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»Gehen wir«, sagte Shannon, als er fertig war.

Nebeneinander drangen sie in den Busch ein. Wolken waren aufgezogen, und das dichte Blätterdach des Dschungels dämpfte das Licht des Mondes noch mehr, so daß sie sich nur noch vorantasten konnten, aber Shannon schien über die Augen einer Katze zu verfügen. So rasch, als wäre es heller Tag, eilte er vor Eldekerk durch den Busch.

Plötzlich blieb er stehen, und als auch Eldekerk innehielt, hörte er Schritte, darunter die gemurmelten Gespräche von zwei oder mehr Menschen. Shannon gestikulierte ihm, leise zu sein, und Eldekerk nickte. Nach allem, was er erlebt hatte, stand auch ihm nicht mehr der Sinn nach einer weiteren unverhofften Begegnung.

Aber sein Schrecken wandelte sich in Erleichterung, als er die beiden Gestalten vor sich auf dem Waldweg auftauchen sah und ihre Uniformen erkannte.

»Das sind Soldaten, Shannon!« sagte er erleichtert. »Soldaten von der Garnison. Sie werden uns helfen!«

Beim Klang seiner Worte waren die beiden stehengeblieben, und Eldekerk sah, wie einer zu seinem Gewehr griff. Rasch hob er den Arm, winkte beruhigend und sagte laut: »Nicht schießen! Ich bin es, Eldekerk!«

Die Hand, die nach dem Gewehr hatte greifen wollen, erstarrte mitten in der Bewegung. Der Soldat kam einen Schritt näher, kniff mißtrauisch die Augen zusammen und sah erst Eldekerk, dann Shannon und dann wieder ihn an.

»Eldekerk?« fragte er. »Was tun Sie hier, um diese Zeit? Und wer ist das da bei Ihnen?«

»Ein Freund«, sagte Eldekerk hastig. »Euch beide schickt der Himmel. Ihr müßt uns helfen!« Rasch trat er auf die beiden Soldaten zu. Shannon folgte ihm, machte einen Schritt zur Seite und musterte die beiden Männer stumm.

»Wobei müssen wir euch helfen?« fragte einer der Soldaten lauernd. »Beim Schmuggeln?«

»Nein«, sagte Shannon ruhig. »Beim Sterben.«

Metall blitzte in seiner Hand. Eldekerk fuhr zusammen, aber er kam nicht mehr dazu, einen Schrei auszustoßen.

Mit einer Bewegung, die schneller war, als seine Augen ihr folgen konnten, trat Shannon auf die beiden Soldaten zu und zog sein Schwert durch.

Der Käfig war nicht viel größer als ein aufrecht stehender Sarg. Er stand auf der Ladefläche eines niedrigen Eselskarrens, und die rostigen Handschellen, die an seinen Seiten befestigt waren, bekundeten seinen Verwendungszweck auf äußerst nachdrückliche Weise.

Das obskure Gefährt erinnerte mich an die Abbildungen der Käfigwagen, mit denen die Verurteilten während der Französischen Revolution zum Schafott gebracht worden waren. Nur daß es noch unmenschlicher aussah.

Ich lag auf dem Rücken, halb in fauligem Stroh vergraben, im hinteren Drittel einer Scheune. Ich erinnerte mich kaum, wie ich hierhergekommen war. Irgendwann, nach einer Ewigkeit, die nur aus Schwärze und der vagen Erinnerung an Schmerz bestand, hatten mich zwei von Tergards Männern unter den Armen ergriffen und hierhergeschleift, in einen kleinen, zur Westseite hin offenen Schuppen gleich neben dem Tor der sogenannten Garnison.

Dann war Roosfeld gekommen.

Ich wußte nicht, wieviel Zeit seither vergangen war, aber es mußten Stunden sein, denn der Himmel begann sich bereits grau zu färben, und aus dem nahen Dschungel wehte ein ganzer Chor kreischender und schimpfender Vogelstimmen herüber.

Ich klammerte mich an dieses Geräusch, als einzige Verbindung, die noch zwischen der wirklichen Welt und dem Universum aus Furcht und Schmerzen bestand, in das Roosfeld mich hineingeprügelt hatte.

Das Schlimme waren nicht einmal die Schmerzen gewesen, sondern das, was Tergard getan hatte. Es war nicht das erste Mal, daß ich einen Angriff auf rein geistiger Ebene erlebte, aber nie war es so schlimm gewesen wie jetzt. Der Templer hatte meinen Geist von unten nach oben gekehrt, in verbotenen Bereichen meines Selbst gegraben und Dinge zutage gefördert, von denen ich selbst nicht wußte, daß sie da waren.

