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Borabay schüttelte den Kopf. »Das sein feige, Bruder.

Dann Vater stirbt in Grabkammer. Wenn Tara einen schnappen, ist Tod für Feigling langsam und fürchterlich.

Sie schneiden ab ...«

»Wir haben schon gehört, was sie alles mit einem machen«, fiel ihm Philip ins Wort.

»Ist nicht genug Nahrung und Wasser in Grabkammer, um noch länger zu warten.«

Das Feuer knisterte. Tom warf einen Blick durch die Bäume. Unter ihnen, in einer Entfernung von etwa sieben Kilometern, erspähte er drei rautenförmige Lichter, die in der Weißen Stadt dicht beieinander standen. Wieder ertönte eine schwache Dynamitexplosion. Hauser und seine Leute arbeiteten rund um die Uhr. Sie standen wirklich mit dem Rücken zur Wand. Ihre Möglichkeiten waren gering, und sie hatten nur einen Durchschnittsplan. Aber etwas Besseres würde sich ihnen nicht bieten.

»Genug geredet«, sagte Tom. »Wir haben einen Plan. Wer macht mit?«

»Ich bin dabei«, sagte Vernon.

Borabay nickte. »Ich auch.«

»Ich auch«, erklärte Sally.

Nun waren alle Blicke auf Philip gerichtet. Er gestikulierte aufgebracht, als wolle er alle Anwesenden verscheuchen.

»Verflucht noch mal, ihr wisst doch, wie meine Antwort lautet!«

»Und wie lautet sie?«, fragte Vernon.

»Nehmt sie in die Akten auf«, sagte Philip. »Sie lautet Nein, nein und nochmals nein! Das ist ein James-Bond-Plan.

So was funktioniert im wirklichen Leben nie. Lasst es bleiben. Herrgott, ich will nicht auch noch meine Brüder verlieren. Lasst es bleiben!«

»Wir müssen es tun, Philip«, sagte Tom.

»Niemand muss irgendwas tun! Vielleicht ist es ja läster-lich, aber stimmt es nicht irgendwie auch, dass Vater sich das alles selbst eingebrockt hat?«

»Dann lassen wir ihn also einfach krepieren?«

»Ich bitte euch nur, euer Leben nicht wegzuwerfen.« Philip riss die Hände hoch und stapfte in die Finsternis davon.

Vernon wollte ihm eine Antwort zurufen, doch Tom legte ihm eine Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte Philip ja Recht. Vielleicht war das Unternehmen reiner Selbstmord. Aber er persönlich hatte keine andere Wahl. Wenn er jetzt nichts unternahm, würde er später nicht damit leben können. So einfach war die Sache.

Das flackernde Feuer warf Schatten über ihre Gesichter.

Eine lange, unbehagliche Stille breitete sich aus.

»Es gibt keinen Grund zu warten«, sagte Tom. »Wir brechen heute Nacht um zwei Uhr auf. Wir brauchen schon ein paar Stunden, um da runterzukommen. Jeder weiß, was er zu tun hat. Borabay, erkläre den Kriegern ihre Aufgabe.«

Sein Blick fiel kurz auf Vernon. Er hatte den Plan tatsächlich ausgeheckt - ein Mann, der sonst nie eine Führerrolle übernahm. Er streckte den Arm aus und legte Vernon seine Hand auf die Schulter. »Du machst dich.«

Vernon erwiderte sein Lächeln. »Ich komme mir vor wie in dem Film Der Zauberer von Oz.«

»Was meinst du damit?«

»Ich hab mein Hirn gefunden. Und du, Tom, hast dein Herz gefunden. Borabay hat seine Familie gefunden. Jetzt fehlt nur noch, dass Philip seinen Mut findet.«

»Irgendwie«, sagte Tom, »fürchte ich auch, dass wir Hauser mit einem Eimer Wasser nicht zur Strecke bringen.«

»Nein«, sagte Sally. »Ganz bestimmt nicht.«

60

Tom erhob sich um ein Uhr aus der Hängematte. Die Nacht war schwarz. Wolken verdeckten die Sterne. Ein ruheloser Wind wisperte und raschelte in den Bäumen. Das einzige Licht spendete der glühende Aschehaufen des Lagerfeuers, das einen rötlichen Schein auf die Gesichter der zehn Tara-Krieger warf. Sie saßen noch immer im Kreis um die Feuerstelle. Sie hatten sich während der ganzen Zeit weder bewegt noch ein Wort gewechselt. Bevor Tom die anderen weckte, sammelte er die Ferngläser ein und trat vor die Bäume, um erneut einen Blick auf die Weiße Stadt zu werfen. Die Lampen an der Hängebrücke brannten noch. Die Soldaten hielten sich in der Festungsruine auf. Tom überlegte, was da auf sie zukommen mochte. Vielleicht hatte Philip ja Recht, und es war Selbstmord. Vielleicht lag Maxwell Broadbent längst tot in seiner Gruft und sie riskierten ihr Leben umsonst. Doch all das war ihm gleichgültig: Er konnte nicht anders.

