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Langsam drehte er sich um, machte einen Schritt auf einen gewaltigen, halb im Schlamm vergrabenen dunklen Körper zu und blieb abrupt wieder stehen, als er erkannte, was da vor ihm lag.

Der Leib des Höllenwurmes war geborsten wie trockene Holzkohle, wie von einem Hammerschlag in drei Teile zersprengt und noch im Tode auf schier unmögliche Weise verdreht und verzerrt. Selbst jetzt, als es nichts mehr war als ein Stück verbrannter Schlacke, strahlte das Wesen etwas Unheimliches aus. Es war ein Geschöpf Satans, dessen war sich Tergard sicher, ganz gleich, mit welchen Namen die anderen Dagon und seine Kreaturen bedachten. Eine sonderbare Mischung aus Stolz und Furcht ergriff von Tergard Besitz, als er diesen Gedanken dachte, und plötzlich breitete sich eine fast hysterische Belustigung in ihm aus. Balestrano hatte ihn bisher auf diese Insel am Ende der Welt verbannt, damit er sich bewähren konnte, als Strafe für das, was Tergard als seine Pflicht und Balestrano als Fehler bezeichnet hatte.

Und er, ausgerechnet er, Tergard, der verstoßene Master, der Mann, der in Ungnade gefallen war und dessen Name selbst der geringste Knappe mit Verachtung in der Stimme aussprach, ausgerechnet er würde es sein, der die entscheidende Schlacht schlug, der das Armageddon herbeiführte und zu Gunsten des wahren Herren entschied!

Wäre er nicht so müde gewesen, hätte er lauthals gelacht, als ihm die hintergründige Ironie dieses Gedankens voll zu Bewußtsein kam. Wie sagte Balestrano immer: Die Wege des Herrn sind voller Rätsel.

Ja, dachte er zufrieden. Das sind sie wirklich. Und voller Überraschungen, insbesondere und vor allem für einen senilen Trottel, der auf seinem Thron in Paris saß und sich für den Nabel der Welt hielt. Balestrano würde der erste sein, den er vernichtete, wenn er erst einmal die Macht ergriffen hatte.

Tergard drehte sich um, um zum Waldrand zurückzugehen, verhielt aber dann plötzlich mitten im Schritt und blickte auf einen kleinen, halb im Schlamm versunkenen Gegenstand. Eine Sekunde lang zögerte er, dann ließ er sich in die Hocke sinken, hob seinen Fund auf und wischte mit einem Zipfel seines Mantels den gröbsten Schmutz ab. Ein überraschtes Stirnrunzeln zog seine Brauen zusammen, als er erkannte, was er da gefunden hatte. Aber dann lächelte er erneut. »Die Wege des Herrn sind wirklich rätselhaft«, sagte er, während er aufstand, seinen Fund sorgfältig in eine Tasche seines Mantels schob und mit schnellen Schritten zum Waldrand und den wartenden Soldaten zurückging. Mit dem Tag war die Stille gekommen. Nichts hatte sich an der Höhle geändert: das rote, düstere Licht war wie immer, das Zischen der Lava erfüllte die labyrinthischen Gänge und Stollen wie ein Chor unheilvoll wispernder böser Stimmen, und von Zeit zu Zeit bebte der Berg unter seinen Füßen, als wolle der Geist des Krakatau Dagon daran erinnern, daß er keineswegs der unumschränkte Herrscher dieser Insel war. Und doch war es stiller geworden, wenngleich es eine Stille jenseits des Hörbaren war, ein Schweigen, das düster und schwer auf seiner Seele lastete und eine unausgesprochene Drohung mit sich führte.

Dagon starrte mit einer Mischung aus Verzweiflung und hilfloser Wut auf das wimmelnde Rot unter sich. Hier und da war die Oberfläche des Lavasees zu schwarzen, zerborstenen Eisschollen erstarrt, und die Hitze, die es normalerweise selbst ihm verbot, länger als wenige Augenblicke hier zu stehen, hatte merklich abgenommen. Nur manchmal bewegte sich etwas in der lodernden Glut tief unter ihm. Aus dem gewaltigen Heer flammengeborener Ssaddit war ein armseliger Haufen geworden, wenige Dutzend, wo am Abend zuvor noch Hunderte seiner Diener gewesen waren.

