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Verblüfft starrte Shannon auf den zersplitterten Stumpf, der einmal der Hals des unheimlichen Wesens gewesen war.

Er war leer.

Die bizarre Erscheinung war nichts als eine leere Hülle, ein schwarzes Ding aus Hörn oder Chitin wie das Außenskelett einer Spinne, aber es umschloß keinen Körper!

Und es schien unverwundbar, denn noch während Shannon verstört auf das unglaubliche Bild starrte, stemmte sich der kopflose Torso wieder in die Höhe, wandte sich um und kam mit weit ausgebreiteten Armen und schwerfällig wie ein angreifender Bär wieder auf ihn zu. Die Klauen des Unheimlichen zuckten nach seinem Gesicht.

Im letzten Moment warf sich Shannon zurück. Der Hieb verfehlte ihn, aber der Unheimliche setzte sofort nach, bekam seine Hand zu packen und umklammerte sie. Shannon schrie vor Schmerz, als sich die Krallenhand des Knöchernen wie ein Schraubstock um seine Finger schloß. Mit aller Macht versuchte er seinen Arm loszureißen, aber das Wesen verfügte über Kräfte, die die eines Menschens weit überstiegen. Seine freie Hand hackte nach Shannons Gesicht und riß seine Wange auf.

Shannon warf sich zurück, um einem weiteren Hieb auszuweichen, und schmetterte dem Knöchernen das Knie in den Leib. Ein heller, knackender Laut erklang, und im Brustkorb des Dinges erschien ein verworrenes Muster aus Rissen. Shannon ließ auch den letzten Rest von Rücksicht fahren, jetzt da er wußte, daß er es nicht mit einem lebenden Gegner zu tun hatte. Mit aller Kraft warf er sich herum, verdrehte den Arm des Knöchernen und trat nach dessen Ellbogen. Wieder ertönte dieses schreckliche, knackende Geräusch, und mit einem Male war seine Hand frei, der Arm des Knöchernen dicht über dem Ellbogen abgebrochen. Keuchend wich Shannon zwei, drei Schritte zurück - und erstarrte.

Der Unheimliche folgte ihm nicht, wie er erwartet hatte, sondern stand einfach nur reglos da. Dann begann sich sein Körper zu regenerieren!

Abermals glaubte Shannon einen raschen Schatten von Grau zu sehen, wie eine Woge der Kraft, die aus dem unsichtbaren Zentrum des magischen Gewebes hervorschoß und in den Leib des unheimlichen Wesens strömte. Ein helles Knistern wie das Rascheln von trockenem Pergament drang aus der bizarren Gestalt, und vor Shannons ungläubig geweiteten Augen begannen sich die Risse und Sprünge in seinem Leib zu schließen. Dann wuchs sein zerborstener Arm nach. Dort, wo sein Kopf gewesen war, begannen sich graue Schemen zu formen.

Shannon schrie auf, warf sich mit einem Satz nach vorn und packte das bizarre Wesen. Der Knöcherne versuchte nach seinem Gesicht zu schlagen, aber seine Bewegungen waren langsam und fahrig, als erwache er aus einer Trance und wußte seinen Körper noch nicht vollkommen zu beherrschen. Mit verzweifelter Kraft stemmte Shannon den schwarzglitzernden Leib des Dinges in die Höhe, drehte sich herum - und schleuderte ihn in hohem Bogen von sich, direkt in den See aus weißglühender Lava hinein!

Eine gewaltige Flammenzunge schoß in die Höhe, als das Ungeheuer in den verflüssigten Stein klatschte und unterging. Shannon sprang mit einem Satz zurück, als weißglühende Tropfen wie kleine tödliche Geschosse auf ihn niederregneten. Die Lava brodelte. Ihre Oberfläche, schon halb zu krumiger hellroter Glut erstarrt, war zerrissen, und dort, wo der Knöcherne versunken war, lohte ein kreisrunder Fleck greller Weißglut.

Dann tauchte eine Hand aus seinem Zentrum.

Shannon erstarrte schier vor Entsetzen, als er sah, wie ein dunkler Körper sich unter der weißglühenden Lava abzuzeichnen begann. Die Spinnenhand versank wieder, aber nur, um Augenblicke später erneut aufzutauchen, gefolgt von einem Arm, einem grotesken gesichtslosen Schädel und den knochigen Schultern des furchtbaren Wesens. Flammen umhüllten seinen Körper, und die Hitze schien sprunghaft zu wachsen, als versuche die Lava mit aller Macht, das Opfer nicht wieder herzugeben, das ihr einmal dargebracht wurde.

