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»Wovon, zum Teufel, redest du überhaupt?« brüllte McGillycaddy.

»Von Dagon«, antwortete Jennifer leise. »Er ist fort.«

McGillycaddey starrte sie an. »Fort? Was heißt das?«

»Er ist geflohen, McGillycaddy«, sägte Jennifer leise. »Er... er hat uns im Stich gelassen. Uns alle. Er... er sagte, ich könne mit ihm gehen, aber für euch...« Ihre Stimme brach fast. Tränen schimmerten in ihren Augen, und ihre Hände gruben sich tief in den Stoff ihres Gewandes, als brauche sie irgend etwas, woran sie sich verzweifelt festklammern konnte. »Er sagte, ihr alle werdet sterben, McGillycaddy. Die Dagon wird untergehen.«

»Fort?« echote McGillycaddy mit zitternder Stimme. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. »Aber warum? Ich meine, er... er hat versprochen, uns...«

»Er hat gelogen, McGillycaddy«, sagte Jennifer leise. »Er hat uns alle belogen. Er hat uns das Paradies versprochen, aber wir werden sterben, weil er... weil er feige war und vor den Maskierten davongelaufen ist.«

»Du hast sie gesehen?« mischte ich mich ein.

McGillycaddy fuhr mit einem Ruck herum, als ich neben ihn trat, aber zu meiner eigenen Überraschung unterbrach er mich nicht, sondern nickte Jennifer im Gegenteil auffordernd zu, zu antworten. Sie nickte.

Die Tränen liefen jetzt schneller über ihre Wangen. »Ja«, sagte sie. »Sie... sie haben uns verfolgt, Dagon und mich und seine Diener. Sie... sie haben alle getötet, nur mich nicht.«

»Wie viele waren es?« fragte ich.

»Nicht viele«, antwortete Jennifer. »Drei, vielleicht vier. Bestimmt nicht viel mehr.«

»Haben Sie gesagt, was sie wollen?« fragte McGillycaddy.

Jennifer schüttelte den Kopf, dann nickte sie plötzlich. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie. »Aber einer sagte etwas von... einem Siegel.«

»Einem Siegel?« Plötzlich glaubte ich Dagons Worte noch einmal zu hören, so deutlich, als stünde er hinter mir und spräche sie noch einmaclass="underline" Die Sieben Siegel dürfen nicht erbrochen werden, Robert Craven. »Bist du sicher?«

Wieder dauerte es Sekunden, ehe Jennifer nicke. »Einer von ihnen sagte es«, murmelte sie. »Er... er sagte, daß es noch an Bord der Dagon ist. Und... und daß sie es holen wollten, ehe das das Schiff sinkt.«

Gillycaddy starrte mich an. »Wissen Sie, was das bedeutet?« fragte er lauernd.

Ich schüttelte den Kopf, aber ich merkte gleich, daß ich McGillycaddy nicht überzeugt hatte.

»Die Sieben Siegel«, murmelte er. Plötzlich legte er den Kopf auf die Seite und maß mich mit einem langen Blick. »Da war doch so ein komischen Amulett, oder?« fragte er leise. »Dieses Ding, das Sie bei sich haben und ohne das wir nicht fahren konnten.«

»Das hat damit nichts zu tun«, sagte ich hastig. »Und selbst wenn ...«

McGillycaddy hörte nicht weiter zu, sondern löste das Problem auf seine eigene Art - er packte mich, verdrehte mir den Arm und griff zielsicher in die Tasche meines Gehrockes, in der ich Andaras Amulett trug. Mit einem zufriedenen Grunzen zog er den goldenen Stern hervor, stieß mich von sich und drehte das Schmuckstück in den Händen. »Dahinter sind sie also her«, murmelte er. »Wenn das alles ist, was sie haben wollen, warum geben wir es ihnen nicht?«

»Nein!« entfuhr es mir. »Das dürfen Sie nicht, McGillycaddy! Sie wissen ja nicht, was Sie tun!«

McGillycaddy schürzte abfällig die Lippen. »Möglich«, sagte er. »Aber ich weiß ziemlich genau, wozu ich keine Lust habe - nämlich umgebracht zu werden, wegen eines... Amulettes.« Er schloß die Faust um den Stern und deutete mit einer Kopfbewegung zur Treppe. »Sollen Sie es haben, wenn sie uns dann in Ruhe lassen.«

»Um Gottes willen, nicht!« keuchte ich. »Sie ahnen nicht, was...« Ich sprach nicht weiter. Einer von McGillycaddys Schlägern trat hinter mich und schlug mir so heftig mit der Faust in den Nacken, daß mir schwarz vor Augen wurde. Es dauerte nur ein paar Sekunden. Ich war nicht wirklich bewußtlos, aber meine Knie gaben nach, und für Augenblicke war ich benommen. Als sich die rauchigen Spinnenfinger der Bewußtlosigkeit wieder zurückzogen, war McGillycaddy verschwunden, und statt seiner erblickte ich das höhnische Grinsen eines seiner Speichellecker.

