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Broadbent stand energisch und ruhelos erneut auf. Hört zu, ich weiß, dass es hauptsächlich meine Schuld ist. Ich habe euren Launen nachgegeben. Ich habe euch alles gekauft, was ihr haben wolltet. Ich habe euch auf die besten Privatschulen geschickt und durch Europa geschleppt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen - wegen der Scheidungen und so weiter. Ich bin wohl nicht fürs Eheleben geschaffen. Aber was habe ich angerichtet?

Ich habe drei Jungs aufgezogen, die auf ihr Erbe warten, statt ein ausgefülltes Leben zu führen. Große Erwartungen machen faul.

»Scheißdreck«, knurrte Vernon wütend.

Philip, du bist Assistent für Kunstgeschichte an einem Junior College auf Long Island. Tom? Pferdedoktor in Utah. Und Ver-

non? Tja, ich weiß nicht mal, was du gerade machst. Wahrscheinlich lebst du ja in irgendeinem Ashram und verschenkst dein Geld an irgendeinen schrägen Guru.

»Stimmt gar nicht!«, sagte Vernon. »Stimmt gar nicht! Leck mich doch!«

Tom konnte nichts sagen. Irgendwo in seinem Magen machte sich ein mulmiges Gefühl breit.

Und als wäre das noch nicht genug, fuhr Broadbent fort, kommt ihr drei auch nicht miteinander aus. Ihr habt nie gelernt, zu kooperieren oder Brüder zu sein. Also hab ich mich gefragt: Was habe ich angerichtet? Was habe ich getan? Was war ich nur für ein Vater? Habe ich meine Söhne Unabhängigkeit gelehrt?

Habe ich sie den Wert der Arbeit gelehrt? Habe ich sie Selbstvertrauen gelehrt? Habe ich sie gelehrt, aufeinander Acht zu geben?

Er hielt inne, dann schrie er: Nein!

Mit all diesem Kram, mit den Schulen, Europa, den Angel- und Campingausflügen habe ich drei Quasi-Versager aufgezogen.

Herrgott, es ist meine Schuld, dass es so gekommen ist, aber so ist es nun mal. Als ich erfuhr, dass ich sterben muss, geriet ich in Panik. Wie sollte ich alles wieder gutmachen?

Er pausierte und drehte sich um. Er atmete nun schwer.

Sein Gesicht war gerötet.

Wenn der Sensenmann einem zuzwinkert, fängt man un-weigerlich an nachzudenken. Ich musste mir überlegen, was aus meiner Sammlung wird. Eines stand für mich fest: Museen oder Universitäten kriegen sie keinesfalls. Ich will nicht, dass sich später so ein paar studierte Nullen die Hände reiben. Und ich wollte sie auch keinem schrägen Auktionshaus oder Händler überlassen, der sich an meiner Schwerarbeit bereichert, die Sammlung auseinander reißt und in alle vier Windrichtungen verscherbelt, nachdem ich mein Leben damit zugebracht habe, sie zusammen-zutragen. Das kam auf keinen Fall in Frage.

Broadbent wischte sich die Stirn ab, zerknüllte das Taschentuch mit der Hand und deutete auf die Kamera.

Ich hatte immer vor, euch die Sammlung zu hinterlassen. Aber als es dann so weit war, wurde mir klar, dass es das Schlimmste ist, was ich euch antun kann. Ich will euch auf keinen Fall eine halbe Milliarde Dollar aushändigen, die ihr nicht verdient habt.

Er kehrte hinter den Schreibtisch zurück, wuchtete seine imposante Gestalt in den Sessel und entnahm dem Kästchen eine neue Zigarre.

Schaut mal. Ich rauche noch. Ist jetzt zu spät, um damit aufzuhören.

Er knipste das Ende ab und zündete die Zigarre an. Die Rauchwolke brachte den Autofokus der Kamera durcheinander. Das Bild wurde abwechselnd scharf und unscharf.

Als die Wolke nach links aus dem Bild wehte, war das stattliche Gesicht von Maxwell Broadbent wieder deutlich zu sehen.

Dann hatte ich eine Idee. Eine geniale Idee. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, Gräber auszubuddeln und mit den daraus stammenden Gütern zu handeln. Ich kenne jeden Trick, wie man Grabstätten verbirgt, und auch alle Todesfallen. Mir wurde schlagartig klar, dass auch ich meinen Reichtum mitnehmen kann. Außerdem bin ich so in der Lage, euch so auch ein wirkliches Vermächtnis zu hinterlassen.

