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Gehorsam drehte ich mich um.

Die Gestalt war wie ein Schatten aus dem Nichts erschienen. Die Flammen der brennenden Lava zeichneten huschende Schatten und verwirrende Lichtreflexe auf die hölzerne Tiermaske, die ihre Züge verbarg. Es war der Magier, der Zauberer des Majunde-Stammes, der mir den Tod geschworen hatte. In seinen Händen lag eine kleine, roh gefertigte Stoffpuppe, und hinter ihm bewegten sich weitere Schatten. Ich schätzte, daß wir einem knappen Dutzend Eingeborener gegenüberstanden, Die drei nicht einmal mitgerechnet, die uns den Rückweg verwehrten. Selbst ohne die gespannten Bögen in den Händen der Krieger kein sehr gutes Verhältnis.

»Ihr Weißen Teufel!« zischte er. »Ihr wagt es, selbst das Heiligtum unseres Volkes zu entweihen. Ich werde euch vernichten. Der große Gott Krakatau selbst wird sich an euch rächen, an euch und eurem ganzen Volk.«

»Du täuscht dich, Magier«, sagte Shannon kalt. »Nicht wir sind deine Feinde. Deine eigene Dummheit wird dich umbringen.«

Der Magier nahm die Beleidigung ohne die geringste sichtbare Reaktion hin. Nur die Krieger, die in seiner Begleitung waren, rückten ein Stück näher. Nervös sah ich mich nach einem Fluchtweg um, aber die einzige Richtung, die uns blieb, war die steinerne Brücke, die über den Abgrund führte. Ich vergaß den Gedanken an eine Flucht sehr rasch wieder. Eine bessere Zielscheibe als einen Mann, der über diesen kaum armbreiten Steg balancierte, konnten sich die Eingeborenen gar nicht wünschen.

»Rühr dich nicht«, flüsterte Shannon plötzlich. »Und bleib ganz dicht bei mir, gleich, was geschieht.« Laut und an den Zauberer gewandt, fuhr er fort: »Du selbst hast diesen Ort entweiht, Magier, denn du hast einen deiner Brüder ermorden lassen, hier, in den heiligen Höhlen deines Volkes, in denen das Blut keines Majunde jemals vergossen werden darf.«

»Lüge!« kreischte der Magier. Seine Finger krallten sich zornig um die kleine Stoffpuppe, und ich hob instinktiv die Hand an die Brust. Aber der Schmerz, auf den ich wartete, kam nicht. Noch nicht.

»Yo Mai ist ein Verräter!« fuhr der Magier erregt fort. »Er hat die heiligen Höhlen entweiht, nicht ich. Er hätte euch nie hierherbringen dürfen. Er mußte sterben. So wie ihr,«

»Aber sicher«, sagte Shannon ruhig. »Trotzdem schlage ich vor, daß wir uns später darüber streiten. Warum legst du nicht die Puppe zu Boden und kommst her? Und ihr anderen, werft eure Waffen weg - bitte.«.

Die Eingeborenen gehorchten.

Langsam, als hielte er eine kostbare Last aus zerbrechlichem Glas, legte der Magier die Voodoo-Puppe vor sich auf den Fels, während seine Krieger ihre Bögen entspannten und nacheinander in den Abgrund warfen.

Sekundenlang starrte ich fassungslos auf das unglaubliche Bild. Dann begriff ich. Shannon hatte nichts anderes getan als das, was auch ich versucht hätte, wäre ich noch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte gewesen - die Majunde-Krieger und ihr Stammeszauberer standen unter seinem hypnotischen Bann. Und wahrscheinlich merkten sie es nicht einmal.

»Und jetzt komm her«, sagte Shannon. Seine Stimme klang kalt und so schneidend wie Stahl, aber ich schob es auf die enorme Konzentration, die es ihm abverlangen mußte, mehr als ein Dutzend Männer gleichzeitig unter Kontrolle zu behalten. Ich fragte mich, wie lange Shannon diese Anstrengung durchhalten würde.

Gehorsam kam der Magier näher, blieb in zwei Schritten Abstand vor uns stehen und nahm seine Zeremonienmaske ab, als Shannon die Hand hob. Das Gesicht des Majunde war so starr wie die Maske. Der Glanz seiner Augen war erloschen.

»Du wirst jetzt gehen«, sagte Shannon. Seine Stimme bebte; ganz sachte nur, aber doch hörbar. »Du wirst gehen und deine Krieger mitnehmen, hast du das verstanden? Ihr werdet uns nicht mehr angreifen.«

»Das wird auch gar nicht mehr nötig sein«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Es wäre ziemlich dumm, einen toten Mann anzugreifen, oder?«

Wie von der Tarantel gestochen fuhr ich herum - und erstarrte. Die Gestalt in der weißen Templerrobe stand wie ein Dämon aus einer anderen Welt hinter uns, so daß das rote Licht der Lava ihr Gesicht beschien und zu einer schrecklichen Dämonenfratze machte.

