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Verzweifelt drehte ich mich einmal um meine Achse, aber das Bild war überall gleich. Ich war gefangen. Gefangen in einem kaum zehn Schritte messenden Kreis aus Glut und waberndem roten Licht. Und ich begann bereits zu spüren, wie der Boden unter meinen Füßen zitterte. Haarfeine Risse bildeten sich, und mit einem Male drang ein unheimlicher roter Schein aus der Erde, auf der ich stand.

»Robert! Paß auf!«

Shannons Schrei ging beinahe im Prasseln der hochschießenden Flammen unter. Keuchend drehte ich mich um und versuchte seine Gestalt hinter der Wand aus Glut zu erkennen.

Er stand noch immer an derselben Stelle, an der er zurückgeblieben war, wenn auch in sonderbar verkrampfter Haltung, nach vorn gebeugt und erstarrt, als schiebe er eine unsichtbare, unglaublich schwere Last von sich.

Dann...

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich ein Licht zu sehen, einen grellen, unglaublich blendenden Schein, der aus dem Nichts kam und wie eine lodernde Zwergensonne direkt über Shannons Gestalt erstrahlte. Plötzlich stieß Shannon einen Schrei aus und machte eine Bewegung mit der Hand, und der feurige Ball wurde zu einem Blitz, der wenige Schritte neben ihm in den Boden fuhr.

Die Uferböschung barst in einer lautlosen Explosion ungeheuerlicher Gewalten auseinander, und Wasser ergoß sich schäumend und sprudelnd in das Dorf. Ich sah, wie Shannon wie von einer Riesenfaust gepackt in die Höhe geschleudert wurde, dann erreichte die sprudelnde Woge die Lavafront.

Und die Welt ging unter.

Es war wie das Aufeinanderprallen zweier urgewaltiger Götter. Feuer und Wasser vereinigten sich in einer ungeheuerlichen, brüllenden Explosion aus Dampf und himmelhoch spritzendem Schaum und explodierender Erde. Ein Hammerschlag der Götter traf den Boden, riß mich von den Füßen und ließ mich hilflos davonrollen, geradewegs auf den lavagefüllten Graben zu, aber das Wasser war schneller.

Plötzlich ergriff mich eine unsichtbare Hand, riß mich in die Höhe und schleuderte mich wie einen Spielball davon. Ich schluckte Wasser, drehte mich wie ein Kreisel in der irrsinnigen Strömung und sah Licht und brodelndes Wasser und heißen Schaum, als ich wieder auftauchte. Wenige Yards neben mir schoß eine Wand aus kochendem Dampf in die Höhe, fünfzig oder mehr Yards senkrecht gegen den Himmel und durchwoben von Fetzen rotglühender Lava, und darunter, unter dem sprudelnden Wasser nur als verschwommener Schatten zu erkennen, wand sich ein gigantischer Wurm im Todeskampf.

Das Wasser riß mich weiter, schleuderte mich auf die Reste einer Hütte zu, die brennend auf dem Wasser trieb und unter meinem Anprall zerbrach. Wie in einer schrecklichen Vision sah ich den Waldrand und den bodenlosen, selbst unter dem Wasser noch von weißglühender Lava und sich windenden Wurmleibern erfüllten Riß auf mich zurasen, griff in blinder Panik um mich und bekam irgend etwas zu fassen, aber nur, um gleich wieder herumgeschleudert und unter Wasser gedrückt zu werden.

Als ich wieder nach oben kam, sah ich den Waldrand auf mich zurasen, dann einen einzelnen, mehr als dreifach mannsdicken verkrusteten Stamm, dessen unteres Drittel in Flammen stand und der wie ein heranrasendes Raumschiff auf mich zielte.

Den Anprall spürte ich schon nicht mehr.

Aus einer Entfernung von zwei Meilen betrachtet, sah es aus, als wäre ein neuer Krater auf der Flanke des Krakatau ausgebrochen, dort, wo das Dorf der Eingeborenen gelegen hatte. Der Widerschein der Flammen hatte den Himmel selbst in Brand gesetzt, und selbst jetzt, wo das Feuer erloschen war, drang noch ein unheimliches Glühen und Lodern aus der Erde, denn das Wasser hatte sich seinen Weg gesucht und dabei nicht alle Wunden gelöscht, die die finstere Magie des Fischgottes der Erde geschlagen hatte.

