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Eine kleine, grob zusammengenähte Voodoo-Puppe, auf deren Kopf jemand mit ungelenken Strichen eine häßliche Karikatur meiner Züge gemalt hatte. In ihrem Strohhaar schimmerte eine weiße Strähne.

»Sehen Sie?« Tergard lachte. »Dieser idiotische Eingeborene hatte die Güte, sie zu verlieren, und ich habe mir erlaubt, sie aufzuheben. Man soll nichts verkommen lassen, nicht wahr?«

»Sie... Sie sind ja wahnsinnig!« stöhnte ich.

Tergard lächelte, hob die Nadel, die er in der Hand trug - und trieb sie mit einem Ruck tief in den Kopf der Stoffpuppe. Als ich wieder zu Bewußtsein kam, lag ich auf dem Rücken. Blut lief über mein Gesicht, und der Schmerz in meinem Schädel war unerträglich.

Einer von Tergards Männern riß mich in die Höhe und zwang mich, den Tempelherren anzusehen. Das Lächeln in Tergards Augen war erloschen und hatte einem grausamen, entschlossenen Ausdruck Platz gemacht.

»Sie werden jetzt sterben, Mister Craven«, sagte er. »Es tut mir leid, daß mir nicht mehr Zeit bleibt, mich mit Ihnen zu befassen, aber ich bin sicher, Sie wissen die Mühe zu würdigen, die ich mir gemacht habe. Das hier«, er hob die Voodoo-Puppe und hielt sie mir ganz dicht vor die Augen, »ist jedenfalls ein angemesseneres Ende für den Sohn eines Hexers, als von einem hirnlosen Idioten wie Roosfeld zu Tode geprügelt zu werden, nicht wahr?«

»Gehen Sie... zum ... Teufel«, krächzte ich.

Tergard lachte. »Ich fürchte, dorthin werden erst Sie gehen, mein Freund. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise. Und wer weiß - vielleicht sehen wir uns ja ba...«

Er brach mitten im Wort ab. Seine Augen weiteten sich, und plötzlich, völlig warnungslos, verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Tergard schrie auf, taumelte zurück und rutschte an der Wand entlang zu Boden. Die Voodoo-Puppe entglitt seinen Fingern und fiel auf den Fels.

Der Schlag betäubte mich fast.

»Der Magier!« kreischte Tergard. »Der Majunde! Tötet ihn! Bringt ihn um!« Seine Stimme kippte über, wurde zu einem hysterischen Kreischen.

Mühsam drehte ich mich herum.

Der Stammeszauberer war zurückgekrochen und hatte sich auf Hände und Knie erhoben. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und die Wunde in seiner Brust blutete stärker. Trotzdem brachte er die Kraft auf, sich noch einmal zu erheben und auf den Abgrund zuzutaumeln. In seinen Händen lag ein kleiner, dunkler Gegenstand.

»Erschießt ihn!« schrie Tergard. »Sofort!«

Eine Bogensehne sirrte. Der Magier bäumte sich auf, gleichzeitig von drei, vier Pfeilen getroffen. Dann brach er in die Knie, stemmte sich noch einmal hoch und wankte weiter auf den Abgrund zu.

Der nächste Pfeil zischte heran. Der Majunde taumelte, drehte sich einmal um seine Achse und fiel, von zwei weiteren Pfeilen getroffen, nach hinten.

Direkt in den Abgrund hinein.

Tief unter uns erscholl ein dunkles Klatschen, als der Leichnam des Zauberers in die geschmolzene Lava stürzte. Im selben Augenblick verwandelte sich Tergard in eine lebende Fackel.

Es ging unglaublich schnell. Mit einem Male züngelten Flammen aus seinen Kleidern und Haaren, griffen blitzartig auf seine ganze Gestalt über und hüllten ihn in einen Mantel aus wabernder Hitze. Binnen einer Sekunde zerfiel der Master des Templer-Ordens vor meinen Augen zu Asche.

So schnell wie ein menschlicher Körper zerfällt, der in tausend Grad heiße Lava geschleudert wird.

Und plötzlich war die Höhle voller Schreie, ringenden Gestalten und den Geräuschen des Kampfes, der entbrannte, als sich die Majunde auf die Tempelritter stürzten. Die weißgekleideten Krieger leisteten kaum Widerstand, jetzt, da sie ohne Führer und Tergards geistigem Einfluß entkommen waren.

Ich bekam von dem Kampf kaum etwas mit. Selbst, als sich Shannon neben mir stöhnend erhob, sich das Blut aus dem Gesicht wischte und sich umdrehte, um den Eingeborenen zu Hilfe zu eilen, blieb ich reglos auf den Knien hocken und betrachtete die kleine, schmuddelige Stoffpuppe, die Tergards Händen entglitten war.

Eine Puppe mit meinem Gesicht und meinem Haar.

