Tom spürte, wie es ihm kalt den Rücken hinablief, als ihm bewusst wurde, was dies bedeutete. Schließlich ergriff er das Wort: »Dann glaubst du also, Vater lebt noch und ist in die Grabkammer eingeschlossen?«
»Ja.«
Niemand sagte etwas. In der Dunkelheit heulte klagend eine Eule.
»Wie lange ist er schon dort eingeschlossen?«, fragte Tom.
»Zweiunddreißig Tage.«
Tom würde übel. Es war unvorstellbar.
»Es schreckliche Sache, Brüder«, sagte Borabay.
»Warum hat Cah das getan, verdammt?«, fragte Vernon.
»Cah wütend, weil Vater damals Grabkammer ausrauben.
Cah war damals Knabe, Sohn von Häuptling. Vater demütigen Vater von Cah, weil ausrauben Grab. Dies sein Cahs Rache.«
»Konntest du es nicht verhindern?«
»Ich Cahs Plan erst später erfahren. Dann ich versuchen, zu retten Vater. An Grabeingang ist große Steintür. Ich nicht bewegen kann. Cah erfahren, dass ich gehen nach Su-lia Tara, um zu retten Vater. Er sehr wütend. Cah mich gefangen nehmen und töten wollen. Er sagen, ich Schmutz-
fink, halb Tara, halb weiß. Dann verrückte weiße Männer und Soldaten kommen und fangen Cah. Bringen Cah in Weiße Stadt. Ich entwischen. Ich hören Soldaten über euch sprechen. Ich zurückkommen, euch suchen.«
»Woher hast du gewusst, dass wir hier sind?«
»Ich hören Soldaten reden.«
Das Feuer flackerte, und die Nacht senkte sich über die fünf schweigend am Boden sitzenden Menschen. Nachdem Borabay seine Geschichte beendet hatte, schienen seine Worte lange in der Luft zu hängen, und er schaute einen nach dem anderen an. »Es sein schrecklicher Tod, Brüder.
Dies ist Tod für Ratte, nicht für Menschenwesen. Er unser Vater.«
»Was können wir tun?«, fragte Philip.
Borabay legte eine lange Pause ein, und als er dann sprach, klang seine Stimme leise und widerhallend: »Wir ihn retten.«
52
Hauser betrachtete die primitive grafische Darstellung der Stadt, die er in den letzten zwei Tagen angefertigt hatte.
Seine Männer hatten das Areal zweimal durchsucht, doch es war so zugewachsen, dass es fast ein Ding der Unmöglichkeit war, einen akkuraten Stadtplan anzulegen. Es gab mehrere Pyramiden sowie Dutzende von Tempeln und andere Gebäude: mehrere hundert Stellen, an denen sich Grabkammern verbergen konnten. Wenn ihnen das Glück nicht zu Hilfe kam, konnte es Wochen dauern.
Ein Soldat trat in den Türrahmen und salutierte.
»Meldung.«
»Die Söhne sind noch dreißig Kilometer entfernt, Sir, hinter der Río-Ocata-Furt.«
Hauser legte den Stadtplan langsam hin. »Sind sie gesund und munter?«
»Sie erholen sich von einer Krankheit. Bei ihnen ist ein Tara-Indianer, der sich um sie kümmert.«
»Waffen?«
»Die Frau hat ein nutzloses altes Jagdgewehr. Pfeil und Bogen, und natürlich ein Blasrohr ...«
»Ja, ja.« Hauser empfand eine Art neidischen Respekt für die Söhne, besonders für Philip. Normalerweise hätten sie alle tot sein müssen. Max war so gewesen wie sie: ein sturer Glückspilz. Es war eine starke Mischung. In Hausers Geist blitzte ein Bild von Max auf: Er war bis zur Taille nackt und bahnte sich mit einer Machete seinen Weg durch den Ur-
wald. Holzspäne, Ästchen und Blätter klebten ihm am ver-schwitzten Leib. Sie hatten sich monatelang einen Weg durch den Dschungel gebahnt. Sie waren gestochen worden und hatten sich infiziert und geschnitten. Trotzdem hatten sie nichts gefunden. Dann hatte Max ihm den Laufpass gegeben, war flussaufwärts gezogen und hatte endlich das entdeckt, wonach sie über ein Jahr lang gesucht hatten.
Hauser war pleite nach Hause zurückgekehrt und hatte sich freiwillig melden müssen ... Er schüttelte den Kopf, um seinem Ärger Luft zu machen. Das war Vergangenheit. Die Zukunft gehörte ihm -und Broadbents Vermögen auch.
Der Teniente meldete sich zu Wort: »Soll ich einen Trupp in Marsch setzen, um sie zu töten? Ich bin mir ganz sicher, dass wir sie diesmal erledigen können, Jefe.«
»Nein«, sagte Hauser. »Sie sollen ruhig nach Hause kommen. «
»Ich verstehe nicht.«
Hauser schaute den Teniente an. »Tun Sie ihnen nichts.
