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Ich fühlte mich mit jedem Schritt unbehaglicher. Es lag nicht allein an der Tatsache, daß ich ein Gefangener war - ein ziemlich hilfloser Gefangener noch dazu im Moment -, sondern mehr an meiner Umgebung. Ich glaubte die Wut der Lava, die überall um uns herum den Berg erfüllte, beinahe körperlich zu spüren. Der Krakatau war ein tätiger Vulkan, das hatte ich auch vorher gewußt - aber was ich nicht gewußt hatte, war die ungeheuerliche Wut, mit der sein brodelndes Herz schlug. Manchmal hatte ich das Gefühl, den Boden unter meinen Füßen vor Anspannung beben zu fühlen. Es war, als liefe ich auf - nein, verbesserte ich mich in Gedanken - in einer ungeheuerlichen Bombe, deren Zündschnur bereits brannte...

Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen, aber die schreckliche Vorstellung wurde dadurch eher noch schlimmer. Ich hatte den Krakatau gesehen, einen anderthalb Meilen hohen Giganten, aus dessen Krater das lodernde Rot der Höllengluten strahlte, die in seinem Inneren tobten. Aber einen Berg zu sehen und zu glauben, die kochende Lava unter Meilen und Meilen von Fels begraben zu wissen, und dann in seinem Inneren zu sein und zu erkennen, daß seine Schale in Wahrheit nur wenige Yards dick war, das waren zwei grundverschiedene Dinge.

Ob die wahnsinnigen Templer über mir überhaupt wußten, daß sie ihr Lager auf einem Pulverfaß errichtet hatten, dessen Deckel aus Chinapapier bestand?

Irgendwann, nach einer Ewigkeit, wie es mir schien, erreichten wir das Ende des Stollens und betraten eine weitere gigantische Halle.

Der Anblick ließ mich so abrupt stehenbleiben, daß mein Bewacher die Bewegung zu spät registrierte und unsanft von hinten gegen mich prallte. Mit einem zornigen Knurren stieß er mir die Faust zwischen die Schulterblätter, und ich stolperte weiter.

Die Höhle war kaum weniger groß als die, durch die ich dieses brennende Labyrinth betreten hatte, wenn auch niedriger und nicht zur Hälfte von kochender Lava erfüllt.

Und sie war ein Labyrinth.

Und das nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich. Wir waren nicht ebenerdig aus dem Stollen gekommen, sondern in halber Höhe der Höhle, gute acht Yards über dem Boden. Der Weg setzte sich vor uns fort, wenn auch nur noch als obere Basis einer lotrechten Mauer, die in zahllosen Windungen und Kehren durch den gewaltigen Hohlraum führte.

Sie war nicht die einzige; es schien Dutzende, wenn nicht Hunderte dieser senkrechten, wie glattpoliert wirkenden Wände zu geben, die sich immer wieder kreuzten, parallel liefen oder mit anderen verschmolzen, so daß die untere Hälfte der Höhle zu einem gewaltigen Labyrinth unterschiedlich geformter, aber gleich hoher Hohlräume wurde, von denen einige mit zischender Lava gefüllt waren. Keiner von ihnen war mit einem der anderen verbunden, und in manchen glaubte ich Bewegungen zu erkennen; dann und wann drang etwas wie ein Stöhnen oder ein verzweifelter, aber halb erstickter Schrei über das beständige Grollen und Zischen der Lava. Ich hatte selten ein perfekteres Gefängnis gesehen.

Und ein Gefängnis war es wahrhaftig, wie ich schon im nächsten Augenblick voller Schrecken bemerkte. Mein Bewacher trieb mich mit groben Stößen an, so daß ich weitergehen mußte, wollte ich nicht Gefahr laufen, auf der kaum zwanzig Zoll breiten Mauerkrone den Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. Wir passierten einige leere Kammern, gingen rasch an einer vorbei, deren Boden geborsten war, so daß rote Lava wie kochendes Blut durch die gezackten Risse strahlte und übelriechende Gase meine Lungen reizten, und erreichten schließlich eine Stelle, an der eine grobe Strickleiter in eine der finsteren Kammern hinunterführte. Mein Bewacher deutete darauf, dann auf mich, und hob drohend die Faust, als ich nicht schnell genug reagierte.

Irgend etwas sagte mir, daß es besser war, sich nicht auf einen Kampf einzulassen, und so ließ ich mich auf Hände und Knie nieder, angelte vorsichtig mit dem Fuß nach der obersten Sprosse der grob geknüpften Strickleiter und begann in die Tiefe zu klettern. Ich hatte den Boden der Kammer kaum erreicht, als die Leiter auch schon eingezogen wurde und der Mann, der mich hergebracht hatte, verschwand.

