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Wieder nickte sie, und als ich diesmal ihrem Blick begegnete, las ich Furcht darin.

Der Anblick versetzte mir einen tiefen, schmerzhaften Stich, denn es war ein Gefühl, das ich nur zu oft in den Blicken anderer las. Und es war vielleicht das einzige, woran ich mich nie mals würde gewöhnen können. Von allen Gefühlen, die man mir entgegenbrachte, war Angst immer das stärkste gewesen.

Ich verscheuchte den Gedanken, sah noch einmal zum See und dem Haus auf der anderen Seite hinüber und begann entschlossen, mein Hemd aufzuknöpfen. Die Nachtluft begann sich unangenehm bemerkbar zu machen, denn jetzt, in der Stunde zwischen vier und fünf, waren die Temperaturen bereits empfindlich tief gesunken, und als ich bis auf die Hosen nackt war und den schweren Oxygentank überstreifte, zitterte ich am ganzen Leib.

Several half mir, das komplizierte Gewirr von Schläuchen und Leitungen anzubringen und den Helm überzustreifen. Es war keiner der wuchtigen Kugelhelme, wie sie Nemos Leute trugen, sondern eine leichtere Ausführung, nur für geringe Wassertiefen gedacht, aber von bizarrem Äußerem. Mit etwas Glück, dachte ich spöttisch, würde man mich ebenfalls für ein Seeungeheuer halten, sollte ich zufällig entdeckt werden. Aber vielleicht war es besser, es nicht darauf ankommen zu lassen...

Vorsichtig erhob ich mich hinter meiner Deckung und begann, gebückt und die dicht an dicht wachsenden Sträucher als Deckung nutzend, die Uferböschung hinabzulaufen. Severals Versteck fiel rasch hinter mir zurück, und auch das mißtönende Geheul der Fischanbeter wurde leiser; ihre Fackeln waren nicht mehr als bloße Stecknadelköpfe in der Dunkelheit, als ich das Ufer erreichte.

Ich zögerte noch einmal, nachdem ich niedergekniet war und die großen Schwimmflossen aus Kautschuk übergestreift hatte, denn vom Wasser stieg ein eisiger Hauch empor, der mir einen Vorgeschmack auf die Kälte lieferte, die mich erwartete. Aber dann schob ich die letzten Bedenken beiseite und ließ mich entschlossen ins Wasser gleiten.

Es war nicht so kalt, wie ich erwartet hatte.

Es war ungefähr fünfzigmal kälter.

Sekundenlang blieb ich mit angehaltenem Atem stehen, dann zwang ich mich, weiterzugehen, ließ mich nach vorne sinken und machte einen ersten, mühsamen Schwimmzug. Meine Glieder schienen in Sekunden zu Eis zu erstarren, und wo meine Muskeln sein sollten, waren plötzlich knotige Stricke, die zu nichts weiter nutze waren, als weh zu tun. Aber ich zwang mich, mit ruhigen, kraftvollen Bewegungen weiterzuschwimmen, atmete tief und gezwungen langsam ein und aus und versuchte verzweifelt, weder an die Kälte noch an den namenlosen Schrecken zu denken, der am Grunde des schwarzen Wassers auf mich lauern mochte.

Der See schien kein Ende zu nehmen. Ich schwamm ein Stück weit weg vom Ufer. Nemo hatte mir erklärt, daß das Atemgerät mich für etwa eine Stunde am Leben erhalten konnte - was eine halbe Stunde bedeutete, die ich allerhöchstens unter Wasser bleiben durfte, ehe ich den Rückweg antrat. Um den Stollen zu suchen, Bannermann zu befreien und wieder zurückzukommen, keine sehr lange Zeit. Ich mußte mit jedem Atemzug geizen.

Das war der letzte Gedanke, den ich an Nemos Atemgerät erschwendete, denn genau in diesem Moment packte etwas meine Füße und zerrte mich mit furchtbarer Kraft in die Tiefe! Spears hatte Durst. Seine Lippen waren so trocken, daß sie bei der geringsten unvorsichtigen Bewegung rissen, und seine Kehle schmerzte. Die Situation war beinahe absurd - er war umgeben von Wasser, Millionen und Abermillionen Tonnen von Wasser - aber er würde verdursten, wenn er nicht bald hier herauskam; was immer dieses »hier« darstellen mochte.