Der zweite Fehler, dachte er. Es war das zweite Mal gewesen, daß er Robert Craven unterschätzt hatte, und wie beim ersten Mal hatte er um ein Haar mit dem Verlust all dessen, was er in Jahren geduldig aufgebaut hatte, bezahlt. Aus der gewaltigen Armee unbesiegbarer Ssaddit, mit deren Hilfe er die Ankunft der THUL SADUUN vorbereiten wollte, war ein armseliger Haufen geworden, eine Handvoll, wo Hunderte vonnöten gewesen wären. Es war nicht die Zahl seiner Diener, die er verloren hatte, die ihn so hart traf, sondern die Tatsache, daß es die größten und stärksten der Höllenwürmer gewesen waren. Ihre Zahl spielte keine Rolle. Wenn die Nacht kam, würden ihre Diener aus dem Meer kommen und neue Ssaddit bringen, Hunderte, wenn er es wünschte, Tausende, die seine brennende Armee rasch wieder auffüllen würden.

Aber er hatte keine Möglichkeit mehr, sie wieder zu dem zu machen, was sie gewesen war. Dagon befand sich in der Lage eines Feldherren, der über eine unbegrenzte Zahl von Kriegern gebieten konnte - und nicht die Möglichkeit hatte, sein Heer auch nur einen Tag zu ernähren.

Die Schatten aus dem Meer würden die Dämoneneier bringen, die die THUL SADUUN durch die Abgründe der Zeit sandten, aber es würde nichts als eine gewaltige Zahl gefräßiger kleiner Monster sein, Ungeheuer, die Dagon selbst und seine Diener vernichten würden, wenn er ihnen kein anderes Opfer anbieten konnte.

Nun, dachte er grimmig, was das anging, so hatte er noch Mittel und Wege, sich Opfer für die Ssaddit zu beschaffen, wenn ihm auch der Gedanke nicht gefiel, denn er würde Aufsehen erregen, und Dagon hätte es vorgezogen, sein Tun so lange wie möglich geheimzuhalten.

Dagon hob die Hand und machte eine befehlende Geste. Die Bewegung blieb ohne die geringste sichtbare Reaktion, aber weit draußen, in den lichtlosen Tiefen des Ozeans, begannen sich Tentakel zu regen, erhoben sich bizarre, aufgedunsene Körper aus dem sandigen Grund. Der achtarmige Tod erwachte.

Das Lager war verlassen, wie wir es erwartet hatten. Das Haupttor stand offen, und wo bei meiner ersten Ankunft in Tergards teuflischem Gefangenenlager schwerbewaffnete Wachen gestanden hatten, spielte nun nur noch der Wind mit Abfällen und abgestorbenem Geäst. Wie die meisten Gebäude, die von ihren Bewohnern verlassen worden waren, machte die Anlage einen unheimlichen Eindruck. Aber vielleicht war es auch nur die Erinnerung an das, was ich hier erlebt hatte, die mich erneut schaudern ließ, als ich neben Shannon durch das zweite, innere Tor trat und stehenblieb. Vielleicht auch die Angst vor dem, was wir tun würden.

Mein Blick suchte das niedrige, quer stehende Gebäude am Ende der doppelten Reihen einfacher Baracken, die den inneren Teil des Lagers bildeten. Seine Türen standen offen, und ein unheimlicher roter Schein fiel auf den festgestampften Lehm des Bodens hinaus. Ich glaubte die Hitze zu spüren, die aus dem Schacht drang, der sich dahinter verbarg.

»Du kannst es dir noch überlegen«, sagte Shannon leise. »Ich würde es verstehen, wenn du nicht mitkommst.«

Ich blickte ihn an und versuchte zu lachen, aber es wurde eher ein hysterisches Kreischen daraus. »Willst du wirklich eine Antwort darauf haben?« fragte ich. Shannon nickte. »Ich meine es ernst, Robert. Du wärest mir ohnehin keine große Hilfe. Nicht, solange du nicht im Vollbesitz deiner Kräfte bist.«

»Sie kehren zurück«, sagte ich heftig. »Tergard hat sie nur gelähmt, mehr nicht.«

»Das weiß ich«, antwortete Shannon. »Aber es kann Tage dauern, bis du dich völlig erholt hast. So viel Zeit bleibt uns nicht.«

»Deshalb komme ich ja auch gleich mit«, sagte ich, und fügte, in bewußt ärgerlichem Tonfall, hinzu: »Gib dir keine Mühe, Shannon. Ich werde ganz bestimmt nicht hierbleiben und die Wolken zählen, während du dort hinuntergehst und dich ganz allein mit Dagon und den Bestien herumschlägst. Ich komme mit.«

Shannon sah wohl ein, wie sinnlos es war, und beschränkte sich auf ein resignierendes Seufzen.

Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie es in seinem Inneren aussah - wenig anders als in meinem. Das Schlimme war, daß weder Shannon noch ich auch nur die geringste Ahnung hatten, was wir dort unten antreffen würden.