Und dann hatte er mein Gehirn genommen und es wie einen feuchten Aufwischlappen ausgewrungen. Das war der einzige Vergleich, der mir dazu einfiel, und auch er war mehr als unzureichend. Ich fühlte mich... leer. Ausgesaugt und müde, als hätte Tergard meine Lebenskraft gestohlen wie ein bizarrer geistiger Vampir.

Kein Mensch erträgt es, wenn seine geheimsten Gedanken und Wünsche ans Tageslicht gezerrt werden. Für endlose Minuten hatte ich nur noch den Wunsch gehabt, zu sterben, um dem unbeschreiblichen Gefühl der Scham zu entfliehen, mit dem Tergards Tun mich erfüllt hatte.

Der Tempelherr hatte in meinem Gehirn geblättert wie in einem Buch. Es gab buchstäblich nichts mehr, was er nicht von mir wußte.

»So ist das also«, sagte er, nachdem er mich eine Zeitlang schweigend angestarrt hatte. In seiner Stimme schwang eine Mischung aus Erstaunen und Unglauben. Aber sein Blick war hart und erbarmungslos wie zuvor.

»Ich muß Ihnen sagen, ich haben Ihnen wirklich unrecht getan, Craven«, murmelte er. »Sie sind kein Spion.«

Ich wollte antworten, aber mir fehlte die Kraft dazu, und vermutlich hätte Tergard mir auch gar nicht zugehört. Obgleich er sich alle Mühe gab, nach außen hin weiter so gelassen und ruhig zu erscheinen wie bisher, spürte ich doch, wie sehr ihn das, was er von und über mich in Erfahrung gebracht hatte, innerlich aufwühlte. »Nein«, sagte er noch einmal. »Ein Spion sind Sie nicht.« Er lachte leise. »Nicht einmal Ihr Paß ist gefälscht, so unglaublich es klingt. Wenn ich Sie jetzt nach Amerika zurückschicken würde, dann könnten Sie sich glatt selbst begegnen. Eine amüsante Vorstellung, nicht wahr?« Übergangslos wurde er wieder ernst. »Aber keine Sorge, mein lieber Freund - ich werden Sie nicht in die Verlegenheit bringen.«

»Nein?« würgte ich hervor. »Wollen Sie Ihrem... Gorilla den Spaß nicht verderben?« Meine Stimme bebte. Es war nunmehr kindlicher Trotz, der mir überhaupt noch die Kraft gab, zu sprechen.

»Roosfeld?« Tergard lachte erneut. »Aber nicht doch, Craven. Er hat seinen Spaß gehabt, meinen Sie nicht auch? Was den verstauchten Arm anbelangt, ist er wohl quitt mit Ihnen.« Mühsam wandte ich den Kopf und blinzelte zu Roosfeld hinauf, der breitbeinig über mir stand. Sein rechter Arm hing in einer Schlinge, und der Ausdruck auf seinen Zügen schien zu sagen, daß man über diesen Punkt durchaus geteilter Meinung sein konnte. Roosfeld war noch nicht mit mir fertig. Noch lange nicht.

»Keine Angst, Craven«, sagte Tergard, als er meinen Blick bemerkte. »Roosfeld wird Ihnen nichts mehr antun. Wir haben eine viel bessere Methode, mit Leuten wie Ihnen fertig zu werden.«

Ich stemmte mich mit letzter Kraft in die Höhe und fiel zurück, als Roosfeld mir in die Seite trat.

»Roosfeld!« sagte Tergard scharf. »Ich habe gesagt, daß du ihn in Frieden lassen sollst. Mister Craven genießt unsere volle Gastfreundschaft.« Er warf dem grobschlächtigen Sergeanten einen strafenden Blick zu, schüttelte den Kopf und beugte sich in gespielter Besorgnis zu mir hinunter.

»Sie dürfen es ihm nicht übelnehmen, Craven«, sagte er. »Die Größe seines Gehirnes steht leider in diametralem Gegensatz zu der seiner Muskeln. Ich versichere Ihnen, daß Ihnen ab sofort kein Haar mehr gekrümmt werden wird.« Er deutete auf den Wagen mit dem Käfigaufsatz. »Ich habe sogar unsere Staatska lesche für Sie anspannen lassen, um Sie in unser Gästequartier zu bringen. Ich bin sicher, Sie werden sich dort wohl fühlen.«

Er beugte sich noch weiter vor. »Bring ihn weg, Roosfeld«, sagte er leise.

Der Sergeant knurrte zustimmend, riß mich unsanft auf die Füße und beförderte mich mit Stößen und Knüffen auf den Eselskarren zu, bugsierte mich in den Käfig und kettete meine Handgelenke an. Als er mich losließ, sank ich sofort zusammen, bis mein Sturz von den rostigen Eisenringen um meine Gelenke gestoppt wurde.

Roosfeld warf den Käfig zu, verschloß ihn mit einem einfachen Riegel und trat um den Wagen herum, um vorne auf den Bock zu steigen.