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»Mein Gott!« stöhnte ich. »Dann... dann werden sie wiederkommen.«

Shannon nickte. »Ich fürchte es. Der Angriff heute nacht war nicht der letzte. Sie werden wiederkommen.«

»Aber wir werden nicht mehr da sein.«

Shannon und ich wandten uns gleichzeitig um und sahen Yo Mai an. Der Majunde war unserem Gespräch mit unbewegtem Gesicht gefolgt, aber der entschlossene, harte Ausdruck, der in seinem Blick war, hatte eher noch an Intensität gewonnen.

»Natürlich werdet ihr nicht mehr da sein«, sagte Shannon unwillig, der Yo Mais Worte falsch deutete. »Ihr müßt fort. Das Beste wird sein, wenn ihr eure Frauen und Kinder an einen sicheren Ort bringt und...«

»Du verstehst nicht, was er meint«, unterbrach ich ihn, ohne den Blick von Yo Mais Gesicht zu nehmen.

Shannon starrte mich an. »Was soll das bedeuten?«

»Das, was dein Freund richtig erkannt hat, weißer Mann«, entgegnete Yo Mai. »Wir werden zu unserem Gott gehen.« Er wies mit einer Kopfbewegung hinauf zum Gipfel des Krakatau.

»Dort oben, in den heiligen Höhlen unseres Volkes, werden wir die Entscheidung der Götter abwarten, weißer Mann.«

»Dort oben?« keuchte Shannon. »Aber das ist Wahnsinn! Ihr lauft Dagon ja geradezu in die Arme. Er will euch alle umbringen.«

»Wenn es der Wille der Götter ist, wird das geschehen. Wenn nicht, nicht«, antwortete Yo Mai. Shannon wollte abermals auffahren, aber der junge Majunde hob rasch die Hand, und Shannon schien zu begreifen, daß es sinnlos war, dem Eingeborenen widersprechen zu wollen.

»Der Wille des mächtigen Gottes Krakatau wird geschehen«, sagte Yo Mai entschieden. »In den heiligen Höhlen wird sich entscheiden, ob das Volk der Majunde leben oder untergehen wird. Es liegt nicht in unserer Hand, irgend etwas daran zu ändern.«

»Das ist Wahnsinn«, murmelte Shannon, aber es war kein echter Widerspruch mehr, sondern weitaus mehr Ausdruck seiner Hilflosigkeit.

Und Wut.

Einen Moment lang versuchte ich mir einzureden, daß ich mich täuschte, aber der Ausdruck auf Shannons Gesicht war zu deutlich. Shannon war wütend. Aber worüber? Etwa über die Tatsache, daß sich seine Hoffnung nicht erfüllte und die Majunde uns die Waffenhilfe verweigerten, die wir uns von ihnen erhofft hatten?

Yo Mai hielt Shannons Blick noch einen Moment lang stand, dann drehte er sich mit einem sonderbar traurigen Lächeln um und ging zu seinen Leuten zurück. Shannon starrte ihm wütend nach. »Dieser Narr!« keuchte er.

»Diese hirnverbrannten Idioten! Sie werden Dagons Kreaturen direkt in die Mäuler laufen, wenn sie wirklich dort hinaufgehen!« Zornig ballte er die Hände zu Fäusten. In seinen Augen blitzte es. Dann bemerkte er, daß ich ihn anstarrte, und erschrak sichtbar. Der Ausdruck von Wut verschwand von seinen Zügen und machte dem einer tiefen, schuldbewußten Betroffenheit Platz.

»Entschuldige, Robert«, murmelte er. »Ich... habe die Beherrschung verloren. Es tut mir leid.«

»Schon gut«, sagte ich, obwohl in Wahrheit absolut nichts schon gut war. Die Wut, die ich in Shannons Augen gelesen hatte, hatte mich erschüttert. Es war einfach nicht fair, daß alles, was er empfand, während er dem Todesurteil eines ganzen Volkes lauschte, Wut war.

Dann wurde ich mir der Tatsache bewußt, daß meine Gedanken auch alles andere als fair waren. Shannon war der mit Abstand begabteste und wohl auch stärkste Mann, dem ich jemals begegnet war, aber das bedeutete nicht, daß ich in irgendeiner Form das Recht hatte, ihm menschliche Schwächen abzusprechen. Auch für ihn mußte das, was wir erlebt und durchgemacht hatten, bis an die Grenzen seiner Kräfte gegangen sein.

War es da ein Wunder, daß auch er anders als gewohnt und vielleicht sogar falsch reagierte?