Unbehaglich sah ich mich um. Das düstere rote Licht, das den oberen Teil der Höhle wie der Widerschein eines dämonischen brennenden Himmels erfüllte, reichte kaum bis zu mir herab, und meine Augen, von dem ununterbrochenen Wechsel zwischen greller Helligkeit und absoluter Finsternis ohnehin gereizt, begannen abermals zu tränen.

Immerhin sah ich genug, um zu erkennen, daß der Boden der Kammer nicht so glatt war, wie es von oben den Anschein gehabt hatte, sondern gewellt wie eine zu Stein erstarrte Brandung und von zahllosen Rissen und Schrunden durchzogen. Und er war warm.

Vorsichtig, mit der linken Hand wie ein Blinder an der Wand entlangtastend, begann ich mein Gefängnis einmal zu umrunden. Aber das Ergebnis war mehr als enttäuschend. Es gab hier unten nichts als schwarze, erkaltete Lava. Und den Gedanken, an der Wand emporsteigen zu wollen, verwarf ich beinahe schneller, als er mir gekommen war.

Enttäuscht ließ ich mich an der Wand zu Boden sinken, zog die Knie an den Körper und schloß die Augen. Müdigkeit griff wie eine unsichtbare warme Hand nach mir, und selbst das Klopfen und Pochen der zahllosen Prellungen und Hautabschürfungen, die ich davongetragen hatte, sank auf ein fast erträgliches Maß herab. Die Wärme des Bodens tat gut.

Ich muß wohl eingeschlafen sein, denn als ich erwachte, fühlten sich meine Augenlider taub und geschwollen an, und auf meiner Zunge lag ein unangenehmer Geschmack.

Und es war das Gefühl, angestarrt zu werden, das mich geweckt hatte.

Abrupt sah ich auf.

Auf der Mauer über mir stand eine Gestalt, hoch aufgerichtet, schlank und von fast menschlichen Proportionen, ihre Konturen eingerahmt vom flimmernden roten Widerschein der Lava, so daß es aussah, als brenne sie.

Und obgleich er gegen das rote Gegenlicht über mir nur ein Schatten war und ich weder sein Gesicht noch irgendwelche anderen Einzelheiten sehen konnte, erkannte ich den Mann so deutlich, als stünde er neben mir.

Und im selben Moment wußte ich endgültig, daß mein Hiersein ganz und gar kein Zufall war.

»Dagon«, flüsterte ich.

Aus dem Schacht drangen Hitze und rotes Licht und der Atem von Magie wie ein übler Gestank. Etwas lauerte an seinem Grund, von dem Shannon nicht wußte, was es war, dessen Anwesenheit er jedoch überdeutlich spürte und das ein fast körperlich spürbares Empfinden von Gefahr verströmte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, diesem Höllenpfuhl auch nur nahe zu kommen. Es war, als wehe mit der Hitze der brennenden Steine noch etwas anderes heran, etwas, das einen Teil seiner Seele verbrannte.

Shannon schauderte, als er an die Bilder dachte, die er im Geist des sterbenden Tempelritters gesehen hatte. Die Gedanken des Mannes hatten sich verwirrt, und wie oft in den letzten Sekunden eines Lebens hatte er wohl Schein und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderzuhalten gewußt. Aber Shannon hatte gespürt, wieviel von dem namenlosen Schrecken, den er im Bewußtsein des Templers gelesen hatte, echt war.

Was er erfahren hatte, hatte selbst ihn erschreckt, aber es hatte auch viel erklärt, was ihm vorher ein Rätsel gewesen war.

Er würde seine Pläne ändern müssen, denn weder Necron noch er hatten damit rechnen können, auch noch auf eine zweite, fast ebenso gefährliche Gruppe von Feinden zu stoßen.

Shannon richtete sich behutsam auf, näherte sich dem Rand der Grube und beugte sich vor, so weit er konnte, ohne dabei Gefahr zu laufen, das Gleichgewicht zu verlieren. Obgleich er dem Bewußtsein des sterbenden Templers alle Informationen entnommen hatte, die er haben wollte, wußte er doch nicht, was ihn dort unten erwartete, denn im Geist des Mannes war jenseits dieses flammenden Kreises aus Licht und Wärme ein Entsetzen gewesen, das Shannon noch jetzt schaudern ließ. Aber er war nicht auf solcherlei Informationen angewiesen.