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»Er ist... nicht im Lager«, gestand Yo Mai, wobei er Shannons Blick auswich. »Ein paar Männer haben gesehen, wie er weggegangen ist, kurz ehe wir hierherkamen.«

»Wohin?« fauchte Shannon.

Yo Mai sah auf, aber er blickte mich an, nicht Shannon.

Dann hob er die Hand und deutete auf den Gipfel des Krakatau. »Dorthin«, sagte er, »Zu den heiligen Höhlen unseres Volkes.«

Ich wollte antworten, aber ich kam nicht dazu, denn in diesem Moment flammte ein neuer, quälender Schmerz in meiner Brust auf.

Es war längst nicht so schlimm wie der erste Angriff, eigentlich nur ein dünner, tiefgehender Stich, eher lästig als wirklich schmerzhaft. Aber er blieb.

Die Wärme des Vulkans machte sich hier oben, näher an seinem Krater als an der Küste und dem Meeresspiegel, unangenehm bemerkbar. Trotz des hellen Sonnenlichtes schien der Himmel unmittelbar über dem wie abgeschnitten wirkenden Gipfel des Berges in düsterem Rot zu glühen, und in fast regelmäßigen Abständen ertönte ein dumpfes, knirschendes Grollen, manchmal gefolgt von einer Säule feuriger Lava, die aus der Caldera des Vulkans emporschoß und fauchend wieder zurücksank.

»Der Berg ist unruhig«, sagte Roosfeld.

Tergard zog eine Grimasse. »Eine ungemein intelligente Feststellung, Roosfeld«, murmelte er. »Was würde ich nur ohne dich tun?«

Roosfeld schluckte, senkte den Blick und konzentrierte sich ganz darauf, neben Tergard den abschüssigen Hang hinaufzusteigen, ohne auf dem losen Geröll das Gleichgewicht zu verlieren. Tergard war gereizt, und Roosfeld wußte nur zu gut, wie unberechenbar der Templer sein konnte, wenn er schlechter Laune war.

Schweigend stiegen sie weiter, überwanden den Hang und drangen wieder in den Dschungel ein, der hier oben nicht ganz so undurchdringlich war wie weiter unten an der Küste. Trotzdem würden sie den Krater nicht vor Sonnenuntergang erreichen, das wußte Roosfeld. Und seit der vergangenen Nacht hatte er Angst, nach Dunkelwerden hier zu sein. Er wußte, daß die Feuerwürmer wiederkommen würden. Tergard mochte ihn als Idioten betrachten, aber so dumm, sich nicht auszurechnen, daß Dagon sie mit aller Macht verfolgen würde, war er nun auch wieder nicht.

Tergard blieb stehen, als sie einige Schritte in den Wald eingedrungen waren. Ein angespannter Ausdruck lag mit einem Male auf seinem Gesicht. Roosfeld sah, daß seine Rechte unter dem Mantel zum Schwert kroch.

»Was ist?« fragte er alarmiert.

Tergard machte eine rasche, ungeduldige Geste, zu schweigen, und sah sich aufmerksam um. Auch Roosfeld lauschte, aber er hörte nichts außer dem mühsamen Hämmern seines eigenen Herzens und den natürlichen Geräuschen des Waldes, in die sich das Grollen des Berges wie düsterer Trommelschlag gemischt hatte.

Die Bäume vereinigten ihre Kronen fünfzig Yards über ihren Köpfen zu einem beinahe völlig geschlossenen Blätterdach, das nur wenig Licht hindurchließ, so daß sie in schattigem Halbdunkel standen, in dem die Schatten zu furchtbarem eigenem Leben zu erwachen schienen.

»Irgend etwas ist hier nicht in Ordnung«, murmelte Tergard. Plötzlich drehte er sich herum, hob den Arm und bedeutete den Soldaten, die ihnen in wenigen Schritten Abstand gefolgt, waren, mit ungeduldigen Gesten, aufzuschließen. Die Männer gehorchten und bildeten einen weit gespannten Kreis um Tergard und Roosfeld.

Es war ein beinahe bizarrer Anblick. Wie Tergard selbst und auch Roosfeld hatten die Soldaten ihre niederländischen Marineuniformen gegen die zeremoniellen Gewänder der Tempelherren getauscht - schwarze Hosen und Stiefel, Kettenhemden und darüber ein hüftlanges, weißes Gewand mit einem aufgestickten roten Kreuz. Bisher hatte Roosfeld immer einen Hauch von Ehrfurcht verspürt, wenn er diese Gewänder sah. Hier, inmitten des tropischen Dschungels und im Angesicht des flammenspeienden Giganten über ihren Köpfen, kamen sie ihm albern vor.