Eigentlich nur, um die Peinlichkeit, die der Moment für uns beide gewonnen hatte, zu überwinden, drehte ich mich um und beugte mich zu dem Majunde-Magier hinab, der noch immer reglos und stumm dasaß und Shannon und mich aus weit gewordenen Augen anstarrte.

»Geht es dir besser?« fragte ich.

Sein Blick schien geradewegs durch mich hindurchzugehen, und als er sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein heiseres Flüstern.

»Ist es wahr, was dein Freund gesagt hat?« murmelte er.

»Was? Die Sache mit Tergard und Dagon?«

»Er hat mich belogen«, murmelte der Majunde. »Er hat mit der Stimme der Götter gesprochen, und der große Gott Krakatau selbst hat...«

»Ich weiß nicht, was Tergard dir gesagt hat«, unterbrach ihn Shannon kühl, »und auf welche Weise. Aber ich gebe dir mein Wort, daß er so wenig mit deinen Göttern zu tun hat wie wir. Tergard ist ein Meister der Lüge wie alle seine Brüder.«

»Aber er hat mit der Stimme der Götter gesprochen!« begehrte der Magier auf. Seine Stimme kippte fast über, und seine Augen schienen vor Entsetzen schier aus den Höhlen quellen zu wollen. Ich hatte keine Ahnung, was diese Stimme der Götter war, aber was immer sich hinter diesem Wort verbarg, der bloße Gedanke daran, daß sie gelogen hatte, mußte den Majunde beinahe um den Verstand bringen.

»Tergard ist ein gefährlicher Mann«, sagte ich rasch, ehe Shannon auf seine wenig diplomatische Art vielleicht noch mehr Schaden anrichten konnte. »Er hat dich getäuscht, Magier, wie so viele. Er hat alle belegen. Selbst die, mit denen er sich verbündet hat.« Ich schwieg einen Moment, tauschte einen raschen Blick mit Shannon und fuhr mir nervös mit der Zunge über die Lippen. Ich war mir klar darüber, wie sinnlos meine nächsten Worte waren, aber ich mußte es wenigstens versuchen.

»Ihr dürft nicht dort hinaufgehen«, sagte ich mit einer Geste auf den Krakatau. »Es wäre der Untergang für dein Volk, Zauberer.«

Wie ich es erwartet hatte, reagierte der Magier gar nicht auf meine Worte, sondern starrte mich nur weiter an. Seine Lippen bebten.

»Die Stimme der Götter«, murmelte er. »Gelogen. Dieser Weiße Teufel hat die Stimme der Götter mißbraucht.« Plötzlich veränderte sich etwas in seinem Blick. »Ich hätte ihn töten sollen, weißer Mann«, sagte er. »Ich hätte dich töten sollen. Alle Weißen sind Teufel. Ich hätte tun sollen, was die Stimme der Götter befohlen hat.«

»Du irrst dich«, sagte ich eindringlich. »Tergard hat euch hintergangen, so wie er alle belogen hat, selbst Dagon. Um so wichtiger ist es, daß euer Volk jetzt weiterlebt. Ihr müßt fliehen.«

Es war sinnlos. Der Blick des Majunde-Magiers verschleierte sich wieder, und plötzlich begann er Worte in seiner Muttersprache zu stammeln, die ich nicht verstand. Seine schlanken Hände öffneten und schlössen sich unentwegt, als wolle er etwas packen und zermalmen.

»Das hat keinen Zweck mehr, Robert«, sagte Shannon leise.

Ich nickte, richtete mich widerstrebend auf und starrte an ihm vorbei auf den flammengebenden Gipfel des Krakatau. Sein Glühen schien plötzlich etwas Unheimliches und Drohendes zu haben.

Und trotzdem fror ich plötzlich.

Der Hauch des Todes lag über der Lichtung. Menschen waren hier gestorben, eines unnatürlichen, gewaltsamen Todes, und ihr Sterben hatte Spuren hinterlassen, unsichtbar, aber trotzdem zu fühlen für den, der die geheimen Zeichen der Natur zu deuten wußte.

Tergard war bis zur Mitte des halberstarrten Sumpfes gegangen, der sich dort erstreckte, wo noch am Abend zuvor das Majunde-Dorf gestanden hatte. Er hatte den Kampf beobachtet, aus sicherer Entfernung heraus zwar, aber doch nahe genug, um sich ein Bild dessen machen zu können, was sich abgespielt hatte. Und trotzdem erschreckte ihn der furchtbare Anblick.