Aber die unheimlichen Gewalten, die den Knöchernen am Leben erhielten, waren stärker. Langsam, als wate er durch einen zähen Sumpf, bewegte er die Arme und begann mit grotesken Bewegungen auf den Rand des Lavatümpels zuzuschwimmen.

Shannon wartete nicht, bis er ihn erreicht hatte, sondern fuhr herum und rannte los, so schnell er konnte.

»Ich habe dich gewarnt, Robert Craven«, sagte Dagon leise. Seine Stimme klang fremd; anders als ich sie in Erinnerung hatte. Etwas war daraus verschwunden, als hätte er nun auch noch den letzten Rest seiner Menschlichkeit verloren. »Du hättest nicht kommen sollen.«

»Du hättest die, die dir vertraut haben, nicht im Stich lassen sollen«, antwortete ich trotzig.

Dagon starrte auf mich herab, und obwohl ich sein Gesicht noch immer nicht erkennen konnte, war ich sehr sicher, nicht die geringste Spur von Mitleid oder auch nur irgendeines anderen menschlichen Gefühles darauf zu entdecken.

»Was ist das hier?« fragte ich. »Hast du neue Opfer gefunden, die deinen Lügen glauben, Dagon? Oder hast du dies alles nur erschaffen, um mir ein würdiges Ende zu bereiten?«

»Du überschätzt deinen Wert, Robert Craven«, antwortete Dagon. »Und deine Macht.«

»So wie du?«

Dagon schüttelte den Kopf und gab einen Laut von sich, der vielleicht ein Lachen sein mochte. »O nein, mein Freund«, sagte er leise. »Es gab eine Zeit, da habe ich mich überschätzt, doch sie ist lange her. Was auf dem Schiff geschah, hat mir gezeigt, wie gering ich bin, verglichen mit ihnen. Ich bin ein Nichts. Es hätte in ihrer Macht gestanden, mich zu vernichten, die ganze Zeit über.«

»Ihnen?« murmelte ich. »Du... du meinst...«

»Die THUL SADUUN«, unterbrach mich Dagon. »Ihre Macht ist unendlich. Es hat lange gedauert, doch jetzt habe ich begriffen. Und bereut.«

»Bereut?« Ich schrie fast. »Dagon, du bist von Sinnen! Diese Wesen werden dich vernichten, sobald du getan hast, was sie von dir wollen!«

»Das werden sie nicht«, widersprach Dagon ernsthaft. »Ich habe gefehlt, und ich werde Buße tun. Deshalb lebe ich noch. Dies alles dient ihrer Größe und ihrem Weiterleben. Du hättest nicht kommen sollen.«

Ich ignorierte den letzten Satz und starrte zu ihm hinauf. »Du willst damit sagen, daß du sie erwecken willst«, sagte ich. »Die Dämonen, vor denen du dich fünftausend Jahre lang verborgen hast, Dagon!«

»Nicht verborgen«, widersprach Dagon. »Sie wußten die ganze Zeit über, wo ich bin, und es war kein Tag, an dem sie mich nicht hätten zertreten können, wie ich einen Wurm zertrete. Was sind fünftausend Jahre für einen Gott, Robert Craven? Jetzt ist der Augenblick gekommen, meine Schuld zu bezahlen.« Er machte eine entschiedene Bewegung mit der Hand. »Genug. Sie sind ungeduldig, und der Moment rückt heran. Du wirst sterben, Robert Craven. Jetzt.«

Er trat einen Schritt vom Rande der Grube zurück und hob die Hand. Ich hörte Geräusche, ohne sie deuten zu können, dann erschienen zwei der Jammergestalten, die ich schon zuvor gesehen hatte, und traten in eindeutig demutsvoller Haltung vor den Fischgott. Sie trugen etwas zwischen sich, das ich gegen das grelle Licht nicht identifizieren konnte, aber es war größer als ein Männerkopf und rund. Auf einen stummen Wink ihres Herrn hin traten sie ganz dicht an den Rand der Grube heran, hoben den Gegenstand mit fast zeremoniellen Bewegungen hoch - und warfen ihn in die Tiefe. Ich sprang im letzten Moment beiseite, um nicht getroffen und womöglich erschlagen zu werden.

Das runde Ding stürzte auf den Felsboden und platzte mit einem widerlichen Geräusch auseinander.

Ein Schwall mörderischer Hitze trieb mich zurück. Aus dem Inneren des eiähnlichen Gegenstandes drang ein helles, loderndes Licht, in dessen Zentrum sich irgend etwas Finsteres wand und bewegte. Die Hitze nahm mir schier den Atem und ließ mich taumeln. Ich wich bis an den gegenüberliegenden Rand der Grube zurück, preßte mich gegen die Wand, so fest ich konnte, und hob schützend die Hände vor das Gesicht.