Wenn er seiner inneren Uhr vertrauen konnte, so war er seit mehr als fünf Stunden in dieser ganz aus Stahl gebauten Kammer. Es mußte eine Art Maschinenraum sein, wenn er auch von Maschinen beherrscht wurde, von denen Spears nie zuvor gehört hatte. Es gab gewaltige, schwarze Monstrositäten aus Stahl, eine Unzahl von Kolben, Gestängen und Rädern, die sich in sinnverwirrendem Hin und Her bewegten, elektrische Kabel, die vor Anspannung summten, und verschiedenfarbige Lichter, die ihm wie kleine bunte höhnische Augen aus der Dunkelheit zublinzelten. Der Raum war vielleicht zwanzig Schritte lang und an die zehn Fuß hoch, die Wände nach unten hin gekrümmt wie der Rumpf des Schiffes und aus mannshohen, mit wuchtigen Nieten miteinander verbundenen Stahlplatten geschaffen. Ein umpfes, rhythmisches Hämmern erfüllte die Luft wie düsterer Pulsschlag.

Es war der Maschinenraum der NAUTILUS, so viel war ihm klar. Er war auf der Suche nach einem Versteck hierher gekommen, nachdem er sich an Bord des Schiffes geschlichen hatte, und in den ersten zwei Stunden hatte es so ausgesehen, als hätte er das perfekte Versteck gefunden.

Aber danach war ein Matrose erschienen und hatte irgend etwas an den Maschinen getan, das Spears nicht verstand, und als er gegangen war, hatte er das zollstarke Schott am vorderen Ende des Raumes hinter sich verriegelt, und kurz darauf waren die Maschinen wie von Geisterhand bewegt angesprungen und hatten mit ihrem monotonen Hämmern begonnen.

Vor Spears innerem Auge entstand die furchtbare Vision einer NAUTILUS, die sich auf eine endlose Fahrt unter den Meeren begab, Tage, vielleicht Wochen, in denen sie niemals auftauchen würde. Und vielleicht Wochen, in denen niemand hierher kam, weil die geheimnisvollen Maschinen des Unterwasserschiffes ohne die Hilfe von Menschen funktionierten.

Die Vision beinhaltete noch mehr. Sie zeigte ihm ein Gesicht, aufgedunsen und bleich, die Zunge wie ein geschwollener Fremdkörper aus dem Mund hängend, in den Augen der Wahnsinn, der seinen Geist verwirrt hatte, ehe das Ende kam. Das Gesicht eines Verdursteten. Sein Gesicht. Er wußte, daß er gegen die zollstarken Metallwände hämmern konnte, solange er wollte, ohne daß auf der anderen Seite auch nur der mindeste Laut zu hören sein würde. Es war gut möglich, daß er in sein eigenes Grab gestiegen war, als er dieses Versteck fand. Spears spürte, daß er in Panik zu geraten drohte, verkrampfte so heftig die Fäuste, daß es weh tat, und biß sich auf die Zunge. Der Schmerz vertrieb die aufsteigende Panik.

Wenigstens für den Moment hatte er sich wieder in Gewalt.

Unschlüssig begann der hochgewachsene Fregattenkapitän in dem langgestreckten Raum auf und ab zu gehen. Für einen Moment überlegte er, auf die gleiche Weise aus seinem selbstge suchten Gefängnis auszubrechen wie schon einmaclass="underline" wenn es ihm gelang, eine der Maschinen zu beschädigen, würde jemand kommen und nachsehen.

Aber er verwarf den Gedanken so schnell, wie er aufgetaucht war. Die Maschinen hier waren anders; Kolosse aus Stahl, denen er mit bloßen Händen keinen nennenswerten Schaden ufügen konnte. Und vor den elektrischen Kabeln hatte er mehr als nur Respekt, seit er mit angesehen hatte, was die harmlos aussehenden Kupferleitungen anrichten konnten. Ganz flüchtig dachte er an den Mann, der vor seinen Augen in den zerborste nen Spiegel gestürzt war. Ob er tot war? Wenn ja, durfte Spears kaum mehr auf Nemos Großzügigkeit rechnen.

Er verscheuchte auch diesen Gedanken. Wenn er nicht rasch hier herauskam, durfte er auf gar nichts mehr rechnen, außer auf einen langen, qualvollen Tod. Irgendwie erschien ihm der Gedanke an einen Seemann, der verdurstete, lächerlich.

Wieder verging Zeit - Ewigkeiten für Spears, in Wahrheit vielleicht nicht mehr als eine viertel Stunde -, und plötzlich hörte er ein Geräusch, das nicht in das monotone Wummern der Maschinen paßte; ein helles, metallisches Scharren von der Tür her.

Spears reagierte sofort. Blitzartig ließ er sich in eine Lücke zwischen zwei der gewaltigen Maschinenblöcke fallen, preßte sich in den Schatten und blickte mit angehaltenem Atem zur Tür. Mit einem metallischen Scharren glitt das gewaltige Panzerschott zur Seite, und ein breitschultriger Matrose betrat den Maschinenraum, eine Werkzeugkiste und einen ölverschmierten Putzlappen in den Händen. Spears wartete mit angehaltenem Atem, bis der Mann ganz dicht vor seinem Versteck war. Dann sprang er ihn an.