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Der Fremde war stärker geworden. Viel stärker.

Bisher hatte ich angenommen, es wäre die Nähe des geheimnisvollen Wesens, das in Bannermanns Gestalt geschlüpft war, die ich fühlte, aber das stimmte nicht. Es gab noch etwas anderes; etwas, das sehr viel mächtiger war und gleichzeitig düsterer und fremdartiger, kein Geist wie der des Bannermann-Wesens, sondern etwas wie eine dunkle Macht, ein Vernunft- und seelenloses Prinzip des Bösen, das sich wie ein Pesthauch über der Dagon ausgebreitet hatte und das an Stärke gewann, mit jedem Atemzug, den ich tat. Es war, als näherten wir uns dem Zentrum eines unsichtbaren Gewitters.

War es das, wovor Bannermann mich hatte warnen wollen, als er sagte, daß ich nicht nur gegen menschliche Gegner kämpfen würde? dachte ich. Dieses fremde, erschreckende Ding, das seine Klauen nach der Dagon ausgestreckt hatte wie eine unsichtbare Spinne?

Ich schauderte.

»Da drüben ist was«, sagte McGillycaddy nervös. Seine Finger spielten am Abzug der Winchester, was mich besorgt aufblicken ließ. Ich war längst nicht mehr sicher, daß es eine gute Idee gewesen war, ihn und seine vier Schlägertypen mitzunehmen. Aber ich hatte gesehen, daß er - trotz allem - auch ein Mann war, der mit der Waffe umzugehen wußte und sich seiner Haut zu wehren verstand. Und gegen Shannon und seine vier Begleiter konnte ich jedes bißchen Unterstützung gebrauchen, das ich bekommen konnte.

Außerdem hatten wir einen gewissen Vorteil. Der einzige direkte Weg hinunter in den unteren Teil der Dagon führte durch den Raum, in dem wir uns verschanzt hatten. Shannon und seine Krieger mußten hier vorbei - und unser Gewehr und die vier Pistolen, mit denen McGillycaddys Leute bewaffnet waren, machten einen Gutteil ihrer Überlegenheit wieder wett.

Unter der Tür, auf die McGillycaddy gedeutet hatte, regte sich jetzt tatsächlich etwas. Ich war nicht sicher, ob es ein Mensch war oder nur ein Schatten, den das verwirrende Lichtspiel der Blitze draußen hervorrief, schob mich aber sicherheitshalber ein Stück weiter in die Deckung des umgeworfenen Tisches. Wir hatten eine notdürftige Barrikade errichtet, vor der auf einer Strecke von gut zwanzig Schritten nichts war, hinter dem auch nur eine Maus Deckung gefunden hätte. Wenn Shannon hier vorbei wollte, mußte er sich etwas einfallen lassen.

Nicht, daß ich etwa daran zweifelte, daß er es tun würde.

»Da sind sie!« brüllte McGillycaddy, riß sein Gewehr hoch und schoß, so schnell, daß ich nicht mehr dazu kam, ihn zurückzuhalten.

Von einer Sekunde auf die andere verwandelte sich der Raum in ein Chaos aus peitschenden Schüssen, grellen Mündungsblitzen und Pulverdampf. Ich sah die geduckte Gestalt eines Drachenkriegers unter der Tür auftauchen und die Kugeln rechts und links von ihm in das Holz klatschen. Dann erschien ein zweiter, dritter, vierter und fünfter Mann, lautlos wie Schatten und ebenso schnell und wendig in ihren Bewegungen. Beinahe schneller, als das Auge ihnen zu folgen vermochte, huschten sie in den Raum und warfen sich hinter den umgestürzten Möbelstücken in Deckung. Nicht eine einzige Kugel traf ihr Ziel. Schließlich hörte McGillycaddy auf, wie ein Besessener zu schießen, und senkte sein Gewehr. Auch seine vier Kameraden stellten das Feuer ein. »Sie verdammter Narr«, sagte ich zornig. »Konnten Sie nicht warten?«

»Wozu?« gab McGillycaddy patzig zurück. »Wir haben sie in Deckung getrieben, oder?«

»Ja«, knurrte ich, »und dabei unser Versteck verraten und die Hälfte unserer Munition nutzlos verpulvert.«

Auf McGillycaddys Gesicht erschien ein betroffener Ausdruck. Verstört blickte er mich einen Moment lang an, dann lugte er wieder über den Rand unserer Deckung zum anderen Ende des Saales hinüber.

