir mehr über diese Grabräuberei.«

Diesmal meldete sich Philip zu Wort. »Maxwell Broadbent entstammt einer Familie der Arbeiterklasse. Er ging als junger Mann nach Mittelamerika und verschwand für zwei Jahre im Dschungel. Er hat eine große Entdeckung gemacht, irgendeinen Maya-Tempel geplündert und den ganzen Krempel nach Hause geschmuggelt. So hat er angefangen. Er hat mit Kunst und Antiquitäten aus fragwürdigen Quellen gehandelt - angefangen bei griechischen und römi-schen Statuen, die aus Europa hergeschafft wurden, über Khmer-Reliefs, die man aus kambodschanischen Bestat-tungstempeln herausschlug, bis hin zu Renaissance-Gemälden, die im Krieg in Italien verschwanden. Er hat aber nicht mit dem Zeug gehandelt, um Geld zu verdienen, sondern um seine eigene Sammlung zu finanzieren.«

»Interessant.«

»Seine Methode«, sagte Philip, »war eigentlich die einzige Möglichkeit, die ein Mensch heutzutage hat, wenn er wirklich große Kunst erwerben will. Seine Sammlung enthielt vermutlich kein einziges Stück, das wirklich sauber war.«

»Einmal hat er ein Grab geplündert, auf dem ein Fluch lag«, berichtete Vernon. »Er hat ihn auf Cocktailpartys zitiert. «

»Ein Fluch? Wie lautet er?«

»Ungefähr so: Demjenigen, der die Ruhe dieser Gebeine stört, soll bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen werden, bevor man ihn tollwütigen Hyänen zum Fraße vorwirft. Anschließend soll eine Eselsherde mit seiner Mutter kopulieren. Na ja, so was in der Art eben.«

Fenton musste lachen.

Barnaby warf ihm einen warnenden Blick zu. Da er Philip schon einmal zum Reden gebracht hatte, richtete er auch die nächste Frage an ihn. Komisch, wie gern die Menschen ihre Eltern schlecht machten. »Was war sein Antrieb?«

Philip runzelte die Stirn. »Es war ungefähr so: Maxwell Broadbent liebte seine Lippi-Madonna mehr als jede echte Frau. Er liebte sein Bronzino-Porträt der kleinen Bia de Medici mehr als seine eigenen Kinder. Er liebte seine beiden Braques, seinen Monet und seine Maya-Jadeschädel mehr als alle realen Menschen in seinem Leben. Er betete seine Sammlung französischer Reliquienschreine aus dem 13.

Jahrhundert, die angeblich die Gebeine von Heiligen enthielten, öfter an als jeden wahren Heiligen. Seine Sammlungen waren seine Geliebten, Kinder und seine Religion.

Schöne Dinge waren sein Antrieb.«

»Das stimmt doch alles gar nicht«, sagte Vernon. »Er hat uns geliebt.«

Philip stieß ein geringschätziges Schnauben aus.

»Hat er sich nicht von deiner Mutter scheiden lassen?«

»Du meinst wohl von unseren Müttern! Er hat sich von zwei Frauen scheiden lassen. Die dritte ist gestorben. Er hatte auch zwei Frauen, die keine Kinder von ihm haben -

und jede Menge Freundinnen.«

»Gab's irgendwelche Unterhaltsstreitigkeiten?«, fragte Fenton.

»Natürlich«, erwiderte Philip. »Das ging endlos.«

»Aber er hat Sie und Ihre Brüder allein aufgezogen?«

Philip hielt inne. »Ja, auf die für ihn typische Art«, sagte er dann.

Die Worte hingen in der Luft. Barnaby fragte sich, was für ein Vater er gewesen sein mochte. Aber es war wohl besser, bei der Sache zu bleiben: Die Zeit wurde knapp. Die Jungs von der Spurensicherung konnten jeden Moment eintreffen.

Danach durfte er sich glücklich schätzen, den Fuß überhaupt auf dieses Grundstück gesetzt zu haben.

»Gibt es momentan eine Frau in seinem Leben?«

»Nur zu Zwecken leichter körperlicher Betätigung in den Abendstunden«, sagte Philip. »Aber ich versichere Ihnen, die kriegt nichts.«

»Glauben Sie, dass es unserem Vater gut geht?«, mischte Tom sich ein.

»Um ehrlich zu sein, ich habe keinen Hinweis auf einen Mord gefunden. Wir sind im Haus nicht auf eine Leiche gestoßen.«

»Könnte er entführt worden sein?«

Barnaby schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Warum sollte man sich mit einer Geisel belasten?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Ihm blieben vielleicht noch fünf Minuten, höchstens sieben. Es reichte, um die Frage zu stellen: »Ist das Zeug versichert?« Er stellte die Frage so beiläufig wie nur möglich.

Philips Miene umwölkte sich. »Nein.«

Nicht einmal Barnaby konnte seine Überraschung verbergen. »Nein?«

»Im letzten Jahr habe ich versucht, eine Versicherung ab-zuschließen. Doch niemand wollte die Sammlung versichern, solange sie sich ohne entsprechende Sicherheitsmaß-nahmen in diesem Haus befand. Sie sehen ja selbst, wie leicht man hier einsteigen kann.«

»Warum hat Ihr Vater nicht für mehr Sicherheit gesorgt?«

»Er war ein schwieriger Mensch. Niemand konnte ihm vorschreiben, was er tun sollte. Er hatte immer jede Menge Waffen im Haus. Ich schätze, er hat angenommen, er könnte sich seiner Haut erwehren; wie im Wilden Westen und so.«

Barnaby prüfte seine Notizen und warf einen erneuten Blick auf die Uhr. Er war verwirrt. Die Einzelteile passten nicht zusammen. Er war sich völlig sicher, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Raub zu tun hatten. Aber wenn das Zeug nicht versichert war ... Welchen Sinn hatte es dann, sich selbst zu bestehlen? Außerdem gab es da noch die identischen Briefe an die Söhne, die sie zu diesem Zeitpunkt zu einem Treffen baten. Was hatte da noch mal gestanden? ... eine sehr wichtige Angelegenheit, die deine Zukunft betrifft... Erweise deinem alten Herrn diese letzte Höflichkeit...