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Geschweige denn, was wir überhaupt dort wollten.

Unser ganzer Plan bestand darin, Dagon aufzuhalten. Irgendwie.

Seufzend wandte sich Shannon um und deutete mit einer Kopfbewegung auf den vorderen Teil des Lagers. Der Platz hinter dem inneren Tor war von den Überlebenden des Majunde-Stammes bevölkert, an die hundert Männer, Frauen und Kinder, die in kleinen Gruppen oder auch allein auf dem nackten Boden saßen. Es war ein bizarres Bild - das Lager war von seinen legitimen Besitzern verlassen, und es gab genug Räumlichkeiten, auch eine weit größere Zahl von Menschen aufzunehmen, als es Yo Mais Stamm darstellte, aber nicht ein einziger Eingeborener hatte eines der Gebäude betreten. Die Majunde mußten so hungrig und durstig sein wie ich - und ich hätte im Moment ein halbes Pferd verspeisen können -, aber es war, als hielte sie irgend etwas davon zurück, den Steinbauten auch nur nahe zu kommen. Viele ihrer Stammesbrüder hatten hier ihr Leben lassen müssen. Es hatte Shannon und mich unsere ganze Überredungskunst gekostet, die Majunde allein dazu zu überreden, das Lager zu betreten, um eine Rast einzulegen.

Wir gingen zwischen den stumm dahockenden Eingeborenen hindurch und näherten uns dem größten der rechteckigen Steinbauten, die den Festungsteil des Lagers bildeten. Ich hatte noch mehrere Male versucht, die Majunde von ihrem Vorhaben abzubringen, zum Gipfel des Krakatau hinaufzugehen und dort die Entscheidung ihrer Götter abzuwarten, aber das Ergebnis war jedes Mal das gleiche gewesen. Schließlich hatten Shannon und ich uns entschieden, ihnen ein Stück zu folgen, denn der Weg, den die Majunde nahmen, um zu ihren heiligen Höhlen zu gelangen, führte direkt an Tergards Lager vorbei.

Von hier ab würden sich unsere Wege trennen, denn während Yo Mai und seine Leute einem Ungewissen Schicksal und dem Gipfel des Vulkans entgegengingen, würden Shannon und ich die entgegengesetzte Richtung nehmen: lotrecht in die Erde hinab, hinunter zu Dagon und seinen Ssaddit. Und dem, was wir sonst noch dort finden mochten.

Ich vertrieb den Gedanken, schloß mit raschen Schritten zu Shannon auf und trat hinter ihm ins Innere des Hauptgebäudes. Dunkelheit und der unangenehme Geruch von abgestandenem Tabaksqualm und zu vielen Menschen, die zu lange auf zu engem Raum zusammengelebt hatten, schlugen uns entgegen. Rasch und ohne ein überflüssiges Wort durchsuchten wir das Gebäude. Das Haus machte den Eindruck eines Gebäudes, das von seinen Bewohnern in höchster Eile verlassen worden war - Möbel waren umgestoßen und achtlos liegengelassen worden, auf den Tischen standen Teller mit nur halb verzehrten Mahlzeiten, Türen standen offen.

Schließlich fanden wir, wonach wir suchten - die Küche. Nach den Erfahrungen, die ich mit Shannons Kochkunst gemacht hatte, schüttelte ich rasch den Kopf, als er sich anbot, eine Mahlzeit zuzubereiten, und erklärte, daß ein wenig kaltes Fleisch und Brot ihren Dienst täten.

Nach neuerlichem, kurzem Suchen fanden wir die Speisekammer, und ich trug Brot und Pökelfleisch und ein Stück gesalzenen Schinken auf einem Tisch gleich neben der Tür auf, während Shannon das Feuer im Herd zu neuer Glut entfachte und Kaffee kochte.

Die nächste halbe Stunde verbrachten wir mit Essen. Shannons Kaffee schmeckte noch scheußlicher als sein Essen, aber er vertrieb wenigstens die bleierne Müdigkeit, die von mir Besitz ergriffen hatte. Im Grunde war diese Mahlzeit überflüssig. Es spielte keine besondere Rolle, ob wir mit knurrenden Mägen oder satt in Dagons unterirdisches Reich hinunterstiegen; wahrscheinlich würden wir ohnehin nicht mehr lange genug leben, um wirklichen Hunger zu bekommen. Es war nur ein Vorwand gewesen, den wir beide mit Freuden ergriffen hatten, das Unausweichliche noch einmal hinauszuschieben, und sei es nur für eine halbe Stunde. Als wir fertig waren, wollte Shannon aufstehen, aber ich machte eine rasche Geste, sitzenzubleiben.