Irgend etwas bewegte sich dort drüben, aber es war nicht genau auszumachen, was. Die Größe des Saales, die uns bisher von Vorteil erschienen war, entpuppte sich nun als Handicap, denn auf ein Ziel, das sich so schnell und lautlos zu bewegen vermochte wie ein Drachenkrieger, war ein sicherer Schuß auf diese Distanz unmöglich.

»Nicht schießen«, sagte ich in jenem gehetzten, hellen Flüsterton, den man nur mehrere Schritte weit vernehmen kann. »Erst, wenn ihr ein wirklich sicheres Ziel habt.«

Die Schwarzgekleideten kamen näher. Ein Huschen hier, ein Scharren und Schleifen dort - das war alles, was wir sahen und hörten.

Plötzlich erwachte einer der Schatten zu rasendem Leben. Etwas polterte, und mit einem Male sprang ein Drachenkrieger hinter seiner Deckung hervor, stieß einen gellenden Kampfschrei aus und raste im Zickzack auf uns zu.

McGillycaddy schrie auf, sprang hinter dem umgestürzten Tisch in die Höhe und feuerte dreimal hintereinander.

Jeder Schuß traf.

Aber der Mann rannte weiter.

McGillycaddy keuchte ungläubig, riß seine Waffe abermals in die Höhe und schoß noch einmal, und im selben Moment begannen auch die anderen vier zu feuern.

Der Drachenkrieger begann zu taumeln, wie von Fausthieben getroffen, und ich sah, daß er mindestens sieben-, achtmal getroffen wurde.

Aber er lief noch immer weiter, torkelte in einer fast unmöglichen Haltung auf uns zu und fiel schließlich auf die Knie. McGillycaddy brüllte triumphierend, richtete sich vollends hinter seiner Deckung auf und schoß noch einmal auf ihn. Der Drachenkrieger bäumte sich auf, griff sich mit beiden Händen an den Schädel und fiel nach hinten.

McGillycaddy starb eine Sekunde nach ihm.

Etwas Kleines, Silbernes fegte wie ein rasendes Rad aus Licht durch die Luft, prallte gegen den Lauf seines Gewehres, kippte um seine Mittelachse und rollte McGillycaddys Arm hinauf, eine schnurgerade Spur blutender Wunden hinterlassend, erreichte seine Schulter und zerfetzte die Jacke. McGillycaddy brüllte vor Schmerz und Schrecken, ließ seine Waffe fallen und taumelte zurück, die Hand auf den blutenden Arm gepreßt. Ein zweiter Shuriken raste heran und tötete ihn auf der Stelle.

Und plötzlich schien der Saal voller finsterer Gestalten zu sein. Ich wußte, daß es nur noch vier waren, Shannon mitgezählt, aber sie schienen überall zugleich zu sein; Männer, die unter den grellen Mündungflammen der Revolver hindurchtauchten und einen irrsinnigen Tanz zwischen den einschlagenden Kugeln aufführten. Der Mann neben mir brach plötzlich zusammen, und von der anderen Seite der Barriere her erscholl ein gellender Schrei, der mir sagte, daß Shannons Krieger auch dort die provisorische Sperre durchbrochen hatten.

»Zurück!« schrie ich und sprang auf, ohne abzuwarten, ob einer der Männer meinen Befehl gehört hatte oder darauf reagierte. Etwas Helles wirbelte auf mich zu; ich duckte mich, verspürte einen heftigen, schneidenden Schmerz an der Schulter und rannte im Zickzack weiter. Hinter mir peitschten noch immer Schüsse.

Wie von Sinnen hetzte ich auf die Tür los, sah mich im Laufen um und verdoppelte meine Anstrengung, als ich sah, daß gleich zwei der schwarzgekleideten Gestalten meine Verfolgung aufgenommen hatten.

Keuchend erreichte ich die Tür, packte sie im Vorübergehen und warf sie hinter mir wuchtig ins Schloß, um wenigstens eine einzige Sekunde herauszuschinden. Dann traf etwas meine verletzte Schulter und riß mich herum. Ich strauchelte, sah die Wand auf mich zurasen wie eine hölzerne Faust und versuchte den Anprall mit den Händen abzufangen.

Ich war nicht schnell genug.

Etwas war nicht so, wie es sein sollte. Es hatte lange gedauert, bis er es gemerkt hatte, denn die Anstrengung, das Tor offenzuhalten, überstieg beinahe seine Kräfte; nur ein ganz geringer Teilseines Bewußtseins konnte sich um die Dinge kümmern, die umihn herum vorgingen.