Lassen Sie sie in Ruhe. Sie sollen ruhig kommen.«
53
Philip erholte sich zwar langsamer als die anderen, doch nach drei weiteren Tagen unter Borabays Pflege konnte er wieder gehen. An einem sonnigen Morgen brachen sie das Lager ab und setzten sich in Richtung Tara-Dorf in Bewegung. Es lag im Vorgebirge der Sierra Azul. Borabays Kräu-tersude, Salben und Tees hatten auf sie alle eine bemerkenswerte Wirkung gehabt. Borabay ging mit seiner Machete voran und gab ein rasches Tempo vor. Gegen Mittag erreichten sie den breiten Fluss, an dem sie Philip gefunden hatten. Sie legten in fünf Stunden eine Strecke zurück, die sie während ihres verzweifelten Rückzuges fünf Tage gekostet hatte. Hinter dem Fluss, in der Nähe der Sierra Azul, bewegte Borabay sich vorsichtiger. Sie kamen ins Vorgebirge und stiegen langsam hinauf. Der Wald verlor an Finsternis, es schien sonniger zu werden. An den Ästen der Bäume wuchsen Orchideen. Fröhliche Sonnenflecken sprenkelten den vor ihnen liegenden Weg.
Sie verbrachten die Nacht in einer alten Tara-Siedlung, einem Halbrund aus mit Palmwedeln gedeckten Hütten, die in wild wucherndem Grünzeug versunken waren. Borabay schlug sich durch die hüfthohe Vegetation, schwang seine Machete und bahnte ihnen einen Pfad zu den am besten erhaltenen Behausungen. Er ging gebückt hinein. Tom hörte zuerst in der einen, dann in der anderen Hütte das Ratschen der Machete, das Stampfen von Füßen und ge-murmelte Verwünschungen. Dann tauchte Borabay mit einer zuckenden kleinen Schlange auf. Er hatte sie mit der Spitze seiner Machete aufgespießt und warf sie in den Wald. »Hütten jetzt sauber. Ihr gehen rein, hängen Hängematten auf und ruhen aus. Ich machen Essen.«
Tom schaute Sally an. Er glaubte, dass sein Herz so laut in seinem Brustkorb schlug, dass alle es hören mussten. Obwohl sie kein Wort wechselten, wussten beide, was nun kommen würde.
Sie betraten die kleinere Hütte. Innen war es warm und es roch nach Heu. Sonnenstrahlen stachen durch kleine Löcher im Blätterdach und sprenkelten den Raum mit nachmittäg-lichem Licht. Tom hängte seine Matte auf und schaute Sally zu, die das Gleiche mit der ihren tat. Die Lichtflecke waren wie über ihr Haar verstreute Goldmünzen, die bei jeder Bewegung aufblitzten. Als Sally fertig war, trat Tom vor und nahm ihre Hand. Sie bebte leicht. Er zog sie an sich, streichelte ihr mit den Fingern übers Haar und küsste sie auf den Mund. Sally kam näher, ihr Körper berührte den seinen, und er küsste sie erneut. Diesmal öffneten sich ihre Lippen. Er spürte ihre Zunge. Dann küsste er ihren Mund, ihr Kinn und ihren Hals. Sally zog ihn an sich und schlang die Arme um seinen Rücken. Tom küsste sie oben am Hemd, glitt nach unten und küsste jeden Knopf, den er öffnete. Er enthüllte ihre Brüste und küsste auch sie, zuerst seitlich, dann rings um die harten und erigierten Warzen.
Dann ließ er die Hand über ihren glatten Bauch gleiten. Er spürte, wie Sallys Hände seine Lendenmuskeln massierten.
Er öffnete ihren Hosengürtel, kniete sich hin, küsste ihren Bauchnabel und umschlang sie mit den Händen, um sie, während sie ihre Hose herunterzog, festzuhalten. Sally schob das Becken vor und spreizte die Schenkel. Dabei atmete sie flach, und als er sie pausenlos küsste und ihr Gesäß festhielt, spürte er, wie ihre Finger sich in seine Schultern gruben und sie jäh Luft holte. Ein plötzliches Stöhnen.
Ihr ganzer Körper erbebte.
Dann zog Sally ihn aus, und sie legten sich in die warme Finsternis und liebten sich, während draußen die Sonne unterging. Das Licht, das durch die kleinen Astlöcher der Hütte schien, färbte sich rot und verblasste. Dann versank die Sonne hinter den Bäumen, und die Hütte lag in dämmeri-ger Dunkelheit. Das einzige Geräusch waren die leisen Schreie, die diese seltsame Welt erfüllten, die sie umgab.