»Irgend jemand belauert uns«, murmelte Tergard. »Ich spüre es. Wir...«

Der Rest des Satzes ging in einem peitschenden Laut und dem gellenden Schrei eines der Templer unter. Roosfeld hatte den flüchtigen Eindruck eines langgestreckten, schlanken Schattens, der aus dem Unterholz herausflog, und beinahe im selben Augenblick griff sich einer der Soldaten an den Hals und brach in die Knie, beide Hände um den Schaft des Pfeiles gekrallt, der plötzlich aus seiner Kehle ragte.

»Das ist ein Überfall!« brüllte Tergard. »In Deckung!«

Aber wenn die Männer seine Worte überhaupt verstanden, so blieb ihnen keine Zeit, darauf zu reagieren. Plötzlich sirrten ein zweiter und dritter Pfeil heran, und ein weiterer Tempelherr brach getroffen zusammen.

Aber der Augenblick der Überraschung währte nicht lange. Auf Tergards befehlenden Schrei hin zogen sich die Männer zu einem engen, Schulter an Schulter geschlossenen Kreis zusammen, lösten die großen dreieckigen Schilde von den Rücken und knieten dahinter nieder, eine lebende Schutzmauer um Tergard und Roosfeld bildend.

Der nächste Pfeilhagel prallte harmlos von den schweren Eichenschilden ab.

»Da sind sie!« Tergard deutete auf eine Stelle im Unterholz, an der sich die Schatten bewegt hatten. »Greift an!«

Die Männer gehorchten. Während die Hälfte von ihnen zurückblieb, um ihren Master zu beschützen, sprangen die anderen auf und rannten, die Schilde schützend erhoben und die Schwerter gezückt, los. Rücksichtslos brachen sie durch das Unterholz und waren verschwunden. Wenige Augenblicke später erscholl ein ganzer Chor gellender Schreie, und dann hörte Roosfeld Kampflärm.

Er sah die Bewegung im letzten Augenblick, aber seine Reaktion kam zu spät. Ein kleiner, bronzebraun gebrannter Körper stürzte auf ihn herab, riß ihn mit dem ungestümen Schwung seines Anpralles nach hinten und schwang ein fast armlanges Messer. Roosfeld wich einem wütenden Stich aus und packte das Handgelenk des Eingeborenen. Rechts und links von ihm erschienen weitere Majunde, stürzten aus den Ästen der Bäume oder erschienen wie aus dem Boden gewachsen hinter Unterholz und Geäst, um sich mit verbissener Wut auf die kleine Templerarmee zu stürzen.

Roosfeld kämpfte wie ein Besessener. Er war viel stärker als der Majunde, der ihn angefallen hatte, aber der Eingeborene kämpfte mit der Wut und Schnelligkeit einer Wildkatze, und Roosfeld wurde durch seinen verbundenen Arm stark behindert.

In Todesangst bäumte er sich auf, stieß den Majunde von seiner Brust und versuchte abermals, seinen Arm zu packen. Seine Bewegung war nicht schnell genug; er verfehlte den Arm des braungebrannten Kriegers, und die Messerklinge fuhr in seine Hand.

Roosfeld taumelte zurück und brach in die Knie. Der Majunde wirbelte herum, schlug ihm mit dem Ellbogen ins Gesicht und stieß ihm den Dolch in den Leib.

Es tat nicht einmal besonders weh, aber es war, als wiche von einem Sekundenbruchteil auf den anderen jegliche Energie aus Roosfelds Körper. Der weiße Stoff seines Templergewandes begann sich dunkel zu färben.

Roosfeld kippte nach vorn, aber seine Arme hatten nicht mehr die Kraft, das Gewicht seines Körpers zu tragen. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Brust, dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Er erwachte aus seiner Ohnmacht, als ihn eine Hand an der Schulter berührte und ihn auf den Rücken drehte. Über seinem Gesicht erschien ein verschwommener Fleck, den er erst nach Sekunden als Tergards Antlitz identifizierte. Der Master des Templerordens war verletzt: Über seinem Auge klaffte ein blutender Schnitt, und es sah aus, als hätte man ihm ein Büschel Haare ausgerissen. Aber keine dieser Verletzungen war ernsthaft.

»Steh auf, Roosfeld«, begann er ungeduldig. »Sie sind geflohen. Wir müssen weiter.« Er stockte, als sein Blick über Roosfelds Leib glitt und er den allmählich größer werdenden, dunklen Fleck auf seinem Gewand gewahrte, aus dessen Mitte der lederumwickelte Griff des Messers ragte.