Er hielt inne, faltete die Hände und beugte sich vor.

Ihr müsst euch das Geld verdienen. Ich habe dafür gesorgt, dass ich zusammen mit der Sammlung irgendwo auf der Welt in einer Gruft beigesetzt werde. Ich fordere euch hiermit auf, mich zu suchen. Wenn ihr mich findet, könnt ihr mein Grab ausrauben und alles behalten. Das ist die Aufgabe, die ich euch, meinen drei Söhnen, stelle.

Er inhalierte und versuchte zu lächeln.

Ich warne euch. Es wird schwierig und gefährlich werden.

Nichts im Leben, was des Tuns wert ist, ist einfach. Und hier ist der Haken: Ihr werdet nur dann Erfolg haben, wenn ihr zusam-menarbeitet.

Er legte eine massive Faust auf den Tisch.

Das ist es, in aller Kürze. Ich habe zwar zu meinen Lebzeiten nicht viel für euch getan, aber - bei Gott - ich werde es mit meinem Tod wieder gutmachen.

Er stand auf und kam auf die Kamera zu. Er streckte den Arm aus, um sie abzuschalten, doch dann, als sei ihm noch etwas eingefallen, hielt er inne, und sein verschwommenes Gesicht ragte riesig über den Bildschirm.

Ich bin ja nie ein sentimentaler Typ gewesen, deswegen sage ich nur: Macht's gut. Macht's gut, Philip, Vernon und Tom.

Macht's gut und viel Glück. Ich liebe euch.

Der Bildschirm wurde leer.

5

Tom blieb auf dem Sofa sitzen. Er war im Augenblick unfähig, sich zu bewegen. Hutch Barnaby reagierte als Erster. Er stand auf und hüstelte leise, um das entsetzte Schweigen zu brechen.

»Fenton? Sieht so aus, als würden wir hier nicht mehr gebraucht. «

Fenton nickte. Schwerfällig richtete er sich auf. Er errötete sogar.

Barnaby schaute die Brüder an und tippte freundlich an die Krempe seiner Mütze. »Sie sehen ja selbst, dass das kein Fall für die Polizei ist. Wir lassen Sie jetzt allein, damit Sie ...

die Sache selbst auf die Reihe kriegen können.« Er und Fenton setzten sich in Richtung Bogengang in Bewegung, der in den Hausflur führte. Sie konnten es kaum erwarten, von hier zu verschwinden.

Philip stand auf. »Lieutenant Barnaby?«

»Ja?«

»Ich nehme doch an, dass Sie diese Geschichte nirgendwo erzählen. Es wäre nicht hilfreich, wenn ... die ganze Welt sich aufmachen würde, um diese Grabkammer zu suchen.«

»Sehe ich ein. Es gibt auch keinen Grund, sie jemandem zu erzählen. Überhaupt keinen. Ich werde die Spurensicherung zurückschicken.« Er ging hinaus und verschwand.

Kurz darauf hörten die drei Männer das Geräusch der sich scheppernd schließenden Haustür.

Nun waren sie allein.

»So ein Scheißkerl«, sagte Philip leise. »Ich kann's nicht fassen. So ein Scheißkerl!«

Tom musterte das bleiche Gesicht seines Bruders. Er wusste, dass Philip bisher zu gut von seinem Assistenten-gehalt gelebt hatte. Er brauchte das Geld. Und er hatte es zweifellos bereits ausgegeben.

»Was jetzt?«, fragte Vernon.

Seine Worte blieben in der Stille hängen.

»Ich kann nicht glauben, dass der alte Mistkerl das wirklich gemacht hat«, sagte Philip. »Dass er ein Dutzend alte Meisterwerke einfach mit ins Grab genommen hat, ganz zu schweigen von der unbezahlbaren Maya-Jade und dem Gold. Ich bin am Boden zerstört.« Er zog ein seidenes Taschentuch aus der Westentasche und tupfte sich die Stirn ab. »Dazu hatte er kein Recht.«

»Also, was machen wir jetzt?«, wiederholte Vernon.

Philip schaute ihn an. »Wir werden die Grabkammer natürlich suchen.«