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Er war verwirrt. Mehr noch: überrascht und für einen Moment aus der Fassung gebracht. Er hatte geahnt, daß der Angriff überraschend kommen und mit aller Macht geführt sein würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, daß der Feind so weit gehen würde.

Zorn breitete sich in ihm aus, als er begriff, was wirklich geschehen war. Für einen Moment war er versucht, aus seinem Versteck zwischen den Schatten hervorzutreten und mit seiner ganzen Macht zurückzuschlagen. Aber der Augenblick verging so rasch, wie er gekommen war. Er mußte vorsichtig sein. Auch wenn der Feind nur ein sterblicher Mensch war, so hatte er doch mächtige Verbündete, Wesen, die ihm an Stärke und Klugheit gleich kamen, vielleicht sogar stärker waren, denn anders als er kannten sie weder Rücksicht noch Skrupel. Und das Geschehen auf der DAGON war nur ein winziger Teil des Puzzles, nicht mehr als ein Zug in einem nach Äonen gezählten Spiel. Wenn er seine Maske zu früh fallen ließ, würde er verlieren. Die anderen wußten nicht von ihm, ahnten nicht einmal, daß es ihn gab, und diese Unwissenheit war sein größter Trumpf. Wenn er ihn zu früh ausspielte, mochte es sein, daß er seine letzte Chance verschenkte, ehe der wirkliche Kampf überhaupt begann.

Aber es gab etwas anderes, was er tun konnte...

Ich hörte die Schreie, lange ehe ich die Treppe hinunterstürzte und den Mannschaftsraum betrat: spitze, gellende Schreie, wie sie Menschen nur in höchster Not ausstoßen, Menschen, die Todesangst ausstehen. Das Schiff erbebte noch immer wie unter einer ununterbrochenen Folge furchtbarer Hammerschläge, und ich torkelte mehr die Treppe hinunter, als daß ich ging. Zwei-, dreimal verlor ich das Gleichgewicht und schlitterte haltlos weiter, verletzte mich aber wie durch ein Wunder nicht ernsthaft, sondern fügte der stattlichen Sammlung von Beulen und Schrammen auf meinem Körper nur einige weitere Exemplare hinzu. Die Messe bot ein Bild des Chaos, als ich durch die Tür stolperte. Die gewaltigen Erschütterungen, die die Dagon in ihren Grundfesten erbeben ließen, hatten Tische und Bänke durcheinandergewirbelt und zertrümmert und harmlose Möbel in tödliche Geschosse verwandelt. Nicht wenige Männer und Frauen lagen blutend und stöhnend da, und die, die unverletzt geblieben waren, rannten in wilder Panik durcheinander und vergrößerten so das Chaos noch. Ein unbeschreiblicher Lärm erfüllte den Saal. Mühsam arbeitete ich mich durch die wild durcheinandertobende Menschenmenge vor, stieg über einen zertrümmerten Tisch, unter dem ein reichlich mitgenommener McGillycaddy hervorlugte, und stieß die Tür auf, die zu Dagons Kabine führte. Der Gang dahinter war halb eingestürzt; ein Teil der Decke war heruntergebrochen und versperrte den Weg, und durch einen handbreiten, klaffenden Riß in der Seitenwand schoß schaumiges Salzwasser herein. Der Boden unter meinen Füßen bebte wie ein waidwundes Tier.

Torkelnd erreichte ich die Tür, hinter der ich Dagons Kabine wußte, rüttelte einen Moment lang vergeblich an der Klinke und warf mich schließlich mit aller Macht dagegen. Das Holz ächzte unter meinem Anprall, gab aber erst beim dritten Versuch wirklich nach; zusammen mit den Resten der zerborstenen Tür taumelte ich in den Raum.

Um ein Haar wäre es mein letzter Schritt geworden.

Ich sah die Klinge heranfegen, versuchte eine Abwehrbewegung zu machen und verlor auf dem bockenden Boden das Gleichgewicht. Mit haltlos rudernden Armen kippte ich nach hinten, rollte mich instinktiv zur Seite und hörte die Klinge dort in den Boden krachen, wo ich zuvor noch gelegen hatte. Ein spitzer, gellender Schrei erscholl, und mit einem Male verschwand der Schatten über mir und machte einem Knäuel ineinander verstrickter Arme, Beine und sonstiger Extremitäten Platz.

Mühsam rappelte ich mich auf, blinzelte die Benommenheit weg und blickte eine halbe Sekunde lang verstört auf das entsetzliche Bild, das sich mir bot. Aus der ehemals prachtvollen Kabine war ein Trümmerhaufen geworden. Zwei der drei Fenster waren zerbrochen, so daß Gischt und eisiger Wind hereinfauchten, das Mobiliar war zertrümmert, und neben dem thronartigen Stuhl, auf dem Dagon gesessen hatte, lag der furchtbar zugerichtete Kadaver eines seiner Kaulquappenmonstren.