Tergard setzte das Fernglas ab, rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die vom langen Starren in die weiße Glut brennenden Augen und seufzte tief. Die Nacht war kalt, wie es tropische Nächte sehr oft sind; er fror. Und er war müde. Es war die zweite Nacht, in der er seinem Körper keinen Schlaf hatte gönnen können. Und er wußte, daß noch sehr viel Zeit vergehen würde, ehe er sich wieder ein paar Stunden Schlaf stehlen konnte. Die nächsten Stunden - vielleicht Tage - waren zu wichtig, um sie mit etwas so Banalem wie Schlaf zu vertun.

Das Geräusch leiser Schritte ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren. Mit einer beinahe erschrockenen Bewegung wandte er sich um, wechselte das Fernglas in die Linke und legte die freigewordene Hand auf den Schwertgriff.

Aber es war nur Roosfeld, der aus dem Unterholz trat. Tergard schalt sich in Gedanken einen Narren. Er hatte mehr als genug getan, um sicher zu sein. Seine Feinde - all seine Feinde, auch die, die noch gar nicht wußten, daß er sie dazu deklariert hatte, dachte er voller boshafter Befriedigung - hatten im Augenblick alle Hände voll zu tun, am Leben zu bleiben. Aber sein Erschrecken war auch ein deutliches Warnzeichen für den Grad seiner Erschöpfung. Tergard nahm sich vor, deutlicher auf solche Warnungen zu achten. Es wäre fatal, im entscheidenden Moment einen Fehler zu machen, nur weil er vielleicht zu müde war, um noch klar zu denken. Vielleicht würde er sich doch einige Stunden Schlaf gönnen müssen.

»Hat er gesprochen?« fragte er.

Roosfeld schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, als wir schon wußten«, antwortete er. »Er weiß nicht, wer dieser Fremde ist. Aber er hat Angst vor ihm.«

»Bist du sicher, daß er die Wahrheit gesagt hat?« fragte Tergard.

»Bisher hat mich noch keiner belogen, wenn ich ihn wirklich ernsthaft verhört habe«, antwortete Roosfeld beleidigt. Tergard musterte ihn einen Moment, und als er näher an den Leutnant herantrat, sah er, daß seine Hände voller Blut waren. Seine Verachtung für Roosfeld stieg. Tergard verabscheute Gewalt, wo sie nicht nötig war. Sein Entschluß, sich von Roosfeld zu trennen, so bald er jemanden gefunden hatte, der seinen Platz einnehmen konnte, festigte sich.

»Ich werde ihn selbst noch einmal fragen«, sagte er. »Sicher ist sicher.«

»Er weiß nichts«, sagte Roosfeld.

»Aber du gestattest, daß ich mich selbst davon überzeuge?« schnappte Tergard. Roosfeld nickte hastig, und Tergard reichte ihm mit einer groben Bewegung das Fernglas und ging an ihm vorbei.

Eldekerk lag auf der Erde, das Gesicht im weichen Boden vergraben und die Hände gegen den Leib gepreßt. Die beiden Soldaten, die ihn bewachten, wichen Tergards Blick aus, als er sie ansah.

Langsam kniete der Master des Templer-Ordens neben dem Holländer nieder, drehte ihn auf den Rücken und betrachtete sein blutüberströmtes Gesicht. Eldekerk würde sterben, das sah man sofort. Die Verletzungen, die Roosfeld ihm zugefügt hatte, waren zu schlimm.

Beinahe behutsam berührte Tergard Eldekerks Stirn und sandte beruhigende Impulse in seinen Geist. Nach wenigen Augenblicken schon begann sich Eldekerks keuchender Atem zu beruhigen. Seine Hände hörten auf zu zittern, und nach einer weiteren Minute hatte er sogar die Kraft, die Augen zu öffnen.

Aber in seinem Blick waren nur Entsetzen und Angst, als er Tergard ansah.

»Keine Sorge, mein Freund«, sagte Tergard. »Es ist vorbei. Niemand wird Ihnen mehr weh tun.« Er unterstützte seine Worte mit einer Woge suggestiver Impulse, gegen die Eldekerks erlöschendes Bewußtsein machtlos war. Sekundenlang starrte ihn der Holländer weiter mit diesem Ausdruck grenzenlosen Entsetzens an, dann glätteten sich seine Züge, und die Andeutung eines Lächelns erschien auf seinen blutverkrusteten Lippen.

»Ich werde ihnen helfen«, fuhr Tergard fort. »Aber sie müssen mir die Wahrheit sagen, was haben Craven und Shannon vor?«

Natürlich antwortete Eldekerk nicht. Er konnte es nicht mehr. Sein geschundener Körper besaß kaum noch genug Kraft, sein Herz schlagen zu lassen. Aber Tergard las die Antwort auf seine Frage im Bewußtsein des Sterbenden so deutlich, als hätte er gesprochen.