Als er die anderen wecken wollte, waren die meisten schon wach. Borabay fachte das Feuer neu an, schichtete frisches Holz in die Flammen und setzte einen Topf Wasser auf. Kurz darauf gesellte Sally sich zu ihnen und überprüfte im Feuerschein ihr Springfield-Gewehr. Ihre Miene wirkte müde und eingefallen. »Weißt du, was laut General Patton bei einer Schlacht immer als Erstes auf der Strecke bleibt?«, fragte sie Tom.

»Nein.«

»Der Schlachtplan.«

»Glaubst du, dass unser Plan nicht funktioniert?«, fragte Tom.

Sally schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht.« Sie wandte den Blick von ihm ab, dann nahm sie sich das Gewehr vor und polierte es unnötigerweise mit einem Lappen.

»Was wird deiner Meinung nach passieren?«

Sally schüttelte schweigend den Kopf. Ihr schweres goldenes Haar wogte nur so. Tom merkte, dass sie ziemlich aufgeregt war. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wir müssen es tun, Sally.«

Sie nickte. »Ich weiß.«

Vernon gesellte sich zu ihnen ans Feuer, und sie tranken schweigend ihren Tee. Als sie fertig waren, schaute Tom auf seine Armbanduhr. Zwei Uhr. Er hielt nach Philip Ausschau, doch der war nicht mal aus dem Unterstand gekommen. Schließlich nickte er Borabay zu, und sie standen auf. Sally schwang sich das Gewehr über die Schulter. Die Männer legten die kleinen Palmwedelrucksäcke an, die Proviant, Wasser, Zündhölzer, den Campingkocher und andere grundlegende Dinge enthielten. Sie gingen hintereinander her, wobei Borabay die Führung übernahm und die Krieger den Abschluss bildeten. Sie marschierten durch den Hain, bis sie freies Gelände erreichten. Zehn Minuten später hörte Tom hinter ihnen jemand rennen. Als sie an-hielten, um zu lauschen, hoben die Krieger ihre Bogen und legten Pfeile ein. Gleich darauf tauchte Philip auf. Er atmete schwer.

»Kommst du, um uns Glück zu wünschen?«, fragte Vernon. Seine Stimme klang äußerst ironisch.

Philip brauchte einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. »Ich weiß auch nicht, warum ich bei diesem däm-lichen Plan mitmache. Aber verdammt noch mal, ich lass euch nicht allein in den Tod rennen.«

61

Marcus Aurelius Hauser tastete in seinem Brotbeutel nach einer Churchill. Als er sie gefunden hatte, drehte er sie zwischen Daumen und Zeigefinger und zog sie heraus. Nach dem Ritual des Abschneidens, Befeuchtens und Anzündens hob er sie in der Finsternis hoch, bewunderte die dicke glühende Spitze und ließ sich vom Wohlgeruch des feinen ku-banischen Blattes in einen Kokon aus Eleganz und Zufriedenheit hüllen. Zigarren, so sein Eindruck, schienen im Dschungel immer besser, üppiger und leckerer zu schmek-ken als anderswo.

Hauser hatte sich an einem strategischen Punkt oberhalb der Hängebrücke gut in einem Farndickicht versteckt, das ihm zudem beste Aussicht auf die Soldaten in dem kleinen Steinfort auf der anderen Seite bot. Er schob ein paar Büsche zur Seite und spähte durch sein Fernglas. Er hatte den starken Eindruck, dass die Gebrüder Broadbent heute Nacht etwas unternehmen würden, um die Brücke zu überqueren. Sie würden nicht abwarten, weil sie nicht abwarten konnten. Wenn sie die Gelegenheit nutzen wollten, einen Teil der Meisterwerke zu retten, mussten sie die Gruft vor ihm finden.

Hauser paffte zufrieden vor sich hin und dachte an Maxwell Broadbent. Max hatte aus einer Laune heraus Kunstgegenstände und Antiquitäten im Wert von einer halben Milliarde Dollar hierher gebracht. So unerhört das auch war, für seinen Charakter war es typisch. Max war ein Mensch der großen Gesten, des Spektakels, der Show. Er hatte auf großem Fuß gelebt und war ebenso gestorben.