Mühsam stand ich auf, tat so, als wolle ich meinen schmerzenden Nacken massieren, und schlug dem Burschen die Faust unter das Kinn. Aus dem gehässigen Grinsen wurde eine Grimasse, dann erschlafften seine Züge, und er sank bewußtlos zu Boden.

Ich fuhr herum, stieß einen weiteren Mann zur Seite und stürzte hinter McGillycaddy her, so schnell ich konnte. Niemand hielt mich auf.

Necron wartete. Der Sand in der kristallenen Uhr, die er vor sich aufgestellt hatte, war noch nicht zur Hälfte durchgelaufen, und er wußte, daß er sich gedulden mußte, denn selbst für Shannon und die sechs Krieger, die er mitgenommen hatte, war die Aufgabe schwer. Trotzdem ertappte er sich immer wieder dabei, abwechselnd auf den blitzenden Strom monoton fließenden Goldstaubes in der Uhr und die geschlossene Eichentür zu starren, die sich öffnen und das Tor freigeben würde, wenn es an der Zeit war.

Bald, dachte er. Bald.

Er wußte, daß er noch nicht gewonnen haben würde, selbst wenn Shannon erfolgreich war und das SIEGEL brachte. Es war nur der erste Schritt, der erste Zug in einem Spiel, dessen Regeln selbst ihm noch nicht ganz klar waren. Aber wie ein geübter Schachspieler wußte er auch, daß der erste Zug der wichtigste sein mochte, daß er sich gerade jetzt keinen Fehler erlauben durfte.

Necron riß den Blick von der so harmlos aussehenden Eichentür los und sah auf die beiden kristallenen Särge an der Wand davor.

Für einen Moment war ihm, als hätte sich das bleiche Gesicht des schlafenden Mädchens darin verändert, als wirke es plötzlich lebendiger, rosiger. Und gleichzeitig finsterer, voll einer unausgesprochenen Drohung, die düsterer war, als selbst er nachempfinden konnte.

Dann lächelte er. Unsinn, dachte er spöttisch. Der Zauber war stark, den er über das Mädchen geworfen hatte. Hundertmal stärker, als nötig gewesen wäre, eine Sterbliche zu bannen. Und trotzdem - als er sich wieder umwandte und den langsam rinnenden Goldstaub seiner Uhr betrachtete, hatte er das unbehagliche Gefühl, als ob sie ihn anstarrte.

Er drehte sich nicht noch einmal herum, um sich zu überzeugen, daß es nicht so war und ihm nur seine Nerven einen Streich spielten.

Aber es kostete ihn große Kraft, es nicht zu tun.

Der Strudel war noch nähergekommen, und sein Dröhnen übertönte jetzt selbst das Lärmen des Sturmes und die Donnerschläge: ein tiefes, ununterbrochen anhaltendes Donnern und Krachen wie das Geräusch eines gigantischen Wasserfalles. Die Dagon schoß mit der Geschwindigkeit eines Pfeiles dahin, eingehüllt in himmelhohe Wolken aus Schaum und sprühender Gischt, die Segel gebläht und Masten und Tauwerk bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gespannt. Ich konnte direkt spüren, wie das Schiff unter meinen Füßen vor Anspannung zitterte. Dann sah ich McGillycaddy. Er rannte ein gutes Stück vor mir über das Deck der Dagon, direkt auf den gewaltigen Hauptmast zu, der sich gute hundert Schritte vor mir in den Himmel reckte. Von Shannon oder den anderen Drachenkriegern war keine Spur zu entdecken.

Ich drehte das Gesicht aus dem Wind und rannte los, so schnell ich konnte. McGillycaddys Vorsprung war beträchtlich, aber auf einem Schiff war selbst dieses Wort relativ. So gigantisch die Dagon war, es gab nicht viel Platz auf ihrem Deck, um mir davonzulaufen, wollte er nicht über Bord springen und sein Glück schwimmend versuchen.

Das tat er natürlich nicht. Dafür tat er etwas anderes, etwas, womit ich ebensowenig gerechnet hatte. Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil innezuhalten, raste er auf den Hauptmast zu und begann wie eine übergroße vierbeinige Spinne in seiner Bespannung emporzuklettern!