Aber eigentlich sah ich sie gar nicht. Vor meinem inneren Auge stand das Bild einer zweiten, gleichartigen Voodoo-Puppe, Einer Puppe, auf deren Schädel ein Büschel ausgerissener Menschenhaare geklebt und auf deren Brust ein gleichschenkeliges rotes Balkenkreuz gemalt gewesen war.

Ich hatte sie nur eine knappe Sekunde lang wirklich gesehen, im selben Augenblick, in dem sie auch Tergard erblickt und die Wahrheit erkannt hatte.

Eine Voodoo-Puppe mit seinem eigenen Gesicht.

Die Puppe, die der Majunde-Zauberer in den Händen gehalten hatte, als er in die Tiefe stürzte...

Die Sonne war aufgegangen. Es war früher Morgen, der dritte oder vierte, seit ich die tropische Insel in der Sundastraße betreten hatte - so genau wußte ich das nicht mehr, denn während der letzten Tage war zu viel geschehen -, und vom Meer wehte eine kühle, nach Salzwasser riechende Brise herauf, die selbst hier oben, fünfhundert Yards über und anderthalb Meilen von der Küste entfernt, noch deutlich zu spüren war.

Trotzdem schienen die niedrigen, von kleinen rechteckigen Zinnen gekrönten Gebäude der Garnison, vor der ich auf der Lauer lag, bereits wieder hinter einem Vorhang aus wabernder Hitze auf und ab zu schwingen. Die Sonne, gerade erst hinter dem Horizont hervorgekrochen und noch längst nicht so grell, wie sie tagsüber vom wolkenlosen Himmel Krakataus herabbrannte, überschüttete die Insel bereits mit einem Übermaß an Wärme. Selbst die Nebelfetzen, die noch wie ein letzter Gruß der vergangenen Nacht zwischen den Bäumen hingen, schienen warm zu sein. Ich hatte das Gefühl, am ganzen Leib klebrig zu sein und mich ununterbrochen kratzen zu müssen. Ein Rascheln in den Büschen neben mir riß mich aus meinen düsterer. Überlegungen. Ich sah auf, gewahrte einen Schatten und kurz darauf Shannons Gesicht, das im roten Licht der Sonne schweißnaß glänzte. Wenn man genau hinsah, dann konnte man die dunklen, tief eingegrabenen Ringe unter seinen Augen entdecken, die Zeugnis davon ablegten, daß die Anstrengungen der letzten Nacht auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen waren.

Gerade an ihm nicht. Shannon hatte wieder einmal den Hauptteil des Kampfes ausgetragen, der eigentlich mir zugestanden hätte. Ohne ihn wäre ich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich längst tot gewesen - zum wievielten Male eigentlich?

»Alles in Ordnung«, sagte er, nachdem er neben mir angelangt war und sich rasch nach beiden Seiten umgeblickt hatte.

»Es ist niemand zu sehen.«

»Keine Wachen?« erkundigte ich mich. »Niemand - auch nicht am Tor?«

Shannon schüttelte den Kopf. »Die Schilderhäuschen sind leer«, sagte er. »Ich war dort. Wenn Tergard Soldaten zurückgelassen hat, dann schlafen sie alle oder spielen Karten.«

Verwirrt blickte ich zu den weißgekalkten Gebäuden der Garnison hinüber. Nicht, daß ich Shannon nicht glaubte - wenn er sagte, dort drüben wäre niemand, dann war dort niemand. Aber der Gedanke, daß Tergard sein geheimes Hauptquartier von allen Truppen entblößt haben sollte, nur um mich und Shannon zu jagen, ging mir ebensowenig ein. Er hatte weniger als ein Dutzend Männer bei sich gehabt, als wir ihn oben in den heiligen Höhlen der Majunde stellten, und ich hatte allein zweimal so viele Männer gesehen, als ich das erste Mal hier gewesen war. Von der Besatzung seines teuflischen Konzentrationslagers am Fuße des Krakatau ganz zu schweigen. Nein - irgend etwas stimmte hier nicht.

Trotzdem erhob ich mich ohne ein weiteres Wort, als Shannon mir das Zeichen dazu gab, trat geduckt hinter dem dornigen Busch hervor, der uns bisher Deckung gegeben hatte, und huschte hinter dem schwarzgekleideten Drachenkrieger auf die zwei Yards hohe Einfriedung der Garnison zu, jeden Moment auf einen Schrei oder gar einen Schuß gefaßt. Aber wir erreichten die Mauer unbehelligt, und als wir uns dem Tor näherten, sah ich, daß Shannon die Wahrheit gesagt hatte - die beiden Schilderhäuschen rechts und links des geschlossenen Tores standen leer. Von den Soldaten, die darin Wache stehen sollten, war nicht die geringste Spur zu sehen. Abermals blieben wir stehen, und Shannon machte mich mit Gesten darauf aufmerksam, daß das Tor nicht verschlossen, sondern nur angelehnt war.