Das zweite Ungeheuer kämpfte einen verzweifelten Kampf mit dem schwarzverhüllten Mann, der mich angegriffen hatte - einem von Necrons Drachenkriegern!

Es war ein Kampf, den es nicht gewinnen konnte. Die Bestie hatte den Mann in einem für sie günstigen Moment angefallen, gerade als er sich auf mich konzentrierte und sie für Sekunden nicht beachtete, aber der Augenblick der Überraschung war vorüber. Der Drachenkrieger wich dem schnappenden Maul des Monstrums aus, schlug ihre Klauenhände beiseite und sprang mit einem Satz zurück. Das Schwert in seiner Hand funkelte wie ein gefangener Blitz. Ich sah den Hieb nicht einmal, so schnell war er, aber Dagons Monsterkreatur prallte mitten in der Bewegung zurück, hob mit einem fürchterlichen Gurgeln die Hände an den Schädel - und kippte ganz langsam nach hinten, während sich Necrons Killer bereits wieder umwandte, um mir endgültig den Garaus zu machen.

Hastig wich ich zurück, bis ich mit dem Rücken an der Wand stand. Der Schwarzgekleidete kam näher, nicht sehr schnell, aber mit fließenden, gleitenden Bewegungen, die deutlich zeigten, wie sehr er seinen Körper unter Kontrolle hatte. Die Spitze seines Schwertes richtete sich auf mein Gesicht und folgte jeder meiner Bewegungen wie eine stählerne Schlange.

Verzweifelt sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Es war lange her, daß ich einem Mann wie ihm gegenübergestanden hatte, aber die Erinnerung daran war trotzdem noch zu lebhaft, um mich den Gedanken an einen Kampf mit dem Maskierten sofort wieder verwerfen zu lassen. Diese Männer waren einfach ein paar Klassen zu gut für mich.

Ich wich ein Stück zur Seite, hob ein zerbrochenes Stuhlbein auf und schwang es wie eine Keule. Der Drachenkrieger machte eine fast spielerische Bewegung mit dem Schwert, und aus meinem Knüppel wurde ein kaum drei Inches langer Stumpf. Dann stieß er zu.

Es war wohl eine Kombination aus schierem Glück und der Kraft, die mir die Verzweiflung gab, daß es mir gelang, dem tich auszuweichen. Die Klinge fuhr mit einem häßlichen Ratschen über meine Rippen und bohrte sich tief in die Wand neben mir. Instinktiv griff ich zu, umklammerte die Hand des Drachenkriegers und hielt sein Gelenk fest. Gleichzeitig trat ich nach ihm; eine Kombination, die nicht gerade den englischen Boxregeln entsprach, aber im allgemeinen sehr wirkungsvoll war. Diesmal nicht. Der Mann nahm den Tritt hin, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, ließ plötzlich sein Schwert los und schlug mir hart mit dem Handrücken über den Mund. Ich sackte in mich zusammen, ließ mich zur Seite kippen, entging so im letzten Moment einem gemeinen Fußtritt und revanchierte mich auf die gleiche Weise. Der Drachenkrieger fiel nach hinten, kam mit einer Rolle wieder auf die Füße und senkte die Hand unter sein Gewand. In seinen Fingern glitzerte ein fünfzackiger, metallener Stern mit rasiermesserscharfen Kanten.

Hinter mir peitschte ein Schuß.

Necrons Killer erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Augen wurden rund vor Staunen, und plötzlich färbte sich das schwarze Tuch, das sein Gesicht verbarg, rot. Er wankte. Der Wurfstern fiel zu Boden und blieb zitternd in den Planken stecken. Ganz langsam brach er in die Knie, hob die Hände an das Gesicht und fiel nach vorne.

Als ich mich aufrichtete, begegnete ich McGillycaddys häßlichem Grinsen. Er stand breitbeinig unter der Tür, eine Winchester-Büchse in den Händen haltend, deren Lauf jetzt mit einer raschen Bewegung herumruckte und sich genau auf mein Gesicht richtete.

»Eigentlich hätte ich warten sollen, bis er dich endlich hat, Craven«, sagte er. »Aber vielleicht kann ich das ja nachholen. Was ist hier passiert? Wo sind Dagon und die Schlampe, die er bei sich hat?«

Ich verlängerte die Liste der Dinge, die ich ihm antun wollte, in Gedanken um einige Punkte, stemmte mich mühsam hoch und ging in großem Bogen um den Toten herum. McGilly caddys Gewehr folgte meiner Bewegung getreulich, aber ich wußte, daß er nicht schießen würde. Zornig trat ich auf ihn zu, drückte die Winchester nach unten und funkelte ihn an.