Auch Shannon war herumgefahren, und ich hörte, wie die Majunde hinter uns aus ihrer Starre erwachten, als sein hypnotischer Bann brach. Erschrockene, wütende Schreie wurden laut und rissen bizarre Echos aus der Weite der Lavahöhle. Dann klirrte Metall hinter uns auf dem Stein. Ich sah über die Schulter zurück und erkannte weitere Männer in den weißen Roben der Templer, die die Majunde umringt hatten und mit ihren Waffen in Schach hielten. »Tergard!« murmelte Shannon.

Der Templer nickte. »Ganz recht. Und Sie müssen Shannon sein. Ich habe von ihnen gehört, mein Freund.« Er seufzte. »Aber ich fürchte, leider nichts Gutes.« Ein dünnes, böses Lächeln huschte über seine Züge, als er auf den Krieger hinabsah, den Shannon getötet hatte. »Ich hoffe doch, daß ich nicht zu spät gekommen bin, um den interessanten Teil der Vorstellung zu verpassen«, sagte er hämisch. »Wie ich sehe, haben sie sich mit meinen kleinen braunen Freunden schon bekannt gemacht. Das vereinfacht die Sache.«

Ich wollte antworten, aber in diesem Moment stieß der Majunde-Zauberer Shannon mit einem Schrei beiseite und sprang auf Tergard zu. »Du Teufel!« kreischte er. »Weißer Hund! Du sprichst mit gespaltener Zunge und entweihst unser Heiligtum! Die Götter werden dich strafen!«

Tergard sah ihm scheinbar ungerührt entgegen. Reglos wartete er, bis der Zauberer ihn beinahe erreicht hatte, sprang mit einer blitzschnellen Bewegung zur Seite und hob den Arm.

Der Magier schrie auf, taumelte wie vom Blitz getroffen zurück und krallte die Hände über der Brust in den Stoff seines Gewandes. Das buntgefärbte Leinen begann sich dunkel zu färben, und im roten Licht der Lava sah ich eine winzige Messerklinge in Tergards Händen blitzen. Der Majunde taumelte, brach in die Knie und fiel auf die Seite.

»Mörder«, murmelte ich. »Sie verdammter Mörder! Ist das die Art, auf die sie die Regeln ihres Ordens schützen?« Tergard lächelte kalt, steckte seine Waffe weg und zog einen handgroßen Gegenstand unter dem weißen Gewand hervor. Ich konnte nicht erkennen, was es war, aber Tergards Lächeln wurde noch breiter, und Shannon stieß einen überraschten Laut aus.

»Wissen Sie, Craven«, sagte Tergard beinahe gelangweilt, »Sie beginnen, mir auf die Nerven zu gehen. Aber ich weiß ein gutes Mittel dagegen.« Damit griff er abermals unter sein Gewand und zog eine lange, glitzernde Nadel hervor, um sie tief in den sackähnlichen kleinen Gegenstand zu stoßen, den er in der Rechten trug.

Ein Schwerthieb traf mein Herz.

Ich brach in die Knie, krümmte mich und krallte die Hände in meine Brust. Flüssiges Feuer füllte meine Lungen, und mein ganzer Körper bestand nur noch aus Qual. Ich schrie, fiel nach vorn und riß mir das Gesicht an der scharfkantigen Lava auf. Plötzlich war der Schmerz fort, so schnell, wie er gekommen war, aber ich blieb weiter keuchend liegen, unfähig, mich zu rühren oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Wie von weit, weit her hörte ich Shannons Stimme irgend etwas schreien, ohne die Worte zu verstehen, dann ertönte ein dumpfer, klatschender Laut, und Shannon brach neben mir in die Knie.

Der Templer, der ihn mit der Breitseite seines Schwertes niedergeschlagen hatte, versetzte ihm noch einen Tritt und trat zurück, um Platz für Tergard zu machen. Ein höhnisches Lächeln verzerrte die Züge des Masters, als er sich vor mir in die Hocke sinken ließ und die rechte Hand ausstreckte. »Sie sind ein intelligenter Mann, Robert«, sagte er. »Und trotzdem haben Sie sich wie ein Narr benommen. Sie haben die ganze Zeit den falschen Mann verfolgt, wissen Sie das?« Stöhnend richtete ich mich auf, blinzelte die Schleier weg, die vor meinen Augen wogten und starrte auf Tergards Hand. In seinen Fingern lag eine Puppe.