»Warte noch«, bat ich. »Ich ... habe noch ein paar Fragen.«

Shannon sah mich an, und - es war verrückt, aber ich war absolut sicher - für einen Moment spiegelte sein Gesicht den gleichen Ärger, den ich schon einmal an ihm bemerkt hatte, am Morgen, als er mit Yo Mai sprach. Aber ich schob das Gefühl, wie schon einmal, auf den desolaten Zustand, in dem sich seine Nerven befinden mußten. »Was... was geschieht, wenn wir Erfolg haben?« fragte ich. Shannon legte den Kopf auf die Seite und sah mich mißtrauisch an. »Wie meinst du das?« fragte er. »Wie ich es sagte«, antwortete ich gereizt. »Was wirst du tun, wenn wir Dagon wirklich besiegen sollten?« Shannon schwieg einige Sekunden, dann nickte er. »Ich verstehe«, sagte er. »Necron.«

»Necron«, bestätigte ich. »Du wirst zu ihm zurückkehren?«

Shannon nickte. »Ja. Aber aus anderen Gründen, als er ahnt.«

»Ich werde dich begleiten«, sagte ich.

Shannon lachte. »Du bist verrückt«, sagte er. »Glaube mir, Robert, du würdest seiner Drachenburg nicht einmal nahe genug kommen, um sie zu sehen. Ich weiß nicht mal, ob es mir gelingt.«

»Trotzdem werde ich dich begleiten«, beharrte ich. »Necron wird nicht aufgeben, nur weil du ihm entkommen bist und ihm seinen magischen Kompaß gestohlen hast.«

»Wenn wir das hier überleben«, sagte Shannon überzeugt, »hat er keinen Grund mehr, dich zu jagen, Robert.«

»Wie meinst du das?« fragte ich verwirrt.

Shannon lächelte flüchtig und wurde sofort wieder ernst. »Es gibt nur einen Weg, Dagon aufzuhalten«, sagte er. »Das weißt du so gut wie ich. Wir müssen das SIEGEL in unsere Hand bekommen, denn das ist es, woher er seine Kräfte nimmt. Ohne das SIEGEL DER MACHT ist er nichts weiter als ein kleiner Zauberlehrling, der nicht einmal mir gewachsen ist. Er ist ein Nichts, Robert, ein Mann, der von geliehener Kraft zehrt und es nicht mal weiß.«

»Du weißt eine Menge über einen Mann, über den du nichts weißt«, sagte ich.

Shannon überging meinen Einwurf. »Wenn wir das SIEGEL in unsere Hand bekommen, ist nicht nur Dagon besiegt«, sagte er, »sondern auch Necron.«

Diesmal war ich ehrlich überrascht, und Shannon schwieg eine ganze Weile, als genösse er es, sich an meiner Verwirrung zu weiden. »Ich werde es dir erklären«, sagte er schließlich, »schon, damit du begreifst, wie wichtig es ist, daß wir Erfolg haben. Es geht hier um mehr als diese Insel, Robert. Dagon ist im Besitz der ersten beiden SIEGEL gewesen, aber er ahnt nicht einmal, welche Macht in seinen Händen liegt, glaube mir. Necron weiß es sehr wohl, und er wird seine Diener in Scharen schicken, sobald er herausgefunden hat, wo sich das zweite Siegel befindet.« Seine Miene verdüsterte sich. »Und ich fürchte, es wird nicht mehr lange dauern. Aber sie werden zu spät kommen.«

»Du willst es zerstören?« vermutete ich.

Shannon nickte. »Wenn es mir gelingt. Aber es muß gelingen. Ohne dieses SIEGEL sind die anderen wertlos für Necron.«

»Wieso?«

»Es sind sieben, Robert«, erklärte Shannon. »SIEBEN SIEGEL DER MACHT, geschaffen von den ÄLTEREN GÖTTERN. SIEBEN SIEGEL, die die GROSSEN ALTEN selbst jetzt noch bannen und verhindern, daß sie Besitz von dieser Welt ergreifen. Du hast mir erzählt, daß du dabei warst, als dreizehn von ihnen in die Gegenwart gekommen sind, aber du kennst nur einen Teil der Wahrheit. Sie haben den Abgrund der Zeit überwunden, aber die, die sie vor Jahrmilliarden besiegten, sahen selbst diese Möglichkeit voraus. Sie schufen die SIEBEN SIEGEL DER MACHT, sieben magische Siegel, die die wahre Macht der GROSSEN ALTEN bannen.

Sie sind Ungeheuer, furchtbare, schreckliche Dämonen, Robert, aber ihre wahre Macht können sie erst entfalten, wenn auch das siebente Siegel erbrochen wurde. Und sie müssen alle geöffnet werden, begreifst du? Es nutzt Necron überhaupt nichts, nur fünf oder meinetwegen auch sechs Siegel in seinem Besitz zu haben. Das Spiel heißt alles oder nichts. Wenn es mir gelingt, dieses SIEGEL zu zerstören, das sich in Dagons Besitz befindet, ist Necron erledigt. Shub-Niggurath wird ihn töten, wenn